"Killeralge" verschwindet nach jahrelangem Kampf

Die "Killeralge" werde eine Ökokatastrophe im Mittelmeer auslösen, warnten Wissenschaftler, etlichen Arten drohe das Aus. Nun verschwindet die Alge - von ganz allein. Experten rätseln, warum. 



An Warnungen mangelte es nicht, seit Caulerpa taxifolia 1984 erstmals vor Monaco gefunden wurde. Die aus den Tropen eingeschleppte, rasend schnell wachsende Alge sei "schlimmer als eine Ölpest", befand noch vor einigen Jahren Professor Alexandre Meinesz vom Umweltlabor der Mittelmeerküste (LEML) an der Universität Nizza. Meeresbiologen warnten vor einer Ökokatastrophe, der Kampf gegen den überlegenen, aggressiven Feind sei aussichtslos. Doch es kam anders: Auf unerklärliche Weise hätten sich die zunächst rasant gewachsenen Algen-Bestände seit 2004 extrem verringert, sagt Meinesz. Die Fachwelt rätselt. 

Alle Maßnahmen gegen die alles überwuchernde "Killeralge" hatten sich als weitgehend wirkungslos erwiesen - wie etwa der Einsatz von Tauchern, die die "Killeralge" in gezielten Aktionen zu beseitigen versuchten. Auch eine Bekämpfung mit Chemikalien oder elektrolytischen Verfahren erwies sich als in großem Maßstab nicht praktikabel. Ein Rückgang der Artenvielfalt in großen Teilen des Mittelmeeres wurde befürchtet. Die Alge ist giftig, natürliche Feinde hatte sie in ihrem neuen Lebensraum nicht.

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Doch nun gilt vorsichtige Entwarnung. "An einigen wenigen Stellen ist die Alge ganz verschwunden, an den meisten anderen zwischen 50 und 80 Prozent", sagt Meinesz. Die Natur selbst scheine eine Lösung gefunden zu haben. Erklärungsmodelle wie genetische Veränderungen, Temperaturschwankungen oder eine mögliche Auslaugung des Meeresgrunds hätten sich als nicht tragfähig erwiesen. 

Die für Badende ungefährliche Alge breitete sich jahrelang wie ein grüner Teppich an den Küsten zwischen Frankreich, Italien, Kroatien, Spanien und der Türkei aus. Sie erwies sich als extrem widerstandsfähig und blieb selbst nach einer Woche auf dem Trockenen aktiv. Den angestammten Algen und Meerespflanzen blieben weniger Licht und Nährstoffe, sie wurden zunehmend verdrängt. Nun scheint ihre Leidenszeit vorbei. 

Dass Caulerpa taxifolia ganz verschwindet, bezweifelt Meinesz aber. Sie habe sich ihrem neuen Lebensraum angepasst. Warum sie weicht, werde weiter untersucht. "Wir stehen vor einem Rätsel", sagt der Wissenschaftler, der vor verfrühtem Jubel warnt. "Wir wissen nicht, ob sich die Bestände wieder erholen und plötzlich ausdehnen werden." Die giftige Alge bleibe als Bedrohung für das Ökosystem des Mittelmeeres unberechenbar, betont der 65-Jährige. 

Ohnehin wird Caulerpa taxifolia kaum der letzte Angreifer aus der Fremde sein. Die "Globalisierung der Meere", das zunehmende Einschleppen fremder Arten mit Schiffen, führe vielfach zur Veränderung von Ökosystemen, erklärt Meinesz. In den US-Küstengewässern vor San Diego sei das ebenso zu beobachten wie vor Japan oder einigen australischen Regionen. 

(dpa)