Bayern zahlte für Staatstrojaner fast 250.000 Euro

Der enge gesetzliche Rahmen wurde im Freistaat Bayern offenbar bereits überschritten, obwohl Innenminister Joachim Herrmann (CSU) versicherte, der bisher erfolgte Trojanereinsatz sei legal gewesen

Ein Unternehmen aus Hessen hat diverse Ermittlungsbehörden mit der Spionage-Software ausgestattet – auch Bayern. Nun gerät Innenminister Herrmann in Bedrängnis.

Das Kriterium, warum die Softwarefirma Digi Task vom Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) 2008 den Zuschlag für ein Computerprogramm und weitere Maßnahmen zur Überwachung bekam, lautete: „Wirtschaftlich günstigstes Angebot“. Bayern zahlte laut den Unterlagen aus dem Auftragsverzeichnis der EU, die „Welt Online“ vorliegen, fast 250.000 Euro.

Auch das Zollkriminalamt kaufte 2007 für knapp über 200.000 Euro, und das LKA Baden-Württemberg 2008 für 220.000 Euro bei der Firma ein. So wurde das hessische Unternehmen zum Lieferanten einer Software, die mehr kann, als die Verfassung erlaubt.

Mittlerweile ist Digi Task als Produzent des sogenannten Staatstrojaners bekannt geworden. Einer Software, die nach Maßstäben der Behörden günstig sein soll, laut Experten aber dilettantisch programmiert wurde. Bayern bestätigte, dass es den umstrittenen Trojaner nutzte, wenn auch angeblich legal. Digi Task selbst geht davon aus, dass die gelieferte Software dem heftig kritisierten, vom Chaos Computer Club (CCC) öffentlich gemachten Trojaner entspricht, wie Unternehmensanwalt Winfried Seibert „Welt Online“ mitteilte.

Eine Schuld am Missbrauch weist er aber zurück: „Die Behörden kriegen zunächst einmal eine Basissoftware. Diese Software wird erst angepasst, wenn eine Behörde einen konkreten Beschluss eines Gerichts benennt.“ Im Kern geht es um die Frage, ob sich Ermittler an die strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben halten.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Überwachung von Computern enge rechtliche Grenzen gesetzt. Die Online-Durchsuchung eines Rechners sei nur bei konkreter Gefahr für hochrangige Rechtsgüter zulässig, befanden die Richter 2008 in einem richtungsweisenden Urteil.

Für das Abhören von Internettelefonaten – die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) – gelten aber die weniger strengen Regeln der Telefonüberwachung, solange es dabei bleibt. In deren Rahmen dürfen nicht nur Telefonate abgehört, sondern auch Chat-Protokolle oder E-Mails ausgewertet werden.

Viele Behörden haben die Spionage-Software bei Digi Task geordert, um damit die Quellen-TKÜ sicherzustellen. Das für den Zoll zuständige Bundesfinanzministerium sagte „Welt Online“, in seinem Verantwortungsbereich sei der umstrittene Trojaner nicht eingesetzt worden.

Auch ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums sagte „Welt Online“, man habe den rechtlichen Rahmen beim Einsatz nicht überschritten. Auch andere Bundesländer haben Software zur Überwachung von Internettelefonaten eingesetzt. Sie betonen, dass sich die Ermittler genau an richterliche und gesetzliche Vorgaben gehalten hätten.

Doch ein aus Bayern bekannt gewordener Fall, in dem der Staatstrojaner verbotenerweise auch in regelmäßigen Abständen Screenshots vom Bildschirm des Verdächtigten machte, heizt die Diskussion über den Umgang mit solcher Software an. Ausführungen des Chaos Computer Clubs zufolge ließe sich ein Computer mit dieser Software sogar komplett steuern. Das ist bei der Quellen-TKÜ ausdrücklich verboten.

Die Behörden im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums halten sich nach ihren eigenen Angaben auch daran. Die Quellen-TKÜ sei seit 2008 zwar bereits 25 Mal durchgeführt worden. Das hierbei verwendete Programm – ein anderes als der nun bekannt gewordene Staatstrojaner – könne aber nicht mehr, als das Gesetz erlaubt. Zudem würden die Überwachungsschritte protokolliert.

Der enge gesetzliche Rahmen wurde im Freistaat Bayern aber offenbar bereits überschritten, obwohl Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der „Passauer Neuen Presse“ versicherte, der bisher erfolgte Trojanereinsatz sei legal gewesen: „Verstöße kann ich keine erkennen.“

Laut einem Beschluss des Landgerichts Landshut aus dem Januar, der „Welt Online“ vorliegt, hatte das bayerische LKA auf dem Computer eines Beschuldigten einen Trojaner zur Quellen-TKÜ auf die Festplatte gespielt und verbotenerweise alle 30 Sekunden ein Bildschirmfoto gemacht. Dadurch wurde nicht nur der Übermittlungsvorgang von Mails belauscht, sondern illegalerweise auch bereits die Formulierung einzelner Entwurfsstufen dieser Nachrichten.

„Dieser Fall zeigt exemplarisch das grundlegende Problem, dass sehr viel im Bereich der digitalen Überwachung entwickelt wird, die Gegenmechanismen, die den Missbrauch technisch erschweren, aber völlig vernachlässigt werden“, sagt Ralf Poscher, Verfassungsrechtler an der Universität Freiburg mit Schwerpunkt Polizeirecht und mehrmals Sachverständiger im Bundestag.

Auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fordert vom Innenressort nun Vorschläge zur Änderung des BKA-Gesetzes, um die Privatsphäre und den Grundrechtsbereich besser zu schützen.