Chemie in Kleidung: Eine unkontrollierbare Gefahr?

Müssten Textilhersteller auf dem Kleidungsetikett alle Zusatzstoffe ihres Produktes aufschreiben, dann würden mehrere DIN-A 4 Seiten an T-Shirts, Blusen und Hosen kleben. Der Grund: Bei der Produktion von Kleidungsstücken sind nicht selten bis zu 7000 Chemikalien beteiligt. Vor dem Hintergrund, dass wir unsere Kleidung den ganzen Tag lang eng am Körper tragen, ist das zu Recht beunruhigend. Die Menge an Textil-Chemikalien allein sagt aber noch nichts darüber aus, ob das Tragen gesundheitsschädlich ist oder nicht. Vielmehr ist es entscheidend, welche Stoffe aus den Textilien auf die Haut oder in den Körper gelangen.

Für die Herstellung von nur einem Kilo Kleidung verbraucht die Textilindustrie durchschnittlich sechs Kilo Chemikalien - das hat die schwedische Chemikalienbehörde (KEMI) im Jahr 2009 bei einem groß angelegten Kleidungstest herausgefunden.

Aber wofür das Ganze? Chemikalien in Kleidungsstücken sind einerseits notwendig, um die hohen Anforderungen europäischer Kunden zu erfüllen: Die Zusatzstoffe verleihen Hosen, T-Shirts und Bettbezügen nicht nur ihre Farbe, sondern schützen sie auch vor Falten und gewährleisten eine stabile Form. Andererseits können Textil-Chemikalien für den Träger ein gesundheitliches Risiko darstellen.

Hautreizungen durch Textilchemie

Bei einigen Menschen spielt die Haut bei Kontakt mit Textilchemikalien verrückt. Rötungen, Juckreiz und Ausschläge sind die häufigsten Symptome. In vielen Fällen ist das „Ausbluten“ der Kleidung Grund für die Allergien: Wenn man in einem Kleidungsstück schwitzt, lösen sich die Chemikalien durch die feuchte Wärme aus dem Stoff und dringen in die Haut ein. Vor allem Farbstoffe sind für die Allergien verantwortlich: Laut dem deutschen Allergie- und Asthmabund gelten 49 von derzeit 800 bekannten Textilfarben als allergieauslösend.

Nach Angaben des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) werden allergische Hautreaktionen in etwa 1-2 % der Fälle auf Textilien zurückgeführt. Besonders betroffen seien dabei Körperstellen mit intensivem Kleidungskontakt wie Achseln, Kniekehlen und die Leistengegend.

Der Hinweis "separat waschen" kann für höheres Allergie-Risiko sprechen

Warnt ein Hersteller auf dem Etikett mit dem Hinweis „separat waschen“, könnte dies ein Indiz für ein höheres Allergie-Risiko sein. Der Grund: Hier geht der Kleidungsproduzent davon aus, dass Farbstoffe möglicherweise leicht freigesetzt werden können. Dies passiert dann natürlich nicht nur beim Waschen, sondern auch beim Tragen der Kleidung am Körper.

Für empfindliche Menschen sind daher entweder ungefärbte oder mit Naturfarbstoffen behandelte Kleidungsstücke eine Alternative.

Krebserregende Stoffe trotz Verbot nicht auszuschließen

Einige nachweislich krebserregende Stoffe in Kleidungsstücken wurden bereits EU-weit verboten. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung ist aber trotzdem davon auszugehen, dass diese Chemikalien gelegentlich in importierten Textilien zu finden sind. Regelmäßige Stichproben sollen den Verbraucher schützen, bieten aber keine absolute Sicherheit.

Allen voran sind es die bei uns verbotenen Azofarbstoffe, die über die Haut in den Körper gelangen und krebserregend sein können. Eine mögliche Folge: Harnblasenkrebs.

Ein anderes Beispiel ist eine Chemikalie mit dem Namen Pentachlorphenol (PCP). Bereits 1989 wurde sie in Deutschland wegen ihrer krebserregenden und nervenschädigenden Wirkung verboten. In China und Indien, wo ein Großteil unserer Kleidung produziert wird, ist der Stoff jedoch erlaubt. Selbst bei Importen aus den USA und Frankreich besteht laut Bayrischem Landesamt für Gesundheit das Risiko, dass der Stoff enthalten ist. Er soll Kleidung auf ihren langen Transportwegen vor Schimmel schützen.

Chemie in Kleidung ist schwer zu kontrollieren

Auch wenn in Deutschland viel für Verbraucherschutz getan wird ist für die meisten Textil-Chemikalien nicht bekannt, welche Folgen sie auf unsere Gesundheit haben. Um eine genaue Aussage über das Risiko machen zu können, brauchen Gesundheitsbehörden Daten darüber, wie stark der Stoff aus der Kleidung in den Körper übertritt. Dies herauszufinden gestaltet sich jedoch schwierig. Hinzu kommt, dass 90 Prozent unserer Textilien in Niedriglohnländern produziert werden - dort herrschen oft andere Vorschriften.

Etiketten genau betrachten lohnt sich

Beim Kleidungseinkauf lohnt es sich allemal, einen kritischen Blick auf die Etiketten zu werfen. Hier verbergen sich häufig Informationen, die einen Schluss auf die Chemikalienbelastung zulassen können. Hinweise wie schmutzabweisend, formstabil oder bügelfrei können ein Indiz dafür sein, dass bei der Herstellung des Kleidungsstückes übermäßig viele Chemikalien mit im Spiel waren.

Wer nahezu chemikalienfreie Klamotten tragen will, der achtet auf Prüfsiegel: Ökolabels wie „Öko-Tex Standard 100“ oder „GOTS“ stehen für schadstoffarme Kleidung.