Die stille Macht der Pille

Die Anti-Baby Pille soll vor ungewollten Schwangerschaften schützen. Was viele Frauen nicht wissen: Ihr Männergeschmack und das Paarungsverhalten können durch das kleine Hormonkügelchen stark beeinflusst werden. Wie das geht und welche Männer für die Frauen in den Fokus rücken.

Dieses Jahr feierte ein kleines Kügelchen seinen 50. Geburtstag - ein Kügelchen, das die Weltbevölkerung wie kein anderes Hormonpräparat in Schach hält:

Die Anti-Baby Pille. Seit ihrer Erfindung im Mai 1961 gibt es jedoch nicht nur die Vorzüge von unbeschwertem Sexualleben ohne ungewollte Schwangerschaften zu feiern, sondern auch die eine oder andere Nebenwirkung zu beklagen. Nach wie vor ist es außerdem auch kein Geheimnis, dass Hormone eine ungeahnt große Wirkung auf unseren Körper, unser Befinden und damit auf unsere Psyche haben können.

Dass die Anti-Baby-Pille sogar ganz subtil den Männergeschmack von Frauen beeinflussen kann, haben Forscher von der Universität Newcastle eindrucksvoll nachgewiesen. Soviel sei schon hier gesagt: Ein paar zusätzliche Hormone in Form der Pille bringt das "Tier in der Frau" entscheidend durcheinander...

In dem besagten Experiment konzentrierten sich die Forscher auf 100 Frauen, die zwei verschiedene Testreihen durchliefen. Die eine vor der Einnahme der Pille, die andere zwei Monate nach Beginn der Einnahme. Die Testreihen bestanden dabei aus dem Riechen an getragenen T-Shirts von jeweils sechs Männern. Entscheidend war, dass jeweils drei der Männer genetische Ähnlichkeiten im Immunsystem mit der Frau besaßen, bei den anderen drei Herren hingegen möglichst kaum immunologische Parallelen zu der Dame bestanden. Treffen zwei Partner mit unterschiedlicher genetischer Ausstattung im Immunsystem aufeinander, so soll der Nachwuchs immunologisch stabiler sein.

Lesen Sie auch: Australische Forscher erfinden "schlauen" Verband

Nach dem T-Shirt-Schnuppern wurden die Frauen dann befragt, welchen Mann sie gut riechen konnten und welchen sie eher als abstoßend empfanden. Die Forscher konnten dabei einen deutlichen Unterschied in den Präferenzen der Frauen für die unterschiedlichen Männer nachweisen - je nachdem, ob sich die Frauen in der Phase ohne Pilleneinnahme befanden, oder gerade die Pille konsumierten.
Die Auswertung des Experiments zeigte, dass der veränderte Männergeschmack der Damen vom Hormonkonsum abhängig war: Nahmen die Frauen gerade die Pille ein, so bevorzugten sie den Geruch von Männern, die genetisch Ähnlichkeiten mit ihnen besaßen. Nur zwei Monate zuvor, als die Frauen noch nicht die Pille einnahmen, konnte man diesen Trend jedoch nicht beobachten.

Die Erklärung für dieses Phänomen liegt in der Evolution unserer Triebe: Befinden sich Frauen in ihrem natürlichen Zyklus, so zeigen sie durch die Beeinflussung von Hormonen in ihrer fruchtbarsten Phase eine Präferenz für dominante, starke und maskuline Männer. Diese Männer besitzen außerdem eine unterschiedliche genetische Ausstattung in ihrem Immunsystem - ideal für eine Paarung und gesunden Nachwuchs. Die Pille hingegen gaukelt dem Körper eine Schwangerschaft vor und hält den Hormonspiegel auf einem konstanten Level. Dadurch fühlen sich Frauen eher zu dauerhaft zuverlässigen Partnern mit ähnlicher genetischer Ausstattung hingezogen — in der Schwangerschaft sollen ja bekanntlich die Verwandten die Frau unterstützen.

Ob dieser Effekt nun schädlich ist oder nicht, sei einmal dahingestellt. Natürlich kann ausgeschlossen werden, dass die veränderte Partnerwahl negative Einflüsse auf den Nachwuchs hat. Aber für Männer, die ihre Frau mit Pille im Blut kennengelernt haben, bleibt wohl eine quälende Frage: Was passiert, wenn sie die Pille absetzt?

Felix Gussone / ZEITjUNG