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Transplantation von Tier zu Mensch: Lösung für die Organknappheit?

Viel zu wenige Menschen in Deutschland besitzen einen Organspendeausweis, um den Bedarf an Spenderorganen zu decken. So sind lebenswichtige Organe wie

Lebern, Nieren und Herzen Mangelware. Mediziner aus aller Welt forschen jedoch an einer nahezu unglaublichen Alternative: Der Übertragung von Tierorganen in den Menschen. Yahoo! klärt die wichtigsten Fragen rund um die tierischen Operationen.

Seit im Jahr 1963 in Deutschland die erste Organtransplantation einer Niere gelang, hat sich viel getan: Nach fast 50 Jahren Forschung im Bereich der Operationsverfahren gehören Transplantationen von Organen heute zu gut etablierten chirurgischen Eingriffen in unserem Land. Das Problem besteht heute nicht mehr in der ausgefeilten medizinischen Technik. Vielmehr stehen Ärzte und Patienten vor einem anderen Problem: der Organknappheit.

Diagnose: Akute Organknappheit

Nehmen wir die Niere als Beispiel: Für 12000 Wartende gibt es jährlich nur ungefähr 3000 Organe aus Lebendspenden oder von Verstorbenen, die einen Organspendeausweis besaßen. Deswegen muss sich ein Patient, der auf eine Niere wartet, durchschnittlich fünf bis sechs Jahre lang gedulden.

Tod durch Warten?

„Bei dem Thema Transplantation ist das allbestimmende Thema die Organknappheit. Ein Großteil unserer Patienten kann nicht mit Organen versorgt werden. Bei der Lebertransplantation ist es sogar so, dass viele Leute gar nicht in den Genuss einer Transplantation kommen und deswegen leider versterben", erklärt der Transplantationsmediziner Dr. Markus Guber vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Was aber kann man tun?

Die Xenotransplantation

Ein vielversprechender Weg könnte die sogenannte „Xenotransplantation" sein. Das Wort „xenos" kommt aus dem Griechischen und heißt „fremd". Es bezieht sich auf die Beziehung zwischen Organspender und Organempfänger, die im Falle der Xenotransplantation einer fremden Spezies angehören. Mit anderen Worten: Es geht hier um die Übertragung von Tierorganen oder Zellen auf den Menschen. Ein Verfahren, das in Zukunft Todesfälle zu lange wartender Organempfänger minimieren könnte. Wenn es dann nur klappt...

Welches Tier ist der ideale Spender?

Es stellt sich erst einmal die Frage, wessen Organe am besten für den Menschen geeignet sind: Das Herz vom Schimpansen? Die Leber von der Kuh? Oder doch die Lunge vom Schwein? Mit den Tieren, die uns genetisch am nächsten stehen, haben Ärzte es bereits versucht: Affen. Überraschenderweise wurde 1964, bereits drei Jahre vor der ersten Mensch-zu-Mensch Herztransplantation (1967), ein Schimpansenherz in eine Menschenbrust transplantiert. Leider waren dieser und die folgenden Versuche allesamt nicht erfolgreich - auch nicht bei anderen Organen, die transplantiert wurden. Der Grund: Im Falle des Schimpansenherzens war die Größe ausschlaggebend. Die Lebenspumpe des Affen war einfach zu klein, um die Blutzirkulation im Menschen aufrecht zu erhalten.

Eine schweinisch gute Idee

Wenn es schon bei unseren engsten Verwandten nicht klappt — welches Tier ist dann geeignet? Größere Chancen sollte es mit einem anderen Organismus geben, mit dem wir ebenfalls viel gemeinsam haben: dem Schwein. Sein Herz ist unserem anatomisch und physiologisch sehr ähnlich, es erreicht eine vergleichbare Leistung und passt sogar von der Größe in unsere Brust. Zuvor behandelte Herzklappen vom Schwein werden sogar schon als Alternative zu mechanischen Herzklappen routinemäßig verpflanzt. Auch wenn ein Schweineherz vielversprechender ist, als das eines Affen: Bei ganzen Organen gibt es trotzdem Probleme. Schwere Abstoßungsreaktionen unseres Körpers greifen das fremde Organ an. Deswegen forschen Wissenschaftler daran, Schweine so genetisch zu verändern, dass ihre Organe von unserem Körper nicht mehr als fremd erkannt werden.

Diabetes durch Schweine besiegt?

Dr. Guba vom Uniklinikum München sieht aber noch weitere Einsatzgebiete der Xenotransplantation: „Prinzipiell sind es solide Organe, die man in der Zukunft transplantieren wird. In der nächsten Zeit werden aber zunächst zelluläre Transplantationen vom Tier auf den Menschen ins Licht rücken. Da gibt es zum Beispiel die Inselzelltransplantation aus der Bauchspeicheldrüse von Tieren in den Menschen."

Mit diesen Inselzellen sind die Insulin-produzierenden Zellen aus der Bauchspeicheldrüse gemeint, die bei zuckerkranken Menschen zerstört sind. Erste Studien zu diesem Verfahren gibt es von der University of New South Wales in Australien: Diabetes-Typ-1-Patienten wurde eine geringe Menge von fremden Insulin-produzierenden Zellen implantiert. Um auch hier eine gefährliche Abstoßung der fremden Zellen zu vermeiden, haben Wissenschaftler die Zellen daraufhin mit einer Kapsel aus einer speziellen Algensubstanz versehen. Mit Erfolg.

Immer diese Viren...

Neben Abstoßungsreaktionen tierischer Organe oder Zellen hat Transplantationsmediziner Dr. Guba aus München noch weitere Bedenken: „Ein Problem bei der Xenotransplantation ist sicherlich die Übertragung von tierischen Viren auf den Menschen. Wir kennen noch nicht die genauen Auswirkungen solcher Übertragungen aber es besteht hier die Gefahr, dass solche Viren nach einer Xenotransplantation übertragen werden und den Menschen krank machen können."

Forschungen der letzten Jahre haben tatsächlich gezeigt, dass es sogenannte „Retroviren" bei Tieren gibt, die auch menschliche Zellen infizieren könnten. Nachgewiesen wurde dies aber noch nicht. Auch inaktive Fragmente von Viren in den Zellen „fremder" Säugetiere könnten nach einer Transplantation in den Menschen infektiös werden, wenn sie sich mit viralen Fragmenten in menschlichen Zellen verbinden. Aus diesem Grund müssten Xeno-Transplantierte eine lebenslange und regelmäßige Untersuchung auf solche Viren über sich ergehen lassen, um eine Infektion auszuschließen.

Ethische Bedenken

Die Xenotransplantation ist ein heiß diskutiertes Forschungsgebiet. In der Frage des Organmangels könnte das Verfahren in Zukunft die Lösung des Problems darstellen. Doch schon jetzt tun sich neben den medizinischen auch ethische Fragen auf, die im Vorfeld hinreichend geklärt werden müssen: Xenotransplantate könnten als Organe zweiter Wahl angesehen werden — wer erhält die „besseren" und knapperen menschlichen Organe? Wie reagiert die Psyche des Menschen auf einen solchen Eingriff und was sagen Tierschützer zu der Rolle anderer Säugetiere als „Ersatzteillager" für den Menschen?

von Felix Gussone