Familienvater nach Blutbad auf der Flucht

Seine Frau überlebte schwer verletzt, seine Tochter dagegen starb. Familienvater Cemil Gündüz soll für die Bluttat in Essen verantwortlich sein. Nun haben die Ermittler erste Hinweise, wo sich der mutmaßliche Mörder aufhalten könnte.

Der Notruf bei der Polizei geht am Abend gegen halb acht ein. Die Beamten rasen mit mehreren Streifenwagen zur Busehofstraße im Essener Stadtteil Frohnhausen, rennen die Treppen hoch, dritte Etage. Sie öffnen die Tür zur Wohnung der Familie Gündüz, überall Blut. In einem Zimmer liegen zwei leblose Körper. Rettungskräfte beginnen mit der Reanimation. Mutter Münevver, 45, mehrere Schussverletzungen, wird ins nahe Uni-Klinikum gebracht. Eine Notoperation  rettet ihr Leben. Ihre Tochter Hatice, gerade 19 Jahre alt und ebenfalls von mehreren Projektilen aus einer großkalibrigen Waffe getroffen, stirbt noch am Tatort.

Bei dem mutmaßlichen Täter soll es sich um Cemil Gündüz handeln, den Familienvater.

Er soll noch bewaffnet sein

Seit jenem Mittwoch, der noch gar nicht lange her ist, 14. August 2013, sucht die Polizei mit Hochdruck nach dem 50-Jährigen. Längst ist Cemil Gündüz auf der Fahndungsliste des Bundeskriminalamts gelandet, auch Europol ist hinter ihm her: 176 Zentimeter groß, hager, circa 60 Kilo, schwarzes Haar, braune Augen, pockennarbiges Gesicht. Er soll noch bewaffnet sein.

Cemil Gündüz, geboren am Neujahrstag 1963 im türkischen Araban in der Provinz Gaziantep, ist für die Polizei kein Unbekannter. „Der Tat ging ein jahrelanger Ehestreit voraus“, sagt die Essener Staatsanwältin Birgit Jürgens zu Yahoo. Seit 15 Jahren mussten die Behörden immer wieder eingreifen, weil der Vater von drei Töchtern zuhause die Mutter schlug. Vor allem, wenn er getrunken hatte. Er musste mehrere Haftstrafen absitzen, eine davon wegen eines Gewaltdelikts.

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Vor rund zwei Jahren ist er schließlich ausgezogen, danach soll er oft in seiner Eisdiele geschlafen haben. Doch das „Gervinus“ an der Krefelder Straße lief offenbar nicht sonderlich gut, finanzielle Probleme machten Gündüz zu schaffen. Der Türke sei zunehmend aggressiv geworden, sei zu Gästen ruppig gewesen, habe zuletzt sogar Nachbarn bedroht, berichtet sein Umfeld. Und immer wieder tauchte er auch bei seiner Frau auf, um sie einzuschüchtern und seinen Frust abzulassen.


Nach einem erneuten Vorfall kurz vor dem Mord hat die Polizei ihm schließlich verboten, sich der Wohnung seiner Frau zu nähern. Doch das wollte sich Gündüz nicht vorschreiben lassen. Am Tattag soll er noch bis mittags in der Eisdiele gearbeitet haben. Wenige Stunden später, so vermuten die Ermittler, machte er sich schließlich auf, um in seinem ehemaligen Zuhause ein Blutbad anzurichten. Hinweise, dass so eine Tat bevorstehen könnte, habe es vorher nicht gegeben, betont die Polizei hinterher eilig.

„Das Hausverbot könnte der Auslöser für die Tat gewesen sein“, sagt Staatsanwältin Jürgens. „Allerdings können wir uns nicht erklären, warum er seine Tochter tötete.“ Die Gewalt habe sich immer nur gegen die Frau gerichtet. Der anfängliche Vermutung, Hatice habe sich in die Schussbahn geworfen, um ihre Mutter zu schützen, hat sich laut Jürgens nicht bestätigt. 

Und es gibt noch eine weitere Frage, die die  Ermittler beschäftigt: Wie konnte Gündüz überhaupt entkommen? Augenzeugen berichten, dass Gündüz nach der Tat zunächst zu Fuß geflüchtet sei. Dann stieg er den Ermittlungen zufolge in ein Taxi und ließ sich von Essen zum knapp 250 Kilometer entfernten Flughafen Schiphol in Amsterdam kutschieren. Dort verliert sich seine Spur. Noch immer ist nicht bekannt, ob Gündüz in einen Flieger gestiegen ist oder nur eine falsche Fährte legen wollte und sich letztlich mit anderen Verkehrsmitteln durchgeschlagen hat. „Wir haben Hinweise, dass er sich in die Türkei abgesetzt hat“, sagt Jürgens. „Ob er noch immer dort ist, wissen wir nicht. Wir haben inzwischen auch Hinweise, dass er sich im türkischen Teil Zyperns aufhalten könnte.“

Sollte Gündüz tatsächlich in der Türkei verhaftet werden, wird die deutsche Justiz nur noch zuschauen können. Die Türkei liefert generell keine eigenen Staatsangehörigen aus. Sein Heimatland würde ihm dann wohl den Prozess machen.


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