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Sonnenstürme: Wie gefährlich sind sie wirklich?

Sonnenstürme: Wie gefährlich sind sie wirklich? (Bild: ddp Images)
Sonnenstürme: Wie gefährlich sind sie wirklich? (Bild: ddp Images)

Im Jahr 1989 gingen in der kanadischen Provinz Québec die Lichter aus. Der Grund: eine Eruption auf dem Stern, dessen Strahlung die natürlichste aller Lichtquellen ist — der Sonne. Astrophysiker bezeichnen solche Vorfälle als Sonnenstürme. Und von diesen soll es bis 2013 noch viele geben. Drohen also bald erneut Blackouts oder gar Schlimmeres? Doktor Werner Curdt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau erklärt: Man muss zwischen echten Risiken und dramatisierten Nebenwirkungen eines Sonnensturms unterscheiden.


„Ein kleiner Sonnensturm reicht, schon gibt es eine Pressemitteilung"
Der Stromausfall in Québec, der rund sechs Millionen Menschen betraf und etwa neun Stunden andauerte, hat viel zur Dramatisierung der Gefahren von Sonnenstürmen beigetragen. So zog ihn etwa der US-Forscher John Kappenman für, wie Curdt es formuliert, „wilde Spekulationen" heran: Ein erneuter Ausfall dieser Heftigkeit könne ein Land wie die USA in die Steinzeit zurückkatapultieren, so Kappenman. Denn ohne Strom kollabiere die Infrastruktur, Benzin und damit auch Essen und Trinkwasser würden zu Mangelware. Das klingt erschreckend. Doch Curdt macht klar: „Dieses und andere Katastrophenszenarien sind pure Übertreibung. Eine Meinung, die übrigens sogar das amerikanische Ministerium für Innere Sicherheit, das United States Department of Homeland Security, mit mir teilt."

Amerikanische Wissenschaftler, so Curdt weiter, würden eben dazu neigen, Fakten zuzuspitzen. Schließlich müssen sie anders als in Deutschland immer wieder neue Mittel an Land ziehen: „Deshalb machen sie ihren Forschungsgegenstand gerne mal besonders spektakulär. Da reicht schon ein kleiner Sonnensturm und schon gibt es eine Pressemitteilung." Kein Wunder, dass Schlagzeilen wie „Physiker warnen vor Super-Sonnensturm" oder „Heftiger Sonnensturm rast auf die Erde zu" die Bevölkerung beunruhigen.

Ein Sturm ohne Wind
Dabei sieht die Realität — zumindest im Fall Québec — wesentlich unspektakulärer aus. Denn eigentlich hatte der Sonnensturm damals nur einen einzigen Transformator durchbrennen lassen. Erst seine Überlastung löste eine regelrechte Lawine von Ausfällen nachgeschalteter Transformatoren aus. Die Stromversorgung hätte aber genau so gut wegen witterungsbedingter Einflüsse zusammenbrechen können, stellt Curdt klar, weil zum Beispiel Bäume während heftiger Stürme in Stromleitungen stürzen und sie funktionsuntüchtig machen. Was genau Sonnenstürme von solchen gewöhnlichen Stürmen unterscheidet? Ganz einfach: Sie haben nicht das Geringste mit Wind zu tun.

Sonnenstürme entstehen vielmehr durch Sonneneruptionen, die einen so genannten koronalen Masseauswurf auslösen. Hierbei entweichen elektrisch geladene Teilchen, also Protonen und Elektronen, in den interplanetaren Raum und bilden eine Plasmawolke. Diese kann Geschwindigkeiten von mehr als 1.000 Kilometern pro Sekunde erreichen und braucht rund 40 Stunden, bis sie zur Erde gelangt. Falls sie überhaupt auf sie gerichtet ist. Ein Röntgenblitz (geballtes elektromagnetisches Licht) und ein Protonenschauer begleiten die Plasmawolke, erreichen die Erde jedoch bereits nach acht beziehungsweise 60 Minuten.

Kurzfristiger Ausfall ja, langfristige Schäden nein

Für den Menschen, so Curdt, „ist all das nicht einmal spürbar." Schließlich ist er durch die Erdatmosphäre und das Erdmagnetfeld vor Strahlungen geschützt. Ganz anders sieht das schon bei Satelliten aus. Sie kreisen mehr als hundert Kilometer über der Erde in der Ionosphäre — und diese kann durch das Weltraumwetter sehr wohl durcheinander gebracht werden. Die Folgen: Navigationssatelliten können sich auf einmal nicht mehr orientieren, die Elektronik von Kommunikationssatelliten wird gestört. Das ist zwar fatal für die Arbeit von Landvermessern oder Piloten, die sich auf ihr Navigationssystem verlassen können müssen. Auch Handynetze können ausfallen. Aber, und das ist entscheidend, all diese Beeinträchtigungen sind nach einigen Minuten, im schlimmsten Fall nach einer Stunde auch schon wieder vorbei.

Weil sich die Atmosphäre durch das geballte UV-Licht aufheizt, nimmt zudem der Luftwiderstand zu. Deshalb werden die Satelliten abgebremst, verlieren an Höhe und müssen nach einer heftigen Sonneneruption schon mal wieder angehoben werden. Außerdem können Sonnenstürme den Kurzwellenfunk beeinträchtigen und zu kurzfristigen Blackouts führen.

Droht ein „Super-Sonnensturm"?

Und diese könnten sich in naher Zukunft durchaus häufen, erklärt Curdt: „Wir befinden uns seit 2010 in einem neuen Sonnenzyklus: Etwa alle 11 Jahre polt sich das Magnetfeld der Sonne nämlich um, das heißt, ihr Süd- wird zum Nordpol und umgekehrt. Bis zum Höhepunkt des Zyklus' in 2013 und 2014 ist die Wahrscheinlichkeit von Sonnenstürmen deshalb erhöht." Grund zur Sorge sei das aber weniger — und ein „Super-Sonnensturm" eher nicht in Sicht. Schon der letzte, wesentlich heftigere Zyklus, der seinen Höhepunkt um das Jahr 2000 erreichte, blieb schließlich von vielen komplett unbemerkt. Moderne Vorhersagemodelle ermöglichen es zudem, die Heftigkeit eines Sonnensturms binnen drei Stunden nach dessen Entstehung ziemlich genau abzuschätzen. Es bleibt also in der Regel mehr als ein Tag Zeit, um sich auf sein Eintreffen vorzubereiten.

Die Gefahr eines Sonnensturms, sie ist kalkulierbar. Und vor allem nicht annähernd so groß, wie manche Schlagzeilen es in den letzten Jahren suggerierten. Oder um es mit den Worten Curdts zu sagen: „Wenn die Welt wirklich am 21. Dezember untergeht, so, wie es der Maya-Kalender prophezeit, dann sicher nicht wegen der Sonne!"