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"Bringt uns jetzt die Merkel": Ein Fußballspiel für die griechische Seele?

Fußball und Politik sollte man trennen – so viel ist eigentlich jedem klar. Doch dieser Vorsatz scheitert immer wieder an der Realität. Kaum treffen die Griechen bei der Fußball-EM auf Deutschland, ist in Griechenland hier und da schon von Vergeltung auf dem Fußballplatz die Rede. „Bringt uns jetzt die Merkel“ ist nur eine der Schlagzeilen. Das ist unschön – aber auch nachvollziehbar. Denn Fußball ist oft untrennbar mit der Seele eines Volkes verknüpft. Und die der Griechen ist tief verletzt.

Sobald sich abzeichnete, dass die Griechen im Viertelfinale auf Deutschland treffen, geschah das Unvermeidliche: „Deine Schuldner haben sich qualifiziert, Angela mach Dich bereit“, schrieb das griechische Blatt „Sport Day“. Und die Konkurrenz von „Goal-News“ forderte gar:  „Bringt uns jetzt die Merkel“. Die Botschaft ist klar: Vielleicht muss Griechenland aus dem Euro aussteigen. Aber aus der EURO wollen sie nicht befördert werden – und schon gar nicht von den Deutschen.

Die Schlagzeilen sind nur ein Indiz dafür, dass es für die Griechen bei diesem Turnier um viel mehr geht, als nur um Fußball. Auf ihrer Nationalmannschaft lastet inzwischen die Hoffnung eines ganzen Volkes. Ihre Erfolge sollen Linderung sein für die geschundene Seele der Griechen  - ja sie soll die "verlorene Ehre" der stolzen Hellenen wiederherstellen. Die Spieler selbst haben zu dieser beispiellosen Überhöhung beigetragen:  „Alle haben auf uns rumgehackt, das haben wir nicht verdient", kommentierte etwa Keeper Michalis Sifakis den Einzug seines Teams ins Viertelfinale. "Wir wollen mehr Respekt! Wir sind ein wunderbares Volk, das es nicht verdient hat, so zu leiden."

Und nun ausgerechnet Deutschland – jenes Land, das viele Griechen am allermeisten für Ihre Demütigung verantwortlich machen. Sehen sie doch Angela Merkel  als Urheberin der ihrem Land auferlegten Sparzwänge. Auch bei den Freudenfeiern in Athen war das am Sonntag deutlich zu spüren: „Endlich können wir den Deutschen zeigen, dass sie zwar das Geld haben – aber wir das Team“, rief eine 16-jährige Griechin in die Fernsehkameras. Selbst Floyd Norris, der für die New York Times zu Wirtschaftsfragen bloggt, widmete sich dem Thema  - und fürchtet angesichts der Brisanz sogar Ausschreitungen zwischen deutschen und griechischen Fans. 

Soweit wird es hoffentlich nicht kommen. Schließlich wollen die Griechen die Antwort auf dem Platz geben – und nicht in Prügeleien. Auch darf man nicht vergessen: Es hat schon weit brisantere Spiele in der Geschichte des Fußballs gegeben. In der WM-Qualifikation 2010 etwa trafen Nord- und Südkorea aufeinander, ebenso die Türkei und Armenien. Bei der WM 1986 spielte  England gegen Argentinien   - erstmals seit dem Falkland-Krieg - und Maradona erzielte obendrein noch irreguläres ein Tor mit der Hand, das sein Team in Führung brachte  („die Hand Gottes“). Angesichts solcher von Kriegserinnerungen begleiteter Partien nimmt sich das Spiel Deutschland-Griechenland nun wahrlich harmlos aus.

Allein schon deshalb kann man beiden Seiten nur dazu raten, den Ball flach zu halten. Deutsche Sticheleien gegen Griechenland wären  - trotz griechischer Anwürfe - völlig fehl am Platz (seit dem Stahlhelm-Ausrutscher Hansi Flicks ist ohnehin besondere Sensibilität angeraten). Und auch für die Griechen kann die Überhöhung eines Fußballspiels zur nationalen Katharsis natürlich nach hinten losgehen. Dann nämlich, wenn sie verlieren.

1998 trafen USA und Iran bei der Fußball-WM aufeinander. Ein brisanteres Spiel war kaum vorstellbar in jener Zeit. Doch es geschah etwas Beeindruckendes: Vor dem Spiel posierten die Fußballer beider Teams für ein gemeinsames Foto – Arm in Arm, wie die Spieler einer einzigen Mannschaft.

Solch große Gesten hat das Spiel Deutschland gegen Griechenland sicher nicht nötig. Ein freundliches Wort zwischen  Spielern und Trainern vor Anpfiff und eine faire Partie dürften schon ausreichen, um Vieles entspannter zu machen. Es geht schließlich nur um Fußball.