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Berlin-Wahl: Piraten-Partei entert, FDP kentert

Wiedergewählt: Klaus Wowereit (SPD)
Wiedergewählt: Klaus Wowereit (SPD)

Schwarz-Gelb ist out. Das hat nun auch die Wahl in Berlin bestätigt. Zwar konnte die Union leicht zugewinnen, doch die FDP stürzt weiter ab und verabschiedet sich erneut mit einem grausigen Ergebnis aus einem Landesparlament. Klaus Wowereit (SPD) darf weiter regieren und muss sich nur noch entscheiden, ob mit den Grünen oder der CDU. Die einzig wirkliche Überraschung bei der Abgeordnetenwahl in Berlin ist der sensationelle Triumph der Piraten-Partei.

Er hatte mehr erwartet, doch für den Machterhalt reicht's: Die Berliner haben ihren „Wowi" mit 28, 3 Prozent der Stimmen noch einmal in die Verlängerung geschickt. Das sind 2,5 Prozent weniger als vor fünf Jahren. Trotzdem bleibt die SPD die mächtigste Partei Berlins und darf sich nun einen Regierungspartner aussuchen. Einzig mit den Linken wird das nach zwei Legislaturperioden nichts mehr werden. Sie müssen mit lediglich 11,7 Prozent das Koalitionszepter entweder an die CDU oder die Grünen abgeben. Zu Sondierungsgesprächen will der Regierende Bürgermeister nämlich beide Parteien einladen.

"Wowi" macht weiter - aber mit wem?
Die Zeichen stehen momentan allerdings eher auf Rot-Grün, denn: „Es gibt selbstverständlich die meisten Schnittmengen zur Partei der Grünen und nicht zur CDU, aber wir werden das sehen", erklärte Wowereit am Sonntag im ZDF. Wichtig sei, dass die Grünen sich zu einer Stadtpolitik bekennen, die auf Fortschritt und Umwandlung, nicht auf Stillstand setze.

Die Grünen konnten mit 17,6 Prozent zwar ein Rekordergebnis in Berlin einfahren, blieben aber trotzdem hinter ihren Erwartungen zurück. Der ursprüngliche Plan, mit Spitzenkandidatin Renate Künast Klaus Wowereit im Roten Rathaus zu entthronen, ist gescheitert. Jetzt müssen die Grünen gar eine dezent demütige Haltung einnehmen, um mitregieren zu dürfen, auch wenn sie sich derzeit noch selbstbewusst geben. So werde die Partei nicht ohne Weiteres bei dem Streitthema Stadtautobahn A 100 klein beigeben, machte Renate Künast im RBB-Inforadio deutlich.

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Die stabilere Mehrheit hätte die SPD definitiv mit der CDU, die mit ihrem Spitzenkandidaten Frank Henkel um 2,1 Prozentpunkte auf 23,4 Prozent zulegen konnte. Auch wenn Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Parteien derzeit nicht wirklich erkennbar sind, erklärte Henkel im Interview mit der „Berliner Morgenpost": „Ich habe bereits gesagt, dass ich mich im Interesse der Stadt und der Bürgerinnen und Bürger ernsthaften Sondierungsgesprächen nicht verschließe." Jetzt liege der Ball im Feld von Klaus Wowereit.

FDP mit "deutlich Spielraum nach oben"
Im politischen Abseits dagegen stehen einmal mehr die Liberalen. 5,8 Prozentpunkte verlor die FDP bei der Abgeordnetenwahl. Endergebnis: 1,8 Prozent. Damit liegt die Partei hinter der NPD (2,1 Prozent) und nur wenige Punkte vor der Tierschutzpartei (1,5 Prozent). Das dürfte selbst für die Debakel gewöhnten Liberalen eine Schmach neuer Dimension sein. FDP-Chef Philipp Rösler macht aus dem desaströsen Ergebnis in der ARD-Talkshow „Günther Jauch" ein zaghaftes Tschakka: „Da ist noch deutlich Spielraum nach oben." Allerdings, viel weiter nach unten geht's ja auch gar nicht mehr. Auch der Anti-Euro-Wahlkampf konnte da nichts retten, was immerhin für die Union auf Bundesebene eine Erleichterung sein dürfte.

Piraten erstmals im Landesparlament
Der große Gewinner der Berlin-Wahl sind die Piraten. Erstmals ziehen sie in ein Landesparlament, und zwar gleich mit einem souveränen Ergebnis von 8,9 Prozent. Das Wahlergebnis feierten sie im Kreuzberger Szeneclub „Ritter Butzke". Eine ungewöhnliche Location für eine Partei, die nun ernsthaft mitregieren will. Aber gerade das dürfte Teil des Geheimnis ihres Erfolges sein: Die Piraten haben die Grünen als neue Protestpartei abgelöst.

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Die Netzpolitik, von vielen Parteien lange Zeit vernachlässigt, ist das Steckenpferd der Piraten und macht sie damit laut Meinungsforschern vor allem zu einer Partei für die Jungen. Aber auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen oder für die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel setzen sie sich ein.

Der Erfolg überrascht die Piraten genauso wie die Konkurrenz. „Es gab offenbar das Bedürfnis, dass sich etwas ändert", erklärte Spitzenkandidat Andreas Baum gegenüber der „Berliner Morgenpost". Mit wohl 15 Abgeordneten werden die Piraten das Rote Rathaus „entern" - und müssen nun beweisen, dass sie es auch in der „Realität" mit den Politikern aus den anderen Parteien aufnehmen können.

Was meinen Sie: Berlin hat gewählt, „Wowi" darf weitermachen. Welchen Koalitionspartner würden Sie an seiner Seite lieber sehen - die Grünen oder die Union? Wie bewerten Sie den Roten Rathaus-Einzug der Piraten? Sind es diese modernen Themen, die den Erfolg der Partei ausmachen, und an denen es der FDP letztendlich fehlt? Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!