„Die große Frage ist, ob der Mars Leben hätte hervorbringen können”

Interview

Der Kieler Professor Robert Wimmer-Schweingruber leitet die Arbeitsgruppe, die den sogenannten Radiation Assessment Detector (Rad) entwickelt hat - ein Strahlenmessgerät an Bord der "Curiosity". Im Gespräch mit Yahoo! Nachrichten erklärt er, was genau die „Curiosity" auf dem Mars macht, welchen Beitrag deutsche Forscher für die Mission geleistet haben - und ob jetzt noch etwas schiefgehen kann.

Bild: dpa
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Mit einem spektakulären Manöver ist das Weltraumfahrzeug "Curiosity" sanft und erfolgreich auf dem Mars gelandet. Auch in Kiel wurde die Landung mit Spannung verfolgt - denn Forscher der Universität Kiel sind an der historischen Mission beteiligt. Sie haben ein Gerät entwickelt, das kosmische Strahlungen misst. Damit können sie herausfinden, ob die Strahlung auf dem Mars für Astronauten gefährlich wäre - eine wichtige Voraussetzung für eine bemannte Mars-Mission in der Zukunft.

"Curiosity":
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Yahoo! Nachrichten: Herr Professor Wimmer-Schweingruber, die "sieben Minuten des Schreckens" sind überstanden: Nach einem hochriskanten Landemanöver ist die Nasa-Sonde "Curiosity" sicher auf dem Mars aufgesetzt. Konnten Sie heute Nacht überhaupt schlafen?

Professor Robert Wimmer-Schweingruber: Ich bin tatsächlich nachts aufgewacht und konnte dann nicht mehr einschlafen - und musste ja ohnehin früh aufstehen, um rechtzeitig hier zu sein. Aber für so einen großen Tag nimmt man das natürlich gern in Kauf.

Das Weltraumfahrzeug "Curiosity" hat auch deutsche Technik mit an Bord. Sie haben gemeinsam mit dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein Gerät zur Strahlenmessung entwickelt. Was ist das Besondere an dem Gerät?
Das Besondere ist, dass es vielfältige verschiedene Strahlenformen in einem Gerät misst. Das hat man bisher nicht gekonnt und das ist uns nun geglückt. Dadurch können wir die gesamte Strahlenumgebung auf dem Mars mit einem Gerät messen. Mit welchem Ziel finden diese Messungen statt? Wir messen um eine bemannte Mars-Mission in der Zukunft vorzubereiten - und um zu bestimmen, welcher Strahlenbelastung mögliches Leben auf dem Mars ausgesetzt wäre.

Professor Robert F. Wimmer-Schweingruber von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Bild: Universität Kiel)
Professor Robert F. Wimmer-Schweingruber von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Bild: Universität Kiel)

Glauben Sie, dass es Leben auf dem Mars geben könnte oder einmal gegeben haben könnte?
Wirklich daran zu glauben, wage ich nicht - zumindest jedenfalls nicht daran, dass es jetzt Leben gibt. Es ist aber durchaus nicht abwegig, dass es in den ersten paar hundert Millionen Jahren im Sonnensystem auf dem Mars Leben gegeben haben könnte. Aber das können wir jetzt nicht sagen. Auf der Erde sind all diese Archive verwischt worden durch die Kontinentalplattenverschiebungen. Auf dem Mars sind diese Spuren noch da, wenn es sie denn gibt. Und darum sind wir jetzt auch zum Mars geflogen. Die große Frage wird sein, ob eine bestimmte Region auf dem Mars, nämlich der Gale-Krater, Leben hätte hervorbringen können. Das ist das Ziel der ganzen Mission.

Wann könnte es Ihrer Ansicht nach soweit sein, dass Menschen den Mars betreten?
Ich glaube, da gibt es keine konkreten Planungen. Man spielt zwar immer mal wieder mit dem Gedanken, das zu untersuchen aber wirklich seriös geplant wird im Moment keine Mission. Das liegt in weiter Ferne und das ist auch ein Projekt, bei dem alle Nationen der Welt mitmachen müssten, um so eine Mission zu ermöglichen, also auch China , Russland, USA, Europa und Japan.

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Und wann ist mit den ersten Ergebnissen der „Curiosity"- Mission zu rechnen?
Wann wir diese Erkenntnis haben werden, kann ich schlecht sagen. Es kann sein, dass das schnell passiert, es kann aber auch sein, dass es lange dauert, bis man das wirklich hieb- und stichfest festnageln kann.

Was hätten Sie heute getan, wenn die Landung nicht geklappt hätte? Gab es ein Ersatz-Messgerät?
Wir haben natürlich ein Ersatzgerät gebaut aber ob es eine Ersatzmission gegeben hätte, das wage ich zu bezweifeln. Für uns in Kiel wäre ein Misserfolg nicht so schlimm gewesen, denn wir haben die zukünftige Strahlenbelastung für Astronauten auf dem Weg zum Mars bereits gemessen. Aber für die gesamten Wissenschaftler vom "Mars Science Laboratory" wäre das natürlich eine Katastrophe gewesen.

Für welchen Zeitraum sind Messungen geplant?
Auf jeden Fall für die nächsten zwei Erdjahre. Wenn alles gut läuft, hoffen wir natürlich, dass wir noch länger eingeschaltet bleiben werden, es gibt die Hoffnung, dass wir vielleicht zehn Jahre lang messen können.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Kieler Forscher und das Zentrum für Luft und Raumfahrt das Gerät anfertigen?
2004 gab es eine Ausschreibung von der Nasa, und da haben wir unseren Vorschlag gemeinsam mit unseren Partnern, dem Southwest Research Institut in Texas, USA, und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln unterbreitet. Schließlich wurde er auch angenommen, aber er musste sich durchaus gegen starke Konkurrenz durchsetzen.

Was war die Hauptschwierigkeit bei der Entwicklung des Geräts? Wie lang hat sie gedauert?
Es hat um die sechs Jahre gedauert. Die größte Schwierigkeit war, dieses vielfältige Strahlungsspektrum auf dem Mars mit einem so kleinen, leichten Gerät mit so wenig elektrischer Leistung messen zu können. Das alles zu integrieren war gar nicht einfach.

Gab es Gewichtsvorgaben?
Ja, wir sind jetzt 1,56 Kilogramm schwer und haben damit exakt die Vorgabe erfüllen können. Die Leistung beträgt 4,2 Watt, das heißt wir verbrauchen weniger Strom als eine Energiesparlampe.

Alle sind erleichtert, dass die Landung geglückt ist. Könnte denn jetzt trotzdem noch etwas schiefgehen?
Schiefgehen kann natürlich immer etwas, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist jetzt viel viel kleiner. Ich meine, die Landung war durchaus die allerkritischste Zeit in der ganzen Mission nach dem Start.

Der Moment der Landung war sicher sehr aufregend. Wie war denn die Stimmung in ihrem Team kurz vor der Landung - waren sie zuversichtlich, dass alles klappt?
Die Ingenieure am Nasa Jet Propulsion Laboratory in Los Angeles hatten errechnet, dass die Chancen einer erfolgreichen Landung bei etwa 80 Prozent liegen, und da haben wir natürlich schon stark gehofft und Daumen gedrückt, dass das bei diesen 80 Prozent liegt und nicht in den restlichen 20 Prozent. Das Hoffen war nicht vergebens, wir sind erfolgreich auf dem Mars, es gibt schon erste Bilder, der Rover steht waagerecht da, wie er dastehen soll. Wir sind da also ganz zuversichtlich, dass alles die Landung überlebt hat.

Was war ihre größte Befürchtung, was schief gehen könnte?
Bei der Landung gibt es verschiedene Dinge, die wie am Schnürchen funktionieren mussten, einerseits der Eintritt in die Atmosphäre, das musste genau im richtigen Winkel passieren. Die Eintrittskapsel sah ja aus wie eine fliegende Untertasse. Wenn die wie ein Schieferstein auf der Atmosphäre geschlittert wäre, dann wäre das fatal gewesen. Dann hätten der Fallschirm und die Raketen nicht richtig funktionieren können. Aber es hat zum Glück alles wunderschön, wie am Schnürchen, funktioniert.

Haben Sie und Ihr Team das heute ausgiebig gefeiert?
Es gab durchaus schon ein Glas Sekt am frühen Morgen, etwas ungewohnt, aber ein solcher Anlass muss natürlich auch gefeiert werden. Jetzt räumen wir auf und gehen etwas früher als sonst nach Hause.

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