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Osama Bin Laden: Operation Töten – um jeden Preis?

„Schmor in der Hölle"

, titelte die New Yorker Tageszeitung „Daily News" am Montag mit einem Foto von Osama Bin Laden. Barack Obama hatte sich in seiner Fernsehansprache zur Ermordung des Terroristen gemäßigter ausgedrückt: „Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan", erklärte der US-Präsident seinem Volk im Zusammenhang mit der Tötung Bin Ladens. Offene Freude und Erleichterung machte sich daraufhin in den Vereinigten Staaten, aber auch international breit. Der gezielte Tötungsakt des US-Militärs wirft aber auch völkerrechtliche Bedenken auf. Bin Laden wurde schließlich kein offizieller Prozess gemacht. Theologen empfinden die Freude, die die Tötung des Terroristen ausgelöst hat, außerdem als „befremdlich".

Verständlich ist es demnach durchaus, dass die Nachricht über den Tod des meistgesuchten Terroristen der Welt für Erleichterung sorgt. Osama Bin Laden war nach eigenem Bekunden unter anderem für die Anschläge des 11. September verantwortlich.

In Sachen Völkerrecht wirft die gezielte Tötung eines Topterroristen jedoch Fragen auf. „Ein Akt der Gerechtigkeit war das zweifellos weniger als ein Akt des Krieges", urteilte Tom Koenig, Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, in einem Interview mit dem rbb. „Diese gezielten Tötungen hinterlassen immer ein Gefühl des Unbehagens, weil sie eben auf völkerrechtlich dünnem Boden sind." Man könne bei dem Gründer von El-Kaida sicher keine Unschuldsvermutung aufrecht erhalten, denn es gebe wenige Menschen, die den USA und ihren Verbündeten so eindeutig den Krieg erklärt hätten, sagte Koenig. „Trotzdem wäre es natürlich für die Gerechtigkeit besser, wenn ihm ein Verfahren wie den Nazis in Nürnberg oder Eichmann in Jerusalem gemacht worden wäre."
Zwar erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung", dass die Tötung Bin Ladens wohl „rechtlich abgesichert" gewesen sei. Weitere Details hierzu gibt es jedoch nicht.
Der Fernsehansprache Obamas nach zu urteilen, wurde der Terrorist nach einem Feuergefecht regelrecht hingerichtet. Auch Joachim Wolf geht von einer „Art Exekution" aus. „Nach völkerrechtlichen Konfliktmaßstäben ist das rechtswidrig", so der Leiter des Instituts für Friedenssicherungsrecht und humanitäres Völkerrecht der Universität Bochum in einem Interview mit „sueddeutsche.de".
In dem Zusammenhang merkte Ethikprofessor Michael Bongardt von der Freien Universität Berlin in einem dpad-Interview an: „Es ist fraglich, ob das für einen Rechtsstaat eine angemessene Form ist."

Zudem ist nicht einmal gewiss, ob Osama bin Laden nach wie vor das Sagen bei der Terrororganisation El-Kaida hatte. Diese habe „offenbar seit geraumer Zeit eine Netzwerkstruktur", so der Kölner Völkerrechts-Professors Claus Kreß auf „Spiegel Online. „In einem Netzwerk ist aber nicht klar, wer im Einzelfall die Befehle gibt." Auch über die Struktur der Terrororganisation im pakistanischen Grenzgebiet wüsste man als Nichteingeweihter wenig. „Es ist also keineswegs sicher, dass Bin Laden noch immer Befehlsgewalt über eine quasi-militärische Organisation ausübte." War Bin Laden nicht länger Anführer der El-Kaida, hätte man ihn, so „Spiegel Online", „auch nicht als feindlichen Krieger behandeln und töten dürfen."
Auch, dass der Terrorist nicht in Afghanistan, also im Kriegsgebiet, sondern auf pakistanischem Boden zur Strecke gebracht wurde, sei problematisch. „Der Schauplatz eines asymmetrischen bewaffneten Konflikts ist regelmäßig auf das Gebiet des Landes beschränkt, in dem oder von dem aus die nichtstaatlichen Akteure quasi-militärisch agieren - alles andere würde zu unübersehbaren Ausuferungen von Gewalteinsätzen führen." Die Rolle Pakistans bei der Festnahme - oder Deckung - Bin Ladens ist noch unklar, genauso wie die Verwicklung des Landes in terroristische Aktivitäten. Bislang bestreitet der pakistanische Präsident Asif Ali Zardari eine Komplizenschaft mit Osama Bin Laden.

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Abgesehen von der Frage, inwiefern mit Bin Ladens Ermordung der „Gerechtigkeit Genüge getan wurde", sorgt auch die Freude, mit der sein Tod gefeiert wird, bei einigen Menschen für Irritationen. Bereits am Montag erklärte Papst-Sprecher Federico Lombardi in Rom: „Der Tod eines Menschen ist für einen Christen niemals Grund zur Freude." Das gelte auch für Bin Laden.
Nach Berichten des „Radio Vatikan" erklärte der Bundesausschuss Friedensratschlag am Dienstag in Kassel: „Wenn die Tötung eines Menschen, wie groß auch seine Verbrechen sein mögen, von westlichen Politikern mit Erleichterung aufgenommen und gefeiert wird, begeben sie sich auf das Niveau derjenigen Terroristen, denen ein Menschenleben nichts wert ist."

Was meinen Sie: Die gezielte Tötung eines Terroristen sorgt bei vielen Menschen verständlicherweise für Erleichterung. Aber ist sie auch wirklich „gerecht"? Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Rechtsstaat über den Tod anderer entscheidet, ohne sie vorher vor ein Gericht zu stellen? Wie empfinden Sie die „Schadenfreude" der jubeldnen Massen angesichts Bin Ladens Tod? Wir freuen uns auf Ihre Beiträge.