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Papa ante portas: Aufstand gegen Benedikt XVI.

Papa ante portas: Aufstand gegen Benedikt XVI. (Bild: Reuters)
Papa ante portas: Aufstand gegen Benedikt XVI. (Bild: Reuters)

Heute ist Papst Benedikt XVI. in Berlin gelandet. Und ausgerechnet sein Heimatland macht es ihm so schwer wie kaum ein anderes. Sechs Jahre nach Amtsantritt Joseph Ratzingers, sind die einst so stolzen „Wir sind Papst!"-Rufe weitestgehend verstummt. Dass sich Demonstrationen angekündigt haben, ist wenig überraschend - schließlich stellt sich die römisch-katholische Kirche nach wie vor gegen Homosexualität, Verhütung und den Eintritt von Frauen ins Priesteramt. Dazu kommen die Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen. Neu ist dagegen, dass erstmals ein Kirchenoberhaupt im Bundestag spricht - und damit einen „Glaubenskrieg" in der Politik heraufbeschworen hat.

Deutschland muss missioniert werden
„Wo Gott ist, da ist Zukunft" lautet das Motto des Papstbesuches in Deutschland. In Berlin erwartet Benedikt XVI. vermutlich kein Bild jener Zukunft, die seine Kirche anstrebt — sondern vielmehr ein allgegenwärtiger Verstoß gegen die Schöpfungsordnung. Empfangen wird Joseph Ratzinger unter anderem von einem homosexuellen Bürgermeister, einem Bundespräsidenten und einer Bundeskanzlerin, die in zweiter Ehe leben. Neben den 300.000 Fans, die in Berlin, Erfurt, Etzelsbach und Freiburg erwartet werden, haben sich alleine in Berlin 20.000 Anti-Papst-Demonstranten angekündigt. 181.193 Austritte aus der katholischen Kirche im Jahr 2010 sprechen eine eigene Sprache. Aus Vatikan-Sicht besteht in Deutschland also dringend Handlungsbedarf.

Erstmals spricht ein Papst im Parlament

„Das ist normal in einer freien Gesellschaft", findet Benedikt XVI. Doch neben den üblichen Kritikpunkten zur Sexual- und Geschlechterpolitik seiner Kirche, der fortdauernden Debatte zwischen „Zeitgeistlern und Beharrungs-Religiöslern", wie „Spiegel"-Journalist Matthias Matussek es nennt, und den hohen Kosten, die der Besuch mit sich bringt, hat die Diskussion neues Futter bekommen. Gemeint sind damit nicht nur die jüngst bekannt gewordenen Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen und deren Aufarbeitung. Neu ist, dass erstmals ein Papst vor dem deutschen Parlament sprechen wird. 100 Abgeordnete des Bundestags werden der Rede fernbleiben. Ihre Begründung: Religion und Staat sollen strikt getrennt bleiben. Dieser Meinung ist nicht nur die Hälfte der Linken — in der SPD entfachte ein kleiner innerparteilicher „Glaubenskrieg".

Kleiner „Glaubenskrieg" in der SPD

Zu den stärksten SPD-Kritikern der Papstrede im Bundestag zählt der sächsische Bundestagsabgeordnete Rolf Schwanitz. Aus Angst vor einer Vermischung von Staat und Kirche verschickte er im Sommer einen Aufruf an alle 146 SPD-Fraktionsmitglieder, in dem er dem Papst „Missionierung" und eine „Mitschuld an der Unterdrückung von Millionen Menschen" vorwarf, so „Spiegel Online". Mit dieser Meinung steht Schwanitz in seiner Partei nicht alleine da - doch die Spitze lenkte ein, man freue sich auf den Papst-Besuch. Für die SPD-Generalsekretärin und praktizierende Katholikin Andrea Nahles ist der Papst eine der „wichtigen Stimmen in der Welt, im wahrsten Sinne ein Global Player", wie sie der „Rhein-Zeitung" sagte. „Ich bin der Ansicht, dass der Deutsche Bundestag in keiner Weise missbraucht wird. Niemand ist gezwungen, katholisch zu sein oder das zu glauben, was der Papst verkündet."

Teilboykott im Bundestag
Etwa hundert Abgeordnete werden dem Auftritt des Papstes fernbleiben. Ob das Zeichen des Protests ankommt? Norbert Lammert (CDU) hat vorsorglich ehemalige Parlamentarier als Ersatz-Publikum geladen. So sollen die Reihen „nicht nur gut gefüllt, sondern überfüllt sein" werden, so der Bundestagspräsident.

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Ob Politiker, Gläubige oder Normalbürger: Man erhofft sich von Papst Benedikt XVI. klare Botschaften. Oder wie der FDP-Abgeordnete und evangelische Pfarrer Pascal Kober es im „Spiegel" ausdrückte: eine Rede, die „der zunehmenden Banalisierung der christlichen Botschaft zur Eiapopeia-Wohlfühl-Religion kraftvoll entgegenwirkt". Die Frage ist nur, ob der Bundestag der richtige Platz dafür ist.

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Darf ein Papst hinterm Rednerpult im Bundestag stehen — oder gefährdet dies die strikte Trennung von Kirche und Staat? Was halten sie von den zum Teil sehr scharfen Anti-Papst-Parolen der Ratzinger-Gegner? Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!