"Die Kanzlerin eiert herum"

Sie ist die aufstrebende Frau in der CDU, er die streitbare Kultfigur der Grünen. Julia Klöckner und Hans-Christian Ströbele - unterschiedlicher können Politiker nicht sein. Im Blog-Duell von YAHOO zur Bundestagswahl ringen sie jede Woche um die besten Argumente. Heute geht  Ströbele in der Syrien-Frage Kanzlerin Merkel an und verlangt "Mut zur Wahrheit".

Liebe Frau Klöckner. Schön, dass Sie jetzt auch über den Krieg reden. Nur vermisse ich eine klare Stellungnahme zu dem geplanten US-Krieg in Syrien. Sind Sie nun dafür oder nicht? 

Aber zunächst Anmerkungen zu Ihrem Gespür meines Unbehagens. Sie spüren nämlich richtig. Nur gilt das Unbehagen nicht dem, was “Grüne so anstellen“, sondern Ihrer Nichtreaktion auf meine Argumente.

Es stimmt doch, dass die Kirche ein striktes Gebot hat, Freitags kein Fleisch zu essen. Der grüne „Vorschlag“ für einen freiwilligen Veggie-Day ist verglichen damit doch eine geradezu antiautoritäre Alternative mit einer vernünftigen Begründung.

Und Ihre Kritik an den Kriterien für die Verleihung der Bezirksmedaille in Kreuzberg-Friedrichshain müssten sie doch eigentlich schnell zurücknehmen nach meinem Hinweis auf den Wortlaut des Beschlusses der dortigen Bezirksversammlung. Aber nichts davon lese ich.

Lesen Sie auch: "Wir müssen über Krieg reden"

Der Vorwurf der Verschwendung gegen den Bischof von Limburg ist der Christlichen Partei offenbar auch kein Wort wert. Anstatt sich uninformiert in Kreuzberg einzumischen, sollten Sie als CDU-Parteivorsitzende vor der eigenen Tür kehren.

Da interessiert doch der Strafprozess wegen des Vorwurfs der Untreue bei illegaler Parteienfinanzierung gegen Ihren Vorgänger im Amt Böhr. Ein Hingucker. Die schwarzen Konten des Helmut Kohl sollen ja auch in Rheinland-Pfalz ihren Anfang gehabt haben.

Sie haben Recht, Giftgaseinsatz ist menschenverachtend. Es ist ein scheußliches Kriegsverbrechen. Aber die Entscheidung über die Schuld daran und die Strafe ist nicht Sache der US-Geheimdienste. Auch nicht des deutschen Bundesnachrichtendienstes. Selbst der US-Präsident hat nicht das Recht dazu und die Aufgabe, auch wenn er jetzt zugleich Ankläger, Richter und Strafvollstrecker sein zu wollen scheint.
Berufen zum Urteil über solche Verbrechen ist der unabhängige Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. Der wurde dafür von der Völkergemeinschaft extra eingerichtet. Deshalb freue ich mich, dass diese meine Forderung der letzten Woche jetzt auch vom Außenminister übernommen wurde.

Lesen Sie auch: "Giftgasangriff in Syrien ist Zäsur"

Die Bestrafung eines Despoten durch Krieg oder gar seines ganzen Landes hat keine Grundlage im Völkerrecht. Aber die Kanzlerin eiert herum, wenn es um die Kriegspläne des US-Präsidenten geht. Und Sie tun es auch. Klare Worte gerade von Freunden wären jetzt nötig. Mut zur Wahrheit ist gefragt wie vor Königsthronen nun vor dem Präsidentensessel.

Übrigens: was sagen Sie eigentlich zur Äußerung der Kanzlerin im TV-Duell vom letzten Sonntag? Das könne schon sein, antwortete sie auf die Frage, ob die Telefone, Handys, E-Mails und der Internetverkehr der deutschen Bevölkerung in den USA ausspioniert, gespeichert und ausgewertet werden. Die Regierungschefin weiß immer noch von nichts nach drei Monaten „Aufklärung“. Sie lässt sich von den USA alles wortlos gefallen, auch dass die Anfragen der Regierung nicht beantwortet werden. Die Spähaffäre ist offensichtlich nicht zu Ende, nicht aufgeklärt, wie Sie meinten. Sagen Sie mal was dazu.

Beinahe hätte ich vergessen: Über die Beteiligung der Bundeswehr am Kosovokrieg hat der Bundestag noch unter der Kohl-Regierung im Oktober 1998 entschieden mit Zustimmung der Union natürlich. Der neue Bundestag war schon gewählt, aber die neue Regierung noch nicht.  Der tatsächliche Einsatz begann Monate später. Nicht Scharping sondern Kohl ist schuld.