Britische Polizei bediente sich der Identität toter Kinder

Wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ berichtet, haben sich britische Undercover-Spione offenbar zwischen 1968 und 1994 der Identitäten verstorbener Kinder bedient. Mit den Angaben, die die „Metropolitan Police“ aus Geburts- und Sterberegistern gewonnen hatte, sollten sich V-Männer Zutritt zu Protestgruppen erschlichen haben. Die Eltern der Kinder wurden darüber nicht informiert.Britische Parlamentarier nannten dies eine "grauenhafte Praxis" und "absolut schockierend".

Bis zu zehn Jahre lang seien Führerscheine, Pässe und anderen Papiere für Undercover-Agenten auf die Namen verstorbener Kinder ausgestellt worden, berichtet „The Guardian“. Inzwischen haben einige der V-Männer Berichte über ihren Einsatz unter falscher Identität abgelegt. Darunter auch „Pete Black“, der unter dem Namen eines verstorbenen vierjährigen Jungen in eine Antifa-Gruppe eingeschleust wurde. „Ein Teil von mir dachte darüber nach, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn der Name und andere Angaben meines eigenen Sohnes für eine solche Sache benutzt werden würde“, so „Black“ gegenüber dem Blatt. Vor allem die Geburtstage des Jungen, die „Black“ jedes Jahr feiern musste, machten dem Mann zu schaffen. Um die Tarnung perfekt zu machen, habe man Geburtsort und -haus der Scheinidentität aufsuchen müssen.

Ein Kollege, der unter der Identität eines bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Kindes agierte, berichtet, auch ihm sei das nicht leicht gefallen. Doch hätte die Aktion einer „höheren Sache“ gedient. Doch auch dieser Spitzel räumt ein, er habe es nie gut gefunden, dass die Eltern der Kinder nicht informiert worden waren. „Das war wirklich ein Dilemma“, berichtet er der Zeitung.

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Ans Licht kam die Sache, als die Ex-Freundin eines V-Mannes nach dessen plötzlichen Verschwinden Nachforschungen anstellte – und auf die Identität eines Kindes stieß. Im Nachhinein ist sie froh, nie die Eltern des Jungen ausfindig gemacht zu haben, berichtet die nicht namentlich genannte Frau dem „Guardian“. „Es hätte sie wahrscheinlich komplett wahnsinnig gemacht, nach ihrem Kind gefragt zu werden, das 24 Jahre vorher gestorben ist.“

Die SDS („Special Demonstration Squad“), die Spezialeinheit für die beide Agenten aus dem „Guardian“-Interview im Einsatz waren, wurde im Jahr 2008 aufgelöst. Angeblich sei die Praxis, sich der Identitäten von Verstorbenen zu bedienen, bereits Mitte der 90er Jahre beendet worden – nachdem Geburts- und Sterberegister in Großbritannien digitalisiert wurden. Allerdings soll es noch bis 2003 zu vereinzeltem Identitätsmissbrauch gekommen sein.

"Das ist absolut schockierend“, sagte Keith Vaz, Vorsitzender des vom Parlament eingesetzten Komitees für innere Angelegenheiten, angesichts der Enthüllungen. Die Metropolitan Police hat die Vorfälle zwar nicht offiziell bestätigt, ermittelt aber derzeit intern. „Es ist bekannt, dass in der Vergangenheit unangemessene Methoden angewandt wurden. Aber die neuesten Enthüllungen bringen das auf ein ganz neues Niveau“, so Vaz. Sein Komitee verlange nun konkrete Antworten.