Rücktritt: Bundespräsident Christian Wulff legt sein Amt nieder

Nachfolge soll schnell geklärt werden

598 Tage war Christian Wulff  im Amt, so kurz wie kein Bundespräsident vor ihm. Nach seinem Rücktritt will Kanzlerin Merkel nun auch SPD und Grüne in die Nachfolger-Suche einbinden. Schon am Samstag soll das Ermittlungsverfahren gegen Wulff beginnen. 

Nach zehn Wochen Dauerkritik und angesichts drohender strafrechtlicher Ermittlungen hat Bundespräsident Christian Wulff seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Noch am Freitag eröffnete Kanzlerin Angela Merkel die parteiübergreifende Suche nach einem Nachfolger. Der muss bis zum 18. März gewählt sein, die Koalitionsspitzen wollten noch am Abend im Kanzleramt beraten. Die Opposition reagierte erleichtert und bot Merkel Zusammenarbeit an. Die Staatsanwaltschaft Hannover will bereits an diesem Samstag nach Erlöschen von Wulffs Immunität die Ermittlungen gegen ihn aufnehmen. 

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Mit nur 598 Tagen war Wulff so kurz im Amt wie kein anderer Bundespräsident. Der 52-Jährige gab seinen Rücktritt am Freitag in einer persönlichen Erklärung bekannt, zu der er kurzfristig ins Schloss Bellevue geladen hatte. Wulff wies an der Seite seiner Frau Bettina alle Vorwürfe wegen möglicher Begünstigungen durch befreundete Unternehmer nochmals zurück, räumte aber Fehler rein. Zugleich gab er zu, dass er das Präsidentenamt nicht mehr so wahrnehmen könne, "wie es notwendig ist". 

Nachfolgerfrage: Linkspartei bleibt außen vor
Merkel zollte dem bislang jüngsten bundesdeutschen Staatsoberhaupt "größten Respekt". Zugleich kündigte die CDU-Chefin an, über die Parteigrenzen hinweg nach einem Nachfolger zu suchen. Noch am Freitagabend war ein erstes Treffen mit CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler angesetzt. Am Samstag sollen auch bei einem weiteren Treffen die schwarz-gelben Fraktionsspitzen eingebunden werden. Am Wochenende sollen auch SPD und Grüne ins Boot geholt werden, nur die Linkspartei soll außen vor bleiben. 

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Im Gespräch für die Nachfolge sind unter anderem Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der ehemalige Umweltminister Klaus Töpfer (beide CDU) und auch der frühere DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, der 2010 als rot-grüner Kandidat gegen Wulff nur knapp verloren hatte. Gauck sagte am Abend, er habe noch nicht über eine erneute Kandidatur entschieden. 

Ausschlaggebend für Wulffs Rücktritt dürfte letztlich die Staatsanwaltschaft Hannover gewesen sein, die wegen der möglichen Annahme von Vergünstigungen durch den befreundeten Film-Unternehmer David Groenewold ermitteln will. Nach Angaben aus Wulffs Umgebung hatte sich der frühere niedersächsische Ministerpräsident und CDU-Vize bereits am Donnerstagabend dazu entschlossen, nachdem die Staatsanwaltschaft die Aufhebung seiner Immunität beantragt hatte. 

Wulff: "Vertrauen und Wirkungsmöglichkeiten eingeschränkt"
Den vorzeitigen Abgang begründete Wulff insbesondere mit einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung. Der Präsident müsse "vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit" getragen werden. "Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen und damit meine Wirkungsmöglichkeiten nachhaltig beeinträchtigt wird." Leider könne er sein Amt "nach innen und nach außen" nicht mehr so wahrnehmen wie erforderlich. Die Berichterstattung habe ihn und seine Frau "verletzt". 

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Wulff äußerte sich überzeugt, dass die Ermittlungen gegen ihn zu einer "vollständigen Entlastung" führen werden. "Ich habe mich in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt verhalten. Ich habe Fehler gemacht. Aber ich war immer aufrichtig." 

Zur Nachfolgesuche sagte die Kanzlerin: "Wir wollen Gespräche führen mit dem Ziel, in dieser Situation einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland vorschlagen zu können." Von der FDP wurde aber betont, dass die Entscheidung innerhalb der Koalition falle. 


Die Rücktrittserklärung von Christian Wulff im Wortlaut

Wulff ist innerhalb von zwei Jahren bereits der zweite Bundespräsident, der vorzeitig das Amt verlässt. Vorgänger Horst Köhler hatte im Mai 2010 überraschend seinen Rücktritt erklärt, nachdem er mit Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz eine Diskussion ausgelöst hatte. Strittig ist nun, ob Wulff wie die vier anderen lebenden Ex-Präsidenten künftig einen "Ehrensold" in Höhe von annähernd 200 000 Euro pro Jahr bekommt.

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Bis zur Wahl eines neuen Staatsoberhaupts nimmt nun der amtierende Präsident des Bundesrats, Bayerns Regierungschef Horst Seehofer, die Aufgaben wahr.


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Quelle: dpa