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Die größten deutschen Lebensmittelskandale der letzten Jahre

Der EHEC-Erreger verunsichert die Verbraucher in der Bundesrepublik derzeit extrem. Wie auch immer das Bakterium auf die Lebensmittel gelangt ist- sicher ist, dass es da nicht hingehört. Doch für die Deutschen sind negative Schlagzeilen aus der Nahrungsmittel-Industrie nichts Neues. Die Chronik der letzten Jahre zeigt: Der nächste Lebensmittelskandal kommt bestimmt.


Zur Bildergalerie der Lebensmittelskandale
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2010: Dioxin im Frühstücksei
Im November und Dezember 2010 wird mit Dioxin verseuchtes Tierfutter an Betriebe in Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt ausgeliefert. Betroffen sind Mastbetriebe für Schweine und Geflügel sowie das Futter für Legehennen. Nach Schätzungen der Bundesregierung werden bis zu 3000 Tonnen vergiftetes Viehfutter verfüttert. Damit gelangt das Gift sowohl in Eier als auch ins Fleisch. Dioxin gehört zu den giftigsten vom Menschen hergestellten Stoffen und kann Störungen des Immunsystems, schwere Erkrankungen der Haut, der Atemwege, der Schilddrüse und des Verdauungstraktes auslösen. Zudem besitzt Dioxin eine krebsfördernde Wirkung. Anfang 2011 werden als Folge der Verseuchung mehr als 1000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland gesperrt.

Als Konsequenz des Dioxin-Skandals beschließt das Bundesministerium für Verbraucherschutz zusammen mit den Ländern eine einheitliche und strenge Überwachung der Futter- und Lebensmittel sowie eine bessere Transparenz für Verbraucher. Zudem wird an die Konsumenten appelliert, mehr auf die Qualität als auf die Preis zu achten.

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 2010: Gepappter Schinken
Mit dem Enzym Thrombin, gewonnen aus Schweineblut, lassen sich Fleischstücke so zusammenpappen, dass sie wie Schinken aussehen, aber der Inhalt nicht viel damit zu tun haben muss. Im Mai 2010 verbietet das EU-Parlament zwar die Verwendung von Thrombin in der Schinkenherstellung, allerdings lässt sich mit Alternativen arbeiten: auch mit anderen Enzymen wie Transglutaminase kann man Fleisch verkleben. Dieser Zusatzstoff ist legal und muss noch nicht einmal deklariert werden. Na dann, guten Appetit!

2009: Analogkäse auf der Pizza
Er sieht aus wie Käse, schmeckt wie Käse, riecht zumindest ähnlich und enthält vieles, aber keinen Käse. Es handelt sich um ein Imitat aus Milch-, Soja- oder Bakterieneiweiß, Geschmacksverstärker, Aromastoffen und Pflanzenfetten. Nicht gesundheitsgefährdend, aber eben auch nicht gesund. Analogkäse wird auf vielen Fertigprodukten wie Pizza zum Überbacken verwendet. Nach kritischen Medienberichten 2009 fordern Bauern- und Verbraucherschutzverbände eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, die Kunstkäse enthalten, die aber in der Europäischen Union bis heute nicht besteht.
 Immerhin: Analogkäse ist, wenn er kein Milcheiweiß enthält, vegan und damit eine Alternative zu tierischen Produkten.

2008: Wurmkäse oder lieber Schlumpf-Mozzarella?
2008 ist verdorbener Mozzarella, Gorgonzola und Scheibletten-Käse in deutschen Käsetheken gelandet. Rund 11.000 Tonnen Käse sollen mit Würmern und Mäusekot verunreinigt  und europaweit als frische Ware in Supermärkten angeboten worden sein. Der Gammel-Käse wird sowohl in Norditalien als auch in Bayern verarbeitet. Als das bayerische Gesundheitsministerium daraufhin die Überprüfung des Betriebes im Allgäu anordnet, stellt sich heraus, dass die Käserei ein stillgelegtes Produktionsgebäude seit vier Jahren an einen italienischen Unternehmer vermietet. Der Betrieb International Cheese GmbH stelle dort mit lediglich vier oder fünf Mitarbeitern angeblich Schmelzkäse her.
Im Juni 2010 beschlagnahmen im norditalienischen Turin Carabinieri der Sondereinheit gegen Lebensmittelverfälschungen 70.000 Packungen Mozzarella. Der aus deutschen Molkereien stammende Käse hatte sich beim Öffnen der Packung blau verfärbt. Diese Verfärbung geht auf verschiedene Bakterienarten zurück. Über das Schnellwarnsystem für gefährliche Lebens- und Futtermittel (RASFF) warnt Italien die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten, der  Mozzarella wird umgehend vom Markt genommen.

2005: Der Gammelfleisch-Skandal
2005 kann getrost als das „Jahr des Gammelfleisches“ bezeichnet werden. Das Wort bringt es sogar auf Platz 5 in der Liste der von der Gesellschaft für deutsche Sprache gewählten Wörter des Jahres. Im großen Stil wird im Sommer 2005 bereits verdorbenes Fleisch umetikettiert und erneut in den Handel gebracht. Fast noch schlimmer kommt es im Jahr darauf. Im September 2006 werden in München etwa 100 Tonnen einer ursprünglich viel größeren Menge an vergammeltem Fleisch- darunter auch Dönerfleisch- sichergestellt. Das Fleisch ist bis zu vier Jahre alt. 26 Münchner Betriebe sind bis zu diesem Zeitpunkt damit beliefert worden. Ein großer Teil des Fleisches war bereits verzehrt.
Im Oktober 2006 werden in Hamburg über 5 Tonnen teilweise grünlich verfärbtes Gammelfleisch beschlagnahmt. Nach ähnlichen Vorfällen 2007 in Bayern und 2009 in Polen erlässt die EU-Kommission zum 1. Juli 2008 neue Bestimmungen, die eine verbesserte Rückverfolgung, Bewertung und Identifikation tierischer Nebenprodukte zulassen.

2002: Pommes mit Acrylamid
Wenn stärkehaltige Lebensmittel wie Kartoffeln hoch erhitzt werden, bildet sich der krebserregende Stoff Acrylamid. Ab 120 Grad Celsius fängt es an und ab 170 Grad bildet sich Acrylamid explosionsartig. Damit gehören Pommes Frites, die in heißem Öl frittiert werden, zu den besonders acrylamidhaltigen Speisen. 2002 kommt der giftige Stoff zum ersten Mal in die Schlagzeilen. Daraufhin versucht das Verbraucherschutzministerium die Industrie zu schonenderen Verfahren zu bewegen, um den Acrylamid-Gehalt in Lebensmitteln zu minimieren. Allerdings mit mäßigem Erfolg: Der Test Ende 2010 zeigt bei 4000 analysierten Produkten, dass der Anteil an Acrylamid bei manchen Lebensmitteln sogar noch höher ist, als bei der letzten Untersuchung 2008. Für den Verbraucher hilft also nur: möglichst wenig gebackene und frittierte Fertigprodukte essen und beim selber kochen „vergolden anstatt verkohlen“.

2002: Nitrofen in der Bio-Pute
Der Babynahrungshersteller Hipp findet 2002 das hochgiftige Unkrautvernichtungsmittel Nitrofen in einer Lieferung Bio-Putenfleisch aus Niedersachsen. Daraufhin werden 230 Tonnen verseuchtes Geflügelfleisch beschlagnahmt. Es stellt sich heraus, dass das Nitrofen über das Öko-Tierfutter ins Fleisch gelangt ist. Der Hersteller lagert das Futter in einer Halle in Mecklenburg-Vorpommern, in der bis Mitte der neunziger Jahre Reste von Pflanzenschutzmitteln aus DDR-Zeiten deponiert wurden. Nitrofen ist bereits seit 1980 in der Bundesrepublik verboten, in den neuen Bundesländern jedoch erst seit der Wende.

Autorin: Evelyn Hosse / ZEITjUNG