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Spannungen in Afrika wegen Ebola nehmen zu

Helfer bergen in Liberia die Leiche eines Ebola-Opfers. Foto: Ahmed Jallanzo

Proteste wegen der Quarantäne eines Slums, Angriffe nach der Desinfektion eines Marktes, Festnahmen von Hotelgästen: In westafrikanischen Ländern liegen die Nerven wegen Ebola blank.

In Westafrika verschärfen sich die Spannungen wegen der Ebola-Epidemie. In Liberia hatte die Quarantäne eines riesigen Slums heftige Proteste ausgelöst - jetzt hob die Regierung die Isolierung nach fast zwei Wochen auf. Unter Quarantäne hatten Tausende Menschen keinen Zugang mehr zu Lebensmitteln und Trinkwasser. Bei den Protesten war ein 15-Jähriger ums Leben gekommen. In Nigeria nahm die Polizei aus Furcht vor Ebola Dutzende Menschen aus anderen Ländern fest.

Bereits am Donnerstag hatten wütende Menschen in Guinea mit Knüppeln und Messern Gesundheitsexperten attackiert; Dutzende wurden verletzt. Die Angreifer glaubten, dass bei der Desinfektion eines Marktes in N'Zerekore Menschen infiziert worden seien.

Der Erreger tauchte zuerst in Guinea auf. Inzwischen sind auch Liberia, Sierra Leone, Nigeria und Senegal betroffen. Bis zum 26. August registrierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 3069 bestätigte und Verdachtsfälle, 1552 Menschen starben. Die Behörde befürchtet mehr als 20 000 Infizierte in den nächsten Monaten. In der Demokratischen Republik Kongo gibt es einen isolierten Ausbruch. Er hat nichts mit der Epidemie in Westafrika zu tun.

In Liberia feierten Hunderte der bis zu 75 000 Einwohner des Armenviertels West Point in der Hauptstadt Monrovia die Aufhebung der Quarantäne. «Es war wie die Hölle», beschrieb Bewohner Tom Nyennoh (47) am Samstag die lange Isolierung. «Wer es sich leisten konnte, hat die Wachleute an den Kontrollpunkten geschmiert», so ein anderer Bewohner. «Wir gingen dann in die Stadt, um Lebensmittel zu kaufen und unsere Familien am Leben zu halten.»

Die Quarantäne war verhängt worden, weil in West Point rund 40 Ebola-Patienten aus einer Isolierstation von Bewohnern befreit worden waren. Vier an dem Überfall beteiligte Jugendliche erkrankten danach an Ebola. Die geflohenen Patienten konnten gefunden und in einer medizinischen Einrichtung untergebracht werden. Liberia ist am schlimmsten von der Epidemie betroffen.

Aus Furcht vor Ebola nahm die Polizei in zwei Hotels in Nigeria insgesamt 39 Bürger aus Sierra Leone und der Demokratischen Republik Kongo fest. Zur Begründung hieß es, die Menschen kämen aus Ländern, in denen das Virus aufgetreten sei, berichtete die Zeitung «Vanguard» am Sonntag. Polizisten und Beamte der Einwanderungsbehörde hätten bei einer Razzia die Hotels in der Wirtschaftsmetropole Lagos durchsucht. Die Gäste seien unter Beobachtung gestellt worden. Der Einsatz sei nach dem Anruf eines Anwohners ausgelöst worden.

Zuvor hatte Nigerias früherer Präsident Olusegun Obasanjo kritisiert, dass Länder wie Liberia keine strengeren Kontrollen von Reisenden eingeführt hätten. Aus Nigeria, mit rund 170 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Afrikas, sind bislang nach WHO-Angaben 6 Ebola-Tote und 17 Erkrankungsfälle bekanntgeworden. Trotz der vergleichsweise geringen Zahl geht nach Expertenmeinung von diesem Staat die größte Gefahr aus. Grund sei die vernetzte Wirtschaft des Landes, sagte Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin dem Nachrichtenmagazin «Focus».

Ein neuer Ebola-Impfstoff soll schon in den nächsten Tagen in den USA erstmals an Menschen getestet werden. Das Mittel sei vom US-Institut für Allergien und ansteckende Krankheiten (NIAID) und dem Pharmahersteller GlaxoSmithKline gemeinsam entwickelt worden, teilte die US-Gesundheitsbehörde NIH (National Institutes of Health) mit. Die Versuche seien so gestaltet, dass sich die Teilnehmer nicht mit der Erkrankung anstecken könnten. Zu Beginn solcher Tests geht es etwa um die Verträglichkeit eines Mittels.

Die Europäische Union forderte alle Länder auf, dass die betroffenen Staaten weiter über Flugverbindungen zu erreichen sein müssten. Eine kontrollierte Verbindung sei nötig, damit die Hilfe ihr Ziel erreicht und die Wirtschaft dieser Länder funktionieren könne, heißt es in der Abschlusserklärung des EU-Sondergipfels vom Samstag in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs riefen dazu auf, dass die von den EU-Mitgliedsländern bereitgestellte Unterstützung stärker koordiniert wird. Mehr Hilfe der Industrienationen forderte «Ärzte ohne Grenzen». Die Hilfsorganisationen allein könnten die Krankheit nicht mehr in den Griff bekommen, hieß es im Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».

Bei der Bekämpfung des Virus ist eine Ausrottung von Flughunden nach Expertenansicht keine Option. «Solche großangelegten Keulungsaktionen wären vollkommen sinnlos», sagte Andreas Streit, der das Bonner UN-Sekretariat des Abkommens zur Erhaltung der europäischen Fledermauspopulationen (Unep/Eurobats) leitet, der dpa. Sie würden auch an der Situation nichts ändern. Das Virus werde derzeit von Mensch zu Mensch übertragen. In einer Kolonie von etwa 10 000 Flughunden seien vielleicht ein bis maximal zehn Tiere infiziert, wenn überhaupt. Streit und andere Experten halten es aber für möglich, dass am Anfang der Epidemie eine Übertragung von einem infizierten Flughund auf einen Menschen gestanden hatte.

WHO-Statistiken zu Ebola

Bericht "Vanguard"

NIH-Mitteilung zu Impfstoffversuch

Schlussfolgerungen des EU-Sondergipfels