Erste Wisente in Deutschland ausgewildert

Acht Tiere im Rothaargebirge angesiedelt

Jahrhunderte nach der Ausrottung der Wisente in Deutschland hat sich im Rothaargebirge für eine Herde der großen Wildrinder wieder der Weg in die Freiheit geöffnet. Acht Tiere wurden dort ausgewildert

Erstmals seit Jahrhunderten können Wisente in Deutschland wieder ungehindert umherstreifen. Im Rothaargebirge begannen Mitarbeiter des Artenschutzprojekts "Wisent-Welt-Wittgenstein" nach jahrelangen Vorarbeiten damit, den Zaun um das Auswilderungsgehege einer kleinen Wisent-Herde zu öffnen, wie deren Sprecher Michael Emmerich mitteilte. Die Tiere können nun die umliegenden Wälder in Nordrhein-Westfalen besiedeln.

Wisente lebten früher überall in Europa, wurden aber allmählich vollkommen ausgerottet und überlebten nur in Tierparks. In Deutschland, wo die letzten freilebenden Exemplare der europäischen Bison-Variante Experten zufolge bereits 1755 getötet worden waren, gab es die stattlichen Wildrinder bislang nur in Wildparks sowie in einigen reservatartigen Gebieten, so in Brandenburg und Niedersachsen. Diese sind zwar teils sehr groß, aber trotzdem noch umzäunt.

Dagegen können sich die Wisente im Rothaargebirge nordöstlich von Siegen ab sofort völlig frei bewegen. "Das Projekt ist in Westeuropa einmalig", betonte Sprecher Emmerich. Frei lebende Herden wie diese waren bisher nur aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern bekannt, wo die bis zu einer Tonne schweren Rinder teils schon vor mehreren Jahrzehnten wieder ausgewildert worden waren.

Die Ansiedlungsinitiative war eine private Idee, die auf Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein zurückgeht. Dem Grundbesitzer gehört ein Großteil des etwa 4300 Hektar großen Waldgebiets, in dem sich die achtköpfige Wisentherde künftig ansiedeln soll.

Das von Arten- und Naturschützern auch international beachtete Projekt wird unter anderem vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium, dem Bundesamt für Naturschutz, den umliegenden Gemeinden und mehreren Universitäten unterstützt. Die Umweltschutzorganisation WWF lobte es als einen "Meilenstein". Sie hoffe auf Erkenntnisse für weitere Wiederansiedlungsvorhaben.

Wann und wie die Wisente ihre neu gewonnene Freiheit nutzen, bleibt ihnen überlassen. Nach der ersten Öffnung werde in den kommenden Wochen nach und nach der gesamte Zaun um das Auswilderungsgehege entfernt, sagte Emmerich. "Wenn das Frühjahr kommt, werden sie ihre Kreise allmählich vergrößern und spazieren gehen."

Wisente gelten als sehr ortstreue Tiere. Aus ihrem angestammten Gebiet getrieben würden sie selbstverständlich nicht, sagte Jochen Born, Wisent-Wärter des Projekts. "Die Tiere sollen sich bewegen, wie sie es für richtig halten."

Die Herde aus einem Bullen, fünf Kühen und zwei Jungtieren war zuvor über mehrere Jahre in dem Auswilderungsgehege systematisch auf ihre Freilassung vorbereitet und von Menschen entwöhnt worden. Letzteres sei absolut zentral gewesen, da alle Wisente bis auf die Jungtiere in Gefangenschaft geboren seien und daher mit dem Kontakt zu Menschen vertraut gewesen seien, sagte Emmerich. "Das war die wesentliche Bedingung, damit sie freigelassen werden konnten."

Wilde Wisente sind sehr scheu. Probleme werden die gehörnten Kolosse mit dem kastanienbrauen Fell, die sich von Gras, Kräutern, Bäumen und Sträuchern ernähren, nach Angaben des "Wisent-Welt"-Projekts weder Menschen noch heimischen Tieren oder Pflanzen machen. Sämtliche Auswirkungen seien im Vorfeld sehr gründlich untersucht worden, betonte Emmerich. "Es gibt keinerlei negative Auswirkungen - im Gegenteil". Die Wisente seien eine "ökologische Bereicherung" für den Wald.