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Griechenland nach der Wahl: Was kostet uns das Dilemma?

Nach den Wahlen in Griechenland zeichnet sich ab, dass die Wahlsieger der Konservativen mit den Sozialisten schnell eine Regierung bilden könnten. Eile ist jetzt auch geboten, meint Griechenland-Experte Florian Baumann von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Denn der bisherigen Sparpolitik stellt er ein wenig rühmliches Zeugnis aus: Das Land sei dem Ruin nahe. Deutschland könnte das Dilemma im Extremfall einen dreistelligen Milliardenbetrag kosten, so der Experte.

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Griechenland hat gewählt. Wie geht es jetzt weiter?

Forian Baumann: Zunächst muss eine Regierung gebildet werden, daran ist letztes Mal alles gescheitert. Diesesmal könnte es schneller gehen, denn am Tisch sitzen Altbekannte – die konservative Nea Demokratia und die sozialistische Pasok. Die linksextreme Syriza ist erstmal raus, daher könnte es klappen.

Was für Herausforderungen kommen auf diese neue Regierung zu?

Die Herausforderungen sind die gleichen geblieben, mit der wiederholten Wahl haben wir nur mehrere Wochen verloren. Auch die neue Regierung wird versuchen, das Reformpaket mit dem IWF und der EU noch einmal nachzuverhandeln, es zu entschärfen und die Fristen zu verlängern. Wie Griechenland entschuldet werden soll, ist ungeklärt, das Defizit ist noch immer zu hoch. Das allergrößte Problem ist nun allerdings, wie das Land wieder auf einen Wachstumskurs kommt und wie die strukturellen Wirtschaftsprobleme in Angriff genommen werden können.

Liest man aktuelle Berichte über den momentanen Zustand des Landes, kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, dass es am Rande des Ruins steht.

Ja auf jeden Fall. Griechenland ist total überschuldet und muss daher noch mehr sparen. Löhne und Sozialleistungen wurden erheblich gekürzt und im Öffentlichen Dienst ist es zu vielen Entlassungen gekommen. Die griechische Wirtschaft und die Sozialsysteme stehen trotzdem vor dem Kollaps. Die Politik muss sich jetzt beeilen, diese Probleme schnellstmöglich zu lindern - ganz in den Griff wird man sie wohl mittelfristig nicht bekommen.

Muss man die bisherige Sparpolitik unter diesen Vorzeichen nicht als gescheitert bezeichnen?

Gescheitert würde ich sie nicht nennen, weil man sich zumindest Zeit erkaufen konnte. Andere Länder mit geringeren Problemen konnten so Risiken reduzieren und sich teilweise stabilisieren. Außerdem stand der EU auch gar nicht das Instrumentarium zur Verfügung, anders zu handeln. Man kann höchstens noch mehr Geld in die Hand nehmen. Die Frage ist jedoch, ob die Mitgliedstaaten das tatsächlich können und wollen. Griechenland selbst kann es mit Sicherheit nicht. Von einem „Teilscheitern“ kann man daher durchaus sprechen.

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Die neue Regierung muss jetzt dringend Geld auftreiben sonst sind am 20. Juli die Kassen leer.  Muss es ein neues Rettungspaket geben oder wie kann sich das Land da sonst noch rauswinden?

Das gegenwärtige Hilfspaket läuft ja noch, und sobald die neue Regierung im Amt ist wird die Troika wieder anrücken und die Sparbemühungen unter die Lupe nehmen. Dann kann prinzipiell auch eine neue Tranche überwiesen werden – das zur Verfügung gestellte Geld wurde bewusst nicht auf einmal ausbezahlt. Die einzelnen Tranchen sind an Bedingungen geknüpft, im Sinne von: „Ihr liefert das, dann überweisen wir euch dies“. An diesem Punkt werden Samaras und sein möglicher Koalitionspartner Venizelos nachverhandeln wollen.

Wo macht das Land eigentlich Fortschritte? Ist die Aussicht nur finster oder gibt es auch positive Indikatoren?

Nun ja, wenn man es Fortschritt nennen mag: Es wird viel gespart. Beamte werden entlassen, die Gehälter massiv gekürzt, der Mindestlohn wurde abgesenkt. Die Privatisierung von Staatseigentum hat begonnen, was Kosten reduziert und Geld in die Kassen spült. Das geriert aber auch neue Probleme. Heißt: Durch die Entlassung von Beamten und Angestellten aus dem Staatsdienst verschlankt sich der Staat, hat weniger Ausgaben. Die Entlassungswellen schwächen aber die griechische Wirtschaft zusätzlich, zudem bekommen Arbeitslose kaum noch Geld vom Sozialamt. Was jetzt kommen muss, ist ein Wachstumspaket. Potenzial dafür bietet etwa das Feld der erneuerbaren Energien, es gibt viel Sonne in Griechenland. Der Tourismus-Sektor muss wieder wachsen.

Wer sind eigentlich die Hauptgläubiger von Griechenland?

Internationale Banken – klar ist ein Hintergedanke bei den Rettungspaketen, nicht nur das Land finanziell zu unterstützen sondern auch die Banken in der EU, die sonst auf ihren Schulden sitzenbleiben. Auch deutsche Banken waren da stark beteiligt, ebenso wie italienische oder französische. Banken und andere Finanzdienstleister sind zwar teilweise ausgestiegen wo es möglich war, haben aber auch durch den „Haircut“ schon einiges Geld verloren.

Welchen Finanzbedarf hat Griechenland um dieses Jahr den Staatsbankrott abzuwenden? Und was kostet es uns?

Es handelt sich um etliche Milliarden. Die genaue Summe ist schwer zu beziffern und wäre ziemlich spekulativ. Allerdings halten sich die Kosten für Deutschland bislang noch in Grenzen, denn es handelt sich bei den Rettungspakten überwiegend um Bürgschaften. Das heißt, wir stehen nur dann gerade, wenn Griechenland nicht mehr in der Lage ist, seine Kredite zu bedienen. Dabei ist aber abzusehen, dass das Land nicht alle seine Schulden zurückzahlen wird – so wie bei den Privatgläubigern besteht das hohe Risiko, dass auch die öffentlichen Gläubiger irgendwann auf einen Teil ihres Geldes verzichten müssen. Und Deutschland wäre im Extremfall als größter Geldgeber mit einem dreistelligen Milliardenbetrag betroffen.

Warum besteht man in Deutschland eigentlich darauf, dass sich Griechenland kaputtspart? Eigentlich weiß man doch, dass das Land dann nicht mehr in der Lage ist, seine Schulden zu bedienen.

Zum einen ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, dass sich Griechenland selbst in diese Krise hineingeritten hat, durch Misswirtschaft, eine wenig effiziente Verwaltung und Korruption. Zum anderen sind wir mit unserer Schuldenpolitik und den strukturellen Reformen in Deutschland durchaus erfolgreich gewesen. Drittens kommt muss auch die deutsche Öffentlichkeit in Betracht gezogen werden. Wenn man hierzulande in der politischen Debatte um Hartz IV um fünf Euro streiten muss, aber gleichzeitig den Eindruck erweckt, man überweise Milliarden in ein anderes Land, ist das politisch schwer zu verkaufen. Griechenland braucht unsere Solidarität und die Untersetzung für neue Wachstumsimpulse. Aber am Anfang muss eine signifikante Reduzierung der Schulden stehen.

Interview: Lars Dittmer



Florian Baumann ist Senior Researcher am Centrum für angewandte Politikforschung (C•A•P) in München












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