HINTERGRUND: Mitläufer oder Gegner der Diktatur?

Vorwürfe wegen Rolle während Militärdiktatur

Der neue Papst steht im Verdacht, während der argentinischen Militärdiktatur mit der Regierung zusammen gearbeitet zu haben. Seine Rolle beim Verschwinden zweier Jesuitenpater bleibt ungeklärt

Nur wenige Stunden nach der Wahl des neuen Papstes Franziskus prangte ein Graffiti an einer Mauer nahe der Kathedrale von Buenos Aires: "Der Papst ist ein Freund von Videla", stand dort zu lesen. Gemeint ist General Jorge Rafael Videla, der lange Zeit an der Spitze der gefürchteten Militärjunta stand. Die Vorwürfe gegen Jorge Mario Bergoglio, der bis zu seiner Wahl zum Heiligen Vater Erzbischof der argentinischen Hauptstadt war, sind nicht neu. Sie konnten bislang nie entkräftet, aber auch nie bestätigt werden.

Vorgeworfen wird Franziskus unter anderem seine Rolle beim Verschwinden zweier Jesuitenpater während der argentinischen Militärdiktatur von 1976 bis 1983. Orlando Yorio und Francisco Jalics wurden am 23. März 1976 verhaftet, nachdem sie sich für die Opposition stark gemacht hatten. Sie landeten in der Technikschule der argentinischen Marine (ESMA), die als brutales Folterzentrum berüchtigt war. Erst nach fünf Monaten wurden sie wieder freigelassen.

Bergoglio war damals Provinzial der Jesuiten in Argentinien und damit der oberste Ordensmann in dem Land. In dieser Funktion schloss er die beiden politisch aktiven Jesuiten aus dem Orden aus - um die politische Neutralität des Ordens zu gewährleisten.

Einer der wichtigsten Ankläger des neuen Papstes ist der Autor Horacio Verbitsky: Der Autor eines Buches über die Rolle der Kirche in der Militärdiktatur sagt, fünf Zeugen könnten die Rolle Bergoglios innerhalb der Kirche bei der Unterdrückung Oppositioneller durch die Militärregierung bestätigen. Dabei gehe es auch um das Verschwinden von Priestern.

Die argentinische Justiz befragte Bergoglio 2010 im Rahmen eines Verfahrens um Verbrechen in der Zeit der Militärdiktatur als Zeuge. Der Jesuit wies Vorwürfe gegen ihn allerdings immer zurück. Im Fall der verhafteten Jesuiten habe er sich direkt bei Videla für deren Freilassung eingesetzt, sagt er. Und auch sonst habe er sich für die Opfer der Diktatur stark gemacht, gab Bergoglio in dem Buch "Der Jesuit" zu Protokoll: "Ich habe getan, was ich - angesichts meines Alters und meiner wenigen Beziehungen - tun konnte, um den Verschwundenen zu helfen."

Dieser Sichtweise folgt auch der Chef der katholischen Zeitschrift "Criterio", José Maria Poirier: "Einige Priester haben geschwiegen, andere Kirchenleute waren Komplizen. Einige Bischöfe waren Sympathisanten der Diktatur - das ist aber nicht der Fall Bergoglios, dem nichts vorgeworfen werden kann."

Während der Diktatur wurden in Argentinien nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen rund 30.000 Menschen getötet oder sie verschwanden spurlos. Die argentinische Bischofskonferenz entschuldigte sich nach der Militärherrschaft öffentlich dafür, dass sich die Kirche nicht mehr für Menschenrechte eingesetzt hatte.

Die Aufarbeitung verlief aber trotzdem schleppend. 2007 wurde erstmals ein Priester für seine Verstrickungen in Menschenrechtsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt: Der Polizeikaplan Christian von Wernich wurde der Beteiligung an sieben Morden, 31 Fällen der Folter und 42 Entführungen für schuldig befunden.