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Irland verlässt den Rettungsschirm - Aufatmen in der Eurozone

Irland ist trotz seiner Finanzprobleme ein Musterland für die Eurozone. Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Die grüne Insel im Nordwesten Europas ist ein Paradies für Angler und für Erholungssuchende, für Musikfans, für Liebhaber dunkler Stout-Biere - und für Politiker der Eurozone.

Irland stellt gerade unter Beweis, dass die Eurozone mit allen ihren finanziellen Netzen und doppelten Böden entgegen aller Gerüchte funktioniert. Irland war vor drei Jahren das erste Euro-Land, das unter den Euro-Rettungsschirm flüchtete und Notkredite in Höhe von 67,5 Milliarden Euro erhielt.

Mit fast 350 Milliarden Euro hatte es sein aufgeblähtes Bankensystem vor dem Untergang retten müssen. Mehr als jedes andere EU-Land verwendeten die Iren für Garantien, Kapitalspritzen und andere Finanzhilfen. Und jetzt sind sie die ersten, die den Rettungsschirm wieder verlassen können, um auf eigenen Beinen zu stehen.

«Irland muss funktionieren», heißt es in Diplomatenkreisen in Dublin schon seit Monaten beschwörend. Die Formel «first in, first out» bezogen auf den Rettungsschirm ist für die Euro-Länder eine Zauberformel. Am Beispiel Irland will sich die gesamte Eurozone ihrer eigenen Funktionsfähigkeit versichern.

«Irlands Ausstieg aus dem Rettungsschirm ist ein riesiger Erfolg für das Land und die Eurozone als Ganzes», sagt entsprechend Klaus Regling, der Chef des europäischen Rettungsfonds EFSF.

«Der Kombinationseffekt von Haushaltskonsolidierung, Strukturreformen und dem Reparieren des Finanzsektors hat Irland auf den Pfad nachhaltigen Wachstums, sinkender Arbeitslosigkeit und verbesserten Vertrauens der Geschäftswelt zurückgebracht», lobt Regling. Von diesem Sonntag an wird sich Irland wieder Geld auf dem freien Markt beschaffen - sämtliche Testläufe dafür verliefen positiv.

Doch der Pfad irischer Tugenden aus Sicht der Eurozone ist teuer erkauft. Irland erwies sich zwar als Musterschüler der Troika von EU, von Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank («Wir sind die Besten von den Schlechten», hieß es aus dem Finanzministerium). Doch sind längst nicht alle Probleme gelöst. Die Arbeitslosigkeit zwischen Dublin und Galway liegt noch immer bei 12,8 Prozent. Das sind mehr als zwei Prozentpunkte weniger als zu übelsten Zeiten vor einem Jahr. Die Arbeitsämter haben inzwischen 6000 jungen Iren Jobs im Ausland angeboten. Im vergangenen Jahr verließen 75 000 Iren die Insel, in den Jahren davor waren es bis zu 100 000.

Die Befürchtungen wachsen, dass in einigen Jahren ein Argument für die so wichtigen Industrieansiedlungen in Irland vom Tisch ist: ausreichend gut ausgebildetes Fachpersonal. «Die negativen sozialen und wirtschaftlichen Effekte von Auswanderung werden hier nicht ausreichend gesehen. Die Regierung sieht das nur als Möglichkeit, Geld für Sozialleistungen zu sparen und schafft politische Möglichkeiten, Leute ins Ausland zu schicken», sagte David Gibney von der Gewerkschaft Mandate der «Financial Times».

Doch Premierminister Enda Kenny und seinem Finanzminister Michael Noonan bleibt nicht viel mehr übrig, als jeden Euro zweimal umzudrehen. In unzähligen Sparrunden seit 2009 haben die Iren 28 Milliarden Euro aus ihrem Haushalt gedrückt. Allein in der jüngsten Planung für 2014 strich die Regierung noch einmal Leistungen oder erhöhte Steuern im Volumen von 2,5 Milliarden Euro.

Zum Teil war da viel Luft drin, etwa bei den Gehältern von Beamten. Zum Teil musste die Regierung auch über die Schmerzgrenze gehen, beim Arbeitslosengeld etwa oder bei Zuschüssen für Bedürftige. Im kommenden Jahr geht es erstmals Rentnern an den Kragen - Zuschüsse für die Telefonrechnung oder die Beerdigung von Verwandten werden zusammengestrichen. Jungen Arbeitslosen wird die wöchentliche Unterstützung von 144 auf 100 Euro gekürzt.

Die Kürzungen wiederum verschärfen ein weiteres Risiko für die irische Wirtschaft: Darlehensrückstände bei Privatleuten. Nach neuesten Zahlen der irischen Statistikbehörde sind die Kreditnehmer bei Darlehen von 17 Prozent der 700 000 in Irland kreditfinanzierten Wohnhäuser im Rückstand - in mehr als 80 000 Fällen über drei Monate lang. Oft müssen die Banken Rückzahlungsdauern verlängern oder auf tilgungsfreie Darlehen umstellen, damit es nicht zum Ausfall kommt.