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Kolat: Merkel nicht an NSU-Aufarbeitung interessiert

Chef der Türkischen Gemeinde fordert Rassismus-Debatte

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sieht bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kein großes Interesse an einer politischen Aufarbeitung der NSU-Mordserie. "Wir haben die Bundeskanzlerin eingeladen, sich mit einer Rede an einem Termin ihrer Wahl an die Türkische Gemeinde in Deutschland zu wenden", sagte Kolat der "Passauer Neuen Presse". Die Kanzlerin habe aber "abgelehnt und auf zeitliche Probleme verwiesen". "Da scheint das Interesse nicht sehr groß zu sein", bemängelte Kolat.

"Die Bundeskanzlerin muss das Thema jetzt endlich zur Chefsache erklären", forderte Kolat und sprach sich für eine Kabinettssitzung zum Thema Rassismus aus. Angesichts der bisher aufgedeckten eklatanten Pannen bei den NSU-Ermittlungen sagte Kolat, dass "niemand mehr daran glaubt, dass es sich hier nur um zufällige Pannen handelt". Hier würden "die Hintergründe dieser schrecklichen Morde vertuscht".

Die Türkische Gemeinde erwartet laut Kolat, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) alle Fakten auf den Tisch lege. "Ich habe nicht das Gefühl, dass Herr Friedrich alles Nötige tut, um aufzuklären. Er hat kein großes Interesse an der Aufklärung", kritisierte Kolat. Den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages lobte er hingegen für seine "hervorragende Arbeit".

Bundespräsident Joachim Gauck, der sich am Montag mit Angehörigen der Mordopfer des NSU getroffen hatte, ist nach Kolats Einschätzung "nicht die richtige Adresse", um die zahlreichen Aufklärungspannen zu kritisieren. "Die Bundesregierung ist gefordert", stellte er klar. Es reiche nicht aus, "Polizei und Geheimdienste an einigen Stellen neu zu ordnen". Bis heute hat es noch immer keine Debatte über Rassismus in Deutschland gegeben", kritisierte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde und forderte offene Worte "über dieses Phänomen in unserer Gesellschaft".

Dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) werden neun Morde an Menschen mit Migrationshintergrund sowie an einer Polizistin zur Last gelegt. Gaucks Einladung zu der Begegnung am Montag hatten mehrere Angehörige von NSU-Opfern abgelehnt und mit Kritik am Umgang mit ihnen verbunden.