Nach 35 Jahren: Mutter und Sohn finden wieder zueinander

Kathy Amaya und ihr Sohn David an seinem ersten Geburtstag. (Bild: Kathy Amaya)

Zwei Jahre war der kleine David alt, als seine Mutter Kathy Amaya ihn das letzte Mal sah. Damals wurde ihr Sohn von ihrem Ex-Mann aus den USA nach Mexiko entführt. Für die US-Polizei lag der Fall damit außerhalb ihrers Zuständigkeitsbereichs. Jahrelang sucht die Frau deshalb auf eigene Faust nach ihrem Kind, aber ohne Erfolg. Bis sich ihr Junge selbst bei ihr meldete – nach 35 Jahren. Und ihr eine traurige Geschichte erzählte.

Als Kathy Amaya aus Chicago 1977 ihren Ehemann verließ, konnte sie nicht ahnen, welch schicksalhafte Wende ihr Leben damit nehmen würde. Sie zog mit ihrem damals einjährigen Sohn zu ihrer Schwester, die in der Nähe wohnte. Der Vater des Jungen durfte das Kind regelmäßig sehen. 1978 holte er David zu einem Ausflug ab. „Das war das letzte Mal, dass ich meinen Jungen zu Gesicht bekam“, erzählte Amaya im Gespräch mit Yahoo US. Heute ist sie 60 Jahre alt, wohnt im US-Bundesstaat Wisconsin und arbeitet als Hauswirtschafterin im Holiday Inn Express in Eau Claire.

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Wenige Tage, nachdem ihr Ex-Mann mit David verschwunden war, erhielt sie einen Anruf von ihm. David solle einen Monat lang bei seinen Großeltern in Mexiko leben. Danach würde der Vater den Jungen zurück bringen, so das Versprechen. Er hielt sich nicht daran, brach den Kontakt zu seiner Ex-Frau ab. „Die Polizei konnte nichts tun, da der Fall außerhalb ihres Zuständigkeitsbereich lag“, fasst Amaya zusammen. „Es war unerhört.“ Sie versuchte, ihr Leben weiterzuführen, bekam vier weitere Kinder, später verlobte sie sich. In den vergangenen Jahren begann Amaya, im Internet nach David zu suchen.

Am 31. Oktober diesen Jahres endlich ein Funken Hoffnung: Ein Mitarbeiter der Grenzpolizei im kalifornischen San Diego hatte ihr eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Kathy Amaya: „Ein Mann sagte, er müsse ein paar Informationen über David Amaya überprüfen.“ Dieser sei mit weiteren Personen beim Überqueren der Grenze zwischen Mexiko und USA ohne Papiere erwischt worden. Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem Mann tatsächlich um David handelte. Die Behörden ermittelten Geburtsdatum und -ort: Der Mann war 1976 in Chicago zur Welt gekommen. „Am Telefon war ich noch ruhig“, erinnerte sich Davids Mutter an den Moment, als ihr die Nachricht übermittelt wurde. „Aber nachdem ich aufgelegt hatte, brach ich in Tränen aus.“ Schon einen Tag später telefonierte sie mit ihrem Sohn. „Er konnte kein Englisch, nur Spanisch.“ Mit Hilfe eines Übersetzers verständigten sie sich.

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Sie erfuhr, dass ihr Sohn bei einem Autounfall auf einem Auge erblindete und selbst Vater von zwei Kindern im Alter von vier und neun Jahren ist. Und dass sie nicht nur ein trauriges Schicksal miteinander verbindet: Auch Davids Ex-Frau habe seine Kinder vor drei Jahren entführt, erzählte er ihr. Seitdem habe er sie nicht mehr gesehen.

Immerhin soll es bald ein Wiedersehen zwischen Mutter und Sohn geben. Momentan befindet sich David immer noch in San Diego. Spenden sollen ihm demnächst den Kauf eines Flugtickets nach Wisconsin zu seiner Mutter ermöglichen. „Letztens sagte er mir: ‚Mach dir keine Sorgen, Mutter. Wir haben keine gemeinsame Vergangenheit, aber wir haben eine gemeinsame Zukunft.“

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