Nach 54 Jahren: Polizei fasst mutmaßlichen Mädchenmörder

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist es her, dass die siebenjährige Maria Ridulph vermisst gemeldet wurde. Am 26. April 1958, fast fünf Monate nach ihrem Verschwinden, wurde die Leiche des Mädchens entdeckt. Vom Mörder jedoch fehlte jede Spur – bis jetzt. Ein unbenutztes Zugticket machte das Alibi eines einstigen Tatverdächtigen zunichte. Dem mutmaßlichen, heute 71-jährigen Täter steht nun ein Prozess bevor.

Maria Ridulph (Screenshot Youtube)
Maria Ridulph (Screenshot Youtube)

Charles Ridulph, der Bruder der am 3. Dezember 1957 verschwundenen Maria, war baff, als er hörte, dass die Polizei endlich den mutmaßlichen Mörder seiner kleinen Schwester ausfindig gemacht hatte: „Ich kann einfach nicht glauben, dass sie nach all diesen Jahren den Kerl finden konnten“, erzählte er gegenüber der Agentur „The Associated Press“ (AP). Bis heute konnte er nicht überwinden, dass seine Schwester einem Mord zum Opfer gefallen ist: „Es ist in all meinen Gedanken, sogar in meinen Träumen“, so Ridulph weiter. „Es ist, also ob es erst gestern gewesen ist. Immer wieder kommt es in Gesprächen hoch.“

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An dem schicksalhaften Tag im Dezember vor mehr als einem halben Jahrhundert war die kleine Maria in Sycamore, Illinois, mit ihrer Freundin Kathy Chapman, damals acht Jahre alt, verabredet. Beim Spielen im Freien verwickelte ein junger Mann, der sich „Johnny“ nannte, die beiden Mädchen in ein Gespräch, nahm sie Huckepack. Zwischendurch ging Kathy nach Hause, um sich Handschuhe zu holen. Als sie zurückkam, war Maria verschwunden – und mit ihr der seltsame Fremde.

Charles Ridulph, der Bruder der Getöteten. (Bild: AP)
Charles Ridulph, der Bruder der Getöteten. (Bild: AP)

Bis zu 1.000 Polizisten suchten nach dem Kind, zunächst vergebens. Erst am 28. April 1958 fand ein Paar beim Pilze sammeln im Wald im Nordwesten von Illinois die Leiche der Kleinen. „Normalität ist nie wieder eingekehrt“, so Chapman, die Maria Ridulph als ihre damals beste Freundin beschreibt, gegenüber AP. „Es war immer ein Kampf. Ich hatte danach keine normale Kindheit mehr.“

Fieberhaft suchte die Polizei nach dem Täter. Auch ein junger Mann aus der Nachbarschaft Marias, John Tessier, geriet damals unter Verdacht. Doch der 18-Jährige hatte ein Alibi. Er behauptete, an dem Tag, als das Mädchen verschwunden war, mit dem Zug auf dem Weg von Rockford nach Chicago gewesen zu sein. Im vergangenen Jahr jedoch fand die Polizei heraus, dass dem nicht so war.

Sie hatten seine Freundin aus dem Jahr 1957 gebeten, persönliche Gegenstände aus der damaligen Zeit durchzusehen. Dabei stieß die Dame auf einen ungelösten Fahrschein – das Alibi von John Tessier, der sich inzwischen Daniel McCullough nannte und eine Karriere beim Militär und Polizist gemacht hatte, war geplatzt. „Danach fanden wir ein Dutzend Fakten, die uns halfen, den Fall zu rekonstruieren“, so der Polizeichef der Stadt, Don Thomas, laut AP.

Die Beamten zeigten Kathy Chapman ein Foto des jungen Mannes – etwas, was sie vor über 50 Jahren versäumt hatten. Sie konnte ihn als „Johnny“, den Mann, der am 3. Dezember 1957 den Kontakt zu den Mädchen ge

Bild: AP
Bild: AP

sucht hatte, identifizieren.

Am vergangenen Mittwoch wurde der Mann von der Polizei verhört. Mittlerweile wurde gegen Daniel McCullough Anklage wegen Mordes an Maria Ridulph erhoben. Für ihren Bruder Charles Ridulph nur ein schwacher Trost. Er glaubt nicht, dass eine Verurteilung ihm oder auch der Stadt dabei helfen wird, mit dem Fall abzuschließen. „Es ist die allgemeine Ansicht, dass es Gerechtigkeit gibt und damit den Abschluss“, so der heute 65-Jährige. „Aber die Leute, die das durchmachen, haben wir für immer damit zu kämpfen.“