"Pro NRW" will Muslime vor Moscheen provozieren

Islamfeindliche Demonstration der rechtsextremen Pro-NRW-Bewegung mit Plakaten vor der Fatih-Moschee in Mülheim/Ruhr am 26.03.2010. Die selbst ernannte Bürgerbewegung fordert ein Minarettverbot in Deutschland. Foto: Revierfoto

Gefährliche Eskalation im nordrhein-westfälischen Wahlkampf: Die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische eingestufte Partei "Pro NRW" will Mohammed-Karikaturen vor Moscheen ausstellen.

Sie geben sich gutbürgerlich, nennen sich selbst "Bürgerbewegung". Der Verfassungsschutz allerdings stuft sie als ausländerfeindliche Extremisten ein: die Partei "Pro NRW".

Deren Wahlprogramm ist im Kern der Kampf gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands – und damit der Kampf gegen Moscheen, Minarette, Kopftücher. Aus Sicht des Verfassungsschutzes, der die Partei beobachtet, gilt die 250 Mitglieder starke Truppe als "rechtsextremistisch" und "ausländerfeindlich".

Hinter der gutbürgerlichen Fassade, so heißt es in Sicherheitskreisen, steckten extremistische Islam-Hasser mit einer verfassungsfeindlichen Agenda. Nicht selten seien bekennende Neonazis Anhänger der umstrittenen Partei.

Nun tritt Pro NRW zum zweiten Mal nach 2007 bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an. Seit diesem Wochenende läuft auch die Wahlkampfaktion "Freiheit statt Islam" mit dem von "Pro NRW" initiierten Karikaturen-Wettbewerb, der deutschen Sicherheitsbehörden und lokalen Polizeiämtern Kopfzerbrechen bereitet.

Etwa 100 islamkritische Zeichnungen sollen in der kommenden Woche vor nordrhein-westfälischen Moscheen ausgestellt werden. Politische Beobachter sprechen vom verzweifelten Ruf nach Aufmerksamkeit einer Rechtsaußen-Partei. Der Verfassungsschutz warnt vor einem Spiel mit dem Feuer.

Auch Innenminister Hans-Peter Friedrich ist alarmiert. Der CSU-Politiker befürchtet handfeste Auseinandersetzungen zwischen Salafisten und Rechtspopulisten. Die kalkulierten Provokationen heizten das Klima in dem Bundesland auf, sagte Friedrich vor Parlamentariern.

Friedrichs Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche habe in den vergangenen Tagen mehrmals mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung telefoniert, um die Lage zu entschärfen, heißt es im "Spiegel". Mit dem sogenannten Karikaturen-Wettbewerb sollten laut NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) gezielt Muslime provoziert werden.

Die Sicherheitsbehörden seien auch deshalb besorgt, weil salafistische Gruppen ebenfalls Interesse an einer Konfrontation haben könnten. Nach Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden könnten von möglichen gewaltsamen Auseinandersetzungen auch deutsche Botschaften und Firmen im Ausland betroffen sein, ähnlich wie vor Jahren in Dänemark, heißt es in dem Bericht weiter.

Nach der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen in der dänischen Tageszeitung "Jyllands Posten" im Jahr 2005 hatten aufgebrachte Demonstranten in muslimischen Ländern vor dänischen Botschaften protestiert und Fahnen verbrannt.

Es gab zahllose Tote und Verletzte, europäische Botschaften in muslimischen Ländern brannten, Terrorgruppen setzten Kopfgelder auf den dänischen Karikaturisten aus und dänische Produkte wurden in der arabischen Welt boykottiert. Eine Glaubensgemeinschaft in Aufruf.

Droht nun mit dem Provinz-Wahlkampf der nordrhein-westfälischen Rechten ein ähnliches Szenario? Islam-Karikaturen, diesmal aus Deutschland, könnten erneut gewalttätige Proteste auf der ganzen Welt auslösen.

Deutschland könnte zum Ziel von islamistischen Terroranschlägen werden. In Deutschland lebende radikalisierte Einzeltäter könnten sich bestärkt fühlen, Attentate zu begehen.

Erst in den vergangenen Wochen hatte die umstrittene Koran-Verteilungsaktion salafistischer Muslime die Stimmung angeheizt. Nun droht eine neue Eskalation.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger findet deutlichere Worte gegen die Provokateure. "Pro NRW betreibt geistige Brandstiftung. Die Partei nimmt dabei bewusst in Kauf, dass sich Muslime provoziert und verunsichert fühlen", so Jäger. "Die Versammlungsbehörden werden ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um eine ausländerfeindliche Hetze zu unterbinden", sagt der Innenminister.

Lars Seidensticker, der Kampagnen-Chef von "Pro NRW", will die Aufregung nicht verstehen. "Pro-NRW" suche Möglichkeiten sich im Rahmen des Wahlkampfes mit der Islamisierung auseinander zu setzen. Karikaturen seien ein Weg, sagt er. Für mögliche Gewaltakte von Seiten der Muslime trage seine Partei keine Verantwortung.

"Wenn die Lage so angespannt ist, dass man eine solche Aktion gegen islamistische Strömungen nicht mehr machen kann, dann sind die Politiker dafür verantwortlich, die Deutschland abschaffen", zitiert Kampagnen-Chef Seidensticker den Buchtitel von Thilo Sarrazins Bestseller.

Die Anhänger von "Pro NRW" seien doch die letzten Verteidiger des christlichen Abendlandes gegen muslimische Überfremdung, so Seidensticker: "Wir leben hier nicht im Gaza-Streifen, sondern in Deutschland. Ich komme mir in manchen Stadtteilen vor, wie ein Fremder im eigenen Land."

Drei Moscheen pro Tag, insgesamt 25 Moscheen, wollen die Aktivisten ansteuern. Betroffen sind Köln, Bonn, Düsseldorf, Aachen, Wuppertal und Solingen.

Am Samstag zeigte "Pro NRW" die Karikaturen in Essen und Gelsenkirchen. Die Polizei hatte dafür gesorgt, dass die Aktionen nicht direkt neben Moscheen stattfanden. Außerdem durften die dänischen Karikaturen, die 2005 zu Protesten in der islamischen Welt geführt hatten, nicht gezeigt werden. "Alle Demokraten sind sich einig: Ausländerfeindliche Hetze hat bei uns keinen Platz", sagte Jäger und würdigte friedliche Gegendemonstrationen.

Nicht überall wird es friedlich bleiben, glauben Beobachter. Gerade in Solingen, wo sich eine radikale Islamisten-Gemeinde in einer Hinterhof-Moschee etabliert hat, drohen gewalttätige Auseinandersetzungen.

Genau dorthin, sagt Kampagnen-Chef Seidensticker, müsse man den Protest tragen. "Moscheen sind nun mal potentielle Zentren eines neuen, zu verhindernden Bürgerkrieges", sagt er. "Daher müssen wir das islamistische Übel bei der Wurzel packen." Wie das mit dem Ausstellen bewusst provozierender Karikaturen erreicht werden soll, bleibt fraglich.

Der Parteivorstand von "Pro NRW" will die "besten" Karikaturen mit Geldpreisen prämieren. Dem Macher der "mutigsten islamkritischen Karikatur" winkt die Auszeichnung mit dem "Kurt Westergaard-Ehrenpreis", erklären die Islam-Hasser stolz im Internet.

Kurt Westergaard, das ist jener dänische Karikaturist, dessen Werke im Jahr 2005 weltweit Protestwellen in muslimischen Ländern ausgelöst hatten. Der Künstler allerdings will mit der "Pro-NRW"-Aktion nichts zu tun haben.

Er sei über den Wettbewerb der deutschen Islam-Hasser nicht informiert worden und behalte sich sogar rechtliche Schritte gegen die Verwendung seines Namens vor, heißt es.

Mit AFP/dpa