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"Rübels Übeltäter": Warum Günther Jauch sich schämen sollte


Längst ist heraus: Den Stinkefinger von Griechenlands Finanzminister hat die Jauch-Redaktion aus dem Zusammenhang gerissen. Der Moderator aber schweigt zu seinen Fehlern – wie die große Mehrheit der deutschen Medien.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Von Günther Jauch hört man viel in diesen Tagen. In der „Bunten“ outet er sich als Weinkenner, bei der Quizsendung „Wer wird Millionär“ seufzt er laut über begriffsstutzige Kandidaten. Über das Wichtigste aber schweigt er, als sei er Angela Merkel: über seine schweren journalistischen Fehler, als er vor knapp zwei Wochen in seiner Sendung „Günther Jauch“ Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis interviewte.

In aller Kürze: Jauch hatte einen Videoausschnitt eingespielt, in dem Varoufakis über Deutschland sprach und den Stinkefinger zeigte. Wie das zu verstehen sei, wollte Jauch wissen. Nur klein und nebenbei wurde dabei registriert, dass die Aufnahme alt war, aus dem Jahr 2013, als Varoufakis noch kein Minister war. Schlimmer noch aber war, dass der Film von der Redaktion aus dem Zusammenhang gerissen worden war; womöglich hatten die Redakteure nicht die gesamte Dreiviertelstunde des Films gesehen. Wer dies tut, versteht: Varoufakis bezog sich 2013 auf eine Situation im Jahr 2010 – als er dafür geworben hatte, dass Griechenland seine Zahlungsunfähigkeit erklärt. Mit der beleidigenden Geste drückte er nicht seine Meinung zu Deutschland aus, sondern sinnierte über die Option einer Staatsinsolvenz – um dann zu begründen, warum er Deutschland nicht den Stinkefinger zeigen würde, also nicht für den Euro-Austritt werbe.

Das alles ist nachvollziehbar, sollte es sein. Dass Varoufakis bei „Günther Jauch“ dann selbst nicht auf falschen Zusammenhang hinwies, sondern behauptete, der Film sei manipuliert, verwirrte dann. Technische Manipulationen sind nicht erkennbar, wohl aber inhaltliche durch Jauchs Redaktion – ob bewusst oder unbewusst, muss sie selbst erklären.

Auch ich habe in einem Kommentar über die Sendung schlecht recherchiert. Ich hatte mich auf den Stinkefinger gestürzt, und auf die Frage: Ist der echt oder nicht? Ich war davon ausgegangen, dass Varoufakis Deutschland den Stinkefinger gezeigt habe. Auch ich habe den Filmmitschnitt seiner Rede von 2013 nicht ganz gesehen. Nachher ist man schlauer.

Vom „Stinkefinger“ will jetzt niemand mehr etwas wissen

Jan Rübel ist Partner der renommierten Reportageagentur Zeitenspiegel und politischer Korrespondent von Yahoo in Berlin. In seiner Kolumne Rübels Übeltäter geigt er jede Woche politischen Wichtigtuern oder unseriösen Firmenbossen gehörig die Meinung.
Jan Rübel ist Partner der renommierten Reportageagentur Zeitenspiegel und politischer Korrespondent von Yahoo in Berlin. In seiner Kolumne Rübels Übeltäter geigt er jede Woche politischen Wichtigtuern oder unseriösen Firmenbossen gehörig die Meinung.

Mittlerweile hat die schweizerische „Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ Jauchs Entlassung gefordert, er habe gegen „fundamentale journalistische Standards verstoßen“. Doch der Moderator schweigt – und mit ihm die große Mehrheit der Medien, welche die Kritik kaum aufnahmen oder die Rücktrittsforderung kommentierten. Es ist faszinierend, wie schnell und rasant die „Stinkefinger-Debatte“ in Deutschland aufkam und die Leute aufwühlte – und wie ebenso rasch sie wieder verschwand.

Jauch sollte den Mumm haben, sich zu seinen Fehlern zu bekennen. Ein „Sorry“ würde reichen. Was bisher bleibt: ein missglückter Versuch, sich als Tribun eines angeblich beleidigten Volkes aufzuspielen. Die Zeit hätte Jauch in der Sendung besser genutzt, um bei Varoufakis hartnäckiger nach seinen Reformplänen nachzufragen. So hat er in einer Zeit, in der Klischees das deutsch-griechische Verhältnis prägen, nur Öl ins Feuer gegossen; mehr Kampagne als Aufklärung geleistet.

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