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Report: Ein Hauch des Kalten Krieges in Genf

Schweizer Polizei vor dem Hotel Intercontinental in Genf. Foto: Martial Trezzini

Nur wenige Beobachter wollten dem Genfer Ukraine-Gipfel größere Erfolgschancen einräumen. Doch nach zähen Verhandlungen gab es den ersten gemeinsamen Friedensfahrplan - und damit wohl eine kleine Sensation.

Kaum ein anderes Hotel war so oft Schauplatz von Krisentreffen wie das Genfer Intercontinental. Als es 1949 unweit des alten Völkerbundpalastes eröffnet wurde, war der Kalte Krieg in vollem Gange. «Das haben wohl alle als Warnung verstanden», sagt ein westlicher Diplomat sichtlich zufrieden nach dem mehr als siebenstündigen Ukraine-Tauziehen. «Wenn es hier keine Einigung gegeben hätte, wäre die Rückkehr des Kalten Krieges möglich geworden - wir haben seinen Hauch schon gespürt.»

Das war am Morgen, als «Mr. Njet», der russische Außenminister Sergej Lawrow sich wieder einmal grimmig gab und kaum zu Kompromissen bereit schien. Stunden später, in Genf wurde noch hart verhandelt, trat in Moskau Russlands Präsident Wladimir Putin im Fernsehen auf. Mit einer Botschaft, die aufhorchen ließ: Weder Panzer noch Kampfflugzeuge könnten den Ukraine-Konflikt lösen.

Und plötzlich war in den Genfer Hotelkorridoren Bewegung zu spüren. Angekündigte Abschluss-Pressekonferenzen Russlands sowie der USA und der EU wurden auf den Abend verschoben. Diplomaten munkelten etwas von «neuen Entwicklungen». Die Außenminister der USA, Russlands, der Ukraine und die EU-Außenbeauftragte «setzen ihre bilateralen Konsultationen mit dem Ziel eines grundsätzlich wichtigen Dokuments fort», sagte eine russische Delegationssprecherin. «Sie kommen danach erneut in der Vierer-Runde zusammen.»

Was dabei herauskam, war dann doch mehr als die meisten Beobachter von dem Genfer Treffen erwartet hatten. «Das ist hier schon eine kleine Sensation», berichteten Korrespondenten gleich mehrerer Fernsehsender übereinstimmend nach Hause.

Gern schmückt sich Genf - angesichts der vielen dort ansässigen internationalen Organisationen - mit dem Titel «Stadt des Friedens». Oft genug leider zu Unrecht - man denke an die vergebliche Suche nach einer politischen Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien. Doch für die Ukraine scheint nun, rechtzeitig zum Osterfest, zumindest eine Tür zum Frieden aufgestoßen worden zu sein.

Wenn der Ukraine-Plan von der Entwaffnung der prorussischen Separatisten bis hin zur vollen Respektierung der Interessen und Rechte der ethnisch russischen Bevölkerung im Osten des Landes umgesetzt wird, könnte der wohl gefährlichste Ost-West-Konflikt seit dem Ende des Kalten Krieges als überwunden gelten - abgesehen freilich von der für den Westen nicht gelösten Frage der Annexion der Krim.

Denkbar wäre später, sagte US-Außenminister John Kerry auf Anfrage, dass Moskau seine Truppen von der ukrainischen Grenze abzieht und in die Kasernen zurückkehren lässt. Dafür würden die USA nach seinen Worten Sanktionen gegen russische Persönlichkeiten aufheben.

Schon einmal hatten Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow bewiesen, dass sie in der Lage sind, Kompromisse zu finden und dafür auch das grüne Licht ihrer jeweiligen Dienstherren zu bekommen. Im September 2013 einigten sich die beiden nach ebenfalls zähen Verhandlungen im Genfer Intercontinental auf den Plan zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen.

Beide fanden danach nette Worte füreinander. «John ist mein Freund», sagte Lawrow. Und der Amerikaner lobte, ohne «Sergejs harte Arbeit» wäre man nicht so rasch zu einer Einigung gekommen. Dass die Chemie zwischen den beiden Chefdiplomaten stimmt, dürfte auch diesmal nicht die kleinste Rolle gespielt haben.