Schweizer im Kaufrausch: Zoll stempelt 35.000 Kassenzettel am Tag

Seit der Euro zum Franken so stark gesunken ist, kommen die Schweizer noch lieber zum Einkaufen nach Deutschland. Für den deutschen Zoll bedeutet das Extraarbeit. Hundert Mitarbeiter stempeln täglich Kassenzettel. Immer mehr Schweizer werden von den Grenzbeamten beim Schmuggeln erwischt.

Die kauflustigen Schweizer machen dem deutschen Zoll viel Arbeit (Foto: Thinkstock)
Die kauflustigen Schweizer machen dem deutschen Zoll viel Arbeit (Foto: Thinkstock)

An einem Samstagnachmittag in Konstanz kommt eine Schweizerin mit ihrem Mann aus dem Kaufhaus Karstadt und sagt etwas genervt: „Heute sind aber viele Deutsche unterwegs.“ Das klingt wie ein Witz, ist aber keiner. Seit die Nationalbank in Bern im Januar dieses Jahres die Kursbindung aufgehoben hat, und der Euro gegenüber dem Schweizer Franken so stark gesunken ist, gehen die Schweizer noch lieber in Deutschland einkaufen. Sie fahren zum regelrechten „Powershoppen“ über die Grenze.

Auf deutscher Seite vermehren sich die Kaufhäuser im Grenzgebiet, während auf der schweizerischen Seite immer mehr Geschäfte schließen. Das Einkaufszentrum Lago in Konstanz verdankt seinen Umsatz zu 70 Prozent den Kunden aus dem Nachbarland. In der Tiefgarage sieht man hauptsächlich Schweizer Nummernschilder. Kein Wunder: Als Schweizer darf man für bis zu 300 Euro am Tag zollfrei einkaufen – und zahlt noch nicht einmal die deutsche Mehrwertsteuer.

Fast eine Million Kassenzettel stempeln die Beamten pro Monat

Damit das funktioniert, müssen die Schweizer sich am deutschen Grenzschalter ihre Belege abstempeln lassen. Im Laden bekommen sie das Geld dann zurück. Bei der Masse an Einkaufstouristen kommen da einige Kassenzettel zusammen. Fast eine Million stempeln die Grenzbeamten pro Monat allein beim Zuständigkeitsbereich des Hauptzollamtes Singen, der von Singen bis nach Bad Säckingen reicht, schätzt ein Sprecher. 35.000 Zettel stempeln die Mitarbeiter pro Werktag, etwa einhundert Beamte machen nichts anderes. In der Adventszeit wird sogar noch Personal aufgestockt. In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der abzustempelnden Zettel fast verzehnfacht.

Doch es werden nicht nur mehr Zettelstempler – sondern auch mehr Nicht-Stempler. Da sich der Einkauf in Deutschland bei Fleisch besonders lohnt, verzichtet der ein oder andere Käufer ganz auf den Zettelkram und schmuggelt die Ware über die Grenze. In der Schweiz zahlt man oft den dreifachen Fleischkilopreis wie in Deutschland. Das verleitete schon so manchen: Im Juli wollten beispielsweise drei Türken aus dem Aargau 610 Kilogramm Fleisch für eine Beerdigung über die Grenze mogeln. Zwei Wochen vorher versuchte es ein Schmuggler im Kanton Zürich mit einer ganzen Tonne Lammfleisch. In Schweizer Polizeiberichten und Zeitungen sind viele solche Nachrichten.

In den Grenzregionen um die Kantone Zürich, Schaffhausen, Thurgau, Zug, Schwyz und Uri erwischte der Zoll im vergangenen Jahr mehr als doppelt so viele Schmuggler mit mehr als zehn Kilogramm Fleisch als im Jahr davor. Ihnen wird nicht nur die Ware abgenommen, sondern sie müssen auch eine saftige Strafe zahlen. Drei bis zehn Kilo zu viel kosten mehrere hundert Franken. Deutlich mehr musste neulich ein Pfarrer bezahlen, den die Kontrolleure im Kanton Genf mit 30 Kilo Fleisch erwischten, die er für eine Grillveranstaltung der Kirche im Kofferraum hatte.