Westerwelle kritisiert Platzvergabe im NSU-Prozess

Fehlen ausländischer Medien "problematisch"

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) schaltet sich in den Streit über die Platzvergabe für Medien im NSU-Prozess ein. Es sei "problematisch", wenn eine mutmaßliche Terrorgruppe "über Jahre in Deutschland morden kann und es dann beim Prozess ausreichen soll, dass nationale Medien, nicht aber Vertreter der internationalen Öffentlichkeit ausreichend Zugang zur Verhandlung haben", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Im Streit um die Platzvergabe zog unterdessen auch ein deutscher Journalist vor das Bundesverfassungsgericht.

Die Klage auf Aufhebung des Vergabeverfahrens sei dem Gericht am Dienstagnachmittag zugestellt worden, teilte der Journalist Ulf Stuberger in Karlsruhe mit. Zuvor hatte bereits die türkische Zeitung "Sabah" per Eilantrag Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Stuberger, der das "Pressebüro Karlsruhe" vertritt, klagt vor allem, weil sein Pressebüro einen angemeldeten aber erkrankten Journalisten nicht durch einen Kollegen ersetzen darf. Zudem sei das Akkreditierungsverfahren nicht transparent gewesen. Das Vorgehen des Gerichts verstoße gegen die freie Berufsausübung, die auch vom Grundsatz der Pressefreiheit garantiert werde.

Der Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) beginnt am 17. April vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG). Dem NSU werden Morde an neun Menschen mit türkischen und griechischen Wurzeln und einer deutschen Polizistin zur Last gelegt, außerdem zwei Bombenanschläge und eine Serie von Banküberfällen. Das OLG hatte die Presseplätze nach der Reihenfolge des Eingangs der Anträge vergeben. Dabei gingen die meisten internationalen und alle türkischen Medien leer aus.

Das Gericht lehnte auch eine Videoübertragung in einen anderen Gerichtssaal wiederholt ab und begründete dies mit den bestehende Rechtsvorschriften. Andere Rechtsexperten halten eine solche Übertragung allerdings für zulässig. Der Ex-Verfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz mahnte eine Videoübertragung für Journalisten in einen zweiten Saal an. Reiche der Platz im Gerichtssaal nicht aus, sei eine Übertragung "in einen zweiten hinlänglich großen Raum unumgängliche richterliche Pflicht", sagte er der "Süddeutschen Zeitung".

Unterdessen schalteten sich einen Bericht zufolge auch Oppositionspolitiker in den Streit um die Akkreditierungspraxis des Münchner Gerichts ein. Laut einem Bericht der "Hamburger Morgenpost" verfassten die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz, die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen und der Grünen-Parlamentarier Memet Kilic einen "öffentlichen Appell". Damit soll das Gericht durch Abgeordnete aller Fraktionen zum Einlenken bei der Zulassung von ausländischen Medien aufgefordert werden.

Kritik an dem Aufruf gibt es dem Bericht zufolge vor allem in Union und FDP, die demnach eine Einflussnahme auf die Unabhängigkeit der Justiz fürchten. Der FDP-Abgeordnete Patrick Kurth warnte in der Zeitung "eindringlich davor, weiter Druck auf das Gericht auszuüben".

Drei hochrangige Parlamentarier aus der Türkei wollen das Verfahren auch ohne Platzreservierung besuchen. Wie aus Kreisen des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament verlautete, will der Ausschussvorsitzende Ayhan Sefer Üstün mit zwei Kollegen am 14. April nach Deutschland reisen. Da das OLG eine Platzreservierung für Vertreter der Türkei abgelehnt habe, wollten die Abgeordneten versuchen, "als Normalbürger" in den Saal zu kommen. Sollten die türkischen Politiker am ersten Prozesstag keinen Platz bekommen, "werden sie vor der Tür warten, bis die Verhandlung zu Ende ist", hieß es in Ankara.