Therapieempfehlungen für Arthritis

Seit September 2012 gibt für den Rheumatologen eine S1-Leitlinie zur Behandlung der Rheumatoiden Arthritis (RA) - siehe Zeitschrift für Rheumatologie (2012, Band 71, Seite 592-603). Mehr dazu berichtete Prof. Klaus Krüger, niedergelassener Rheumatologe in München und Mitglied der Leitlinien-Expertenkommission, anlässlich eines Presseworkshops Anfang Dezember in Frankfurt. Zusammenfassend sollen die Empfehlungen eine moderne, evidenzbasierte Therapie mit frühem Zugang zu Biologika für Patienten mit hoher Krankheitsaktivität und schlechter Prognose gewährleisten. Als Firstline-Biologikum empfohlen werden alternativ TNF-Inhibitoren, Abatacept oder Tocilizumab plus Methotrexat. Tocilizumab ist das Biologikum der ersten Wahl, wenn eine Biologika-Therapie neu begonnen wird und MTX nicht zum Einsatz kommen kann, d.h. eine Monotherapie erforderlich ist. „In den letzten 20 Jahren hat sich die RA-Therapie enorm verändert. Durch frühzeitige Therapie und bei gutem Ansprechen des Patienten sehen Rheumatologen wesentlich weniger zerstörte Gelenke, als das früher der Fall war", so Krüger. „Nicht bei allen Patienten kann allerdings mit den klassischen DMARDs allein eine adäquate Besserung erzielt werden. Diese Patienten profitieren von einem Wechsel auf ein Biologikum", so Krüger. Tocilizumab wird in der neuen S1-Leitlinie neben den TNF-alpha-Hemmern und Abatacept erstmalig den Firstline-Biologika zugeordnet. Damit können Patienten Tocilizumab ebenso wie die genannten anderen Substanzen direkt nach unzureichendem Ansprechen auf mindestens zwei DMARDs erhalten. Wenn MTX nicht gegeben werden kann - beispielsweise wegen Magen-Darm-Beschwerden (gastrointestinaler Unverträglichkeiten) oder Kontraindikationen wie Leberschädigung oder Niereninsuffizienz -, ist Tocilizumab auch als Monotherapeutikum einsetzbar: „Nach aktueller Studienlage dürfte Tocilizumab innerhalb der Gruppe der zur Monotherapie zugelassenen Biologika bei Neubeginn einer Biologika-Therapie die beste Wirksamkeit haben", begründete Krüger die Entscheidung des Expertengremiums. 12 Empfehlungen für ein sequenzielles Vorgehen bei Rheumatoider Arthritis 1. Sobald die Diagnose einer RA gestellt ist, sollte eine Therapie mit klassischen DMARDs begonnen werden. Auch bei Verdachtsfällen kann der Beginn schon sinnvoll sein. 2. Das Ziel einer Remission bzw. niedrigen Krankheitsaktivität sollte so schnell wie möglich erreicht werden. Eine Anpassung der Therapie ist erforderlich, solange dieses Ziel nicht erreicht ist. Hierzu ist eine engmaschige Kontrolle erforderlich. 3. Bei aktiver RA sollte MTX als erstes DMARD eingesetzt werden. Dabei sollen Dosierung und die Option einer parenteralen Gabe ausgereizt werden. In begründeten Ausnahmefällen kann mit TNF-Blocker plus MTX begonnen werden. 4. Falls Methotrexat als primäres DMARD nicht geeignet ist, sollte die Therapie mit einem anderen klassischen DMARD, z.B. Leflunomid oder Sulfasalazin, begonnen werden. 5. Ein Vorteil für eine initiale Kombinationstherapie mit klassischen DMARDs ist für Patienten mit aktiver RA nicht belegt. Die Evidenz für eine DMARD-Kombi-Starttherapie ist gering und würde für mindestens ein Drittel der Patienten Übertherapie bedeuten. 6. Glukokortikoide sollten initial in niedriger bis mittelhoher Dosierung als Ergänzung zu klassischen DMARDs verabreicht werden. Das COBRA-Schema (Combination therapy in early rheumatoid arthritis: Startdosis von 60 mg/d wird im Verlauf von 26 Wochen ausgeschlichen) ist dabei eine gute Alternative zum so genannten Low-dose-Beginn. Die Langzeit-Toxizität muss allerdings im Auge behalten werden. 7. Nur wenn trotz optimierter Monotherapie mit einem klassischen DMARD das Therapieziel nicht erreicht wird, sollte eine Kombination mehrerer DMARDs eingesetzt werden. Liegt eine hohe Krankheitsaktivität - insbesondere in Verbindung mit ungünstigen Prognosefaktoren - vor, sollte die Kombination eines DMARDs mit einem Biologikum erwogen werden. 8. Nach unzureichendem Ansprechen auf zwei klassische DMARDs (als Monotherapie oder in Kombination) wird eine Biologikatherapie empfohlen. 9. Patienten mit aktiver RA, bei denen das erste Biologikum ein TNF-Hemmer ist, können bei ungenügendem Ansprechen sowohl auf einen zweiten TNF-Hemmer als auch auf Abatacept, Rituximab oder Tocilizumab wechseln. 10. Bei therapierefraktärer RA oder Kontraindikationen gegen die oben erwähnten klassischen DMARDs oder Biologika kann der Einsatz weiterer DMARDs und immunmodulierender Therapieverfahren erwogen werden. 11. Bei anhaltender Remission sollte in einer gemeinsamen Entscheidung von Patient und Arzt die schrittweise Reduktion der DMARD-Therapie erwogen werden. 12. Die individuelle Therapiestrategie sollte neben der Krankheitsaktivität auch weitere Faktoren berücksichtigen wie das Fortschreiten von Gelenkschäden (radiologische Progression), Begleiterkrankungen, Sicherheitsaspekte sowie Teilhabe (z.B. Erhalt der Arbeitsfähigkeit, kein sozialer Rückzug). Vorrangig ist Erreichen der Remission oder der möglichst niedrigen Krankheitsaktivität Registerdaten zeigen, dass etwa 30% der Biologika-Patienten ihre Therapie ohne begleitendes DMARD erhalten, so Dr. Brigitte Krummel-Lorenz aus Frankfurt, die eine Patientin vorstellte, die nach jahrelanger RA-Erkrankung mit vielen Krankheitsschüben Tocilizumab in Monotherapie einnimmt und nun wieder reisen und aktiv sein kann, ohne Angst vor plötzlicher Immobilität und Schmerzen haben zu müssen. Die Frage von Dr. Krummel-Lorenz, „Jetzt haben Sie also das Gefühl, auch im Haushalt wieder alles machen zu können?", beantwortete die Patientin mit „Ja - wenn ich möchte, ja!" „Die S1-Leitlinie ist ein Therapie-Fahrplan für die rheumatologischen Fachärzte in der Praxis", schloss Krüger. „Mithilfe des Therapiealgorithmus kann die Behandlung frühzeitig auf das individuelle Krankheitsbild jedes Patienten angepasst werden. Vorrangig ist dabei das Erreichen der Remission oder einer möglichst niedrigen Krankheitsaktivität." Quelle: Presseworkshop „Aktuelle S1-Leitlinie", Frankfurt, 6. Dezember 2012