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Wer kontrolliert eigentlich wen? Der Verfassungsschutz geht zu weit (nach links)

Kommentar

Der Verfassungsschutz beobachtet 27 Abgeordnete der Linken. Wie der Chef des niedersächsischen Verfassungsschutzes Hans-Werner Wargel einräumt, wurde die Linkspartei zum Teil sogar – entgegen den Aussagen des Bundesinnenministers – geheim überwacht.  Mit der Beobachtung hat der Verfassungsschutz schon jetzt viel Schaden angerichtet. Es wird höchste Zeit, dass er sich wieder seinen eigentlichen Aufgaben widmet.

So manch ein Medienkonsument sehnt sich dieser Tage  nach dem Sommerloch. Erst die nicht-enden-wollende Wulff-Schleife, und jetzt auch noch die hässlichen Erkenntnisse über einen Verfassungsschutz, der offenbar seine Aufgaben nicht kennt. Irgendwie läuft es gerade nicht wirklich rund in Deutschland.

Staatsfeinde Gregor Gysi und Petra Pau?
Schon lange ist bekannt, dass die Linkspartei unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, und dennoch ist die Empörung über das Ausmaß zu Recht groß.

Es gibt durchaus Gründe, einige Positionen der Linkspartei abzulehnen. Es gibt extremistische Gruppen und Einstellungen innerhalb der Linkspartei. Es gibt Menschen, die Fidel Castro huldigen oder aus ihrer Forderung für Solidarität mit dem syrischen Diktator Assad keinen Hehl machen. Auch gibt es Parteimitglieder, die den Mauerbau schönreden oder zum Boykott israelischer Waren aufrufen. Das allein ist jedoch noch kein Grund, undifferenziert nahezu die gesamte linke Parteispitze flächendeckend durch den Verfassungsschutz observieren zu lassen.

Wenn es dem Verfassungsschutz gerade um die Extreme geht, warum stehen dann nicht die „Maoisten“ oder „Trotzkisten“ der Partei im Fokus der Beobachtung, sondern unter anderem Gregor Gysi und die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau? Beide sind dafür bekannt, in ihrer Partei für Reformen einzutreten. Offenbar ist die Herkunft der Linken für den Verfassungsschutz äußerst relevant, stammt doch auf der Liste der beobachteten Abgeordneten ein Großteil aus den neuen Bundesländern – die in der Regel für ihre pragmatische Politik bekannt sind.

Man kann deshalb Gregor Gysi verstehen, wenn er über den Verfassungsschutz sagt, er habe „nicht das Ende der DDR und des Kalten Krieges mitbekommen."

Auf dem rechten Auge blind?

Der immense Aufwand, mit dem der Verfassungsschutz Bundestagsmitglieder der Linken überwacht, erscheint besonders grotesk angesichts der  Verfehlungen der Behörde im Kampf gegen den rechtsextremen Terrorismus. Während im Bundesamt zehn Mitarbeiter für die NPD zuständig sind, werden allein sieben Personen auf die Linkspartei angesetzt. Böse Zungen behaupten, es sei kein Wunder, dass die Rechten morden und Terror verbreiten konnten – der Verfassungsschutz war ja mit den Linken schon ausgelastet.  Zu Recht stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit - hat die Behörde nichts Besseres zu tun?

Während Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) betont, es gebe nur eine offene Beobachtung der Bundestagsabgeordneten der Linken, räumte nun der Chef des niedersächsischen Verfassungsschutzes Hans-Werner Wargel ein, dass die Linkspartei durch den Verfassungsschutz auch geheim überwacht wird. In sieben Bundesländern kommen demnach zur Überwachung geheimdienstliche Mittel wie das Abhören von Telefonaten, das Öffnen von Briefen oder auch V-Leute zum Einsatz.

Die Aussage von Friedrich, alle Vorgänge seien nicht nur rechtens und durch das  Bundesverwaltungsgerichts gedeckt, sondern auch schon lange bekannt, rechtfertigt die Beobachtung ebenso wenig wie sein Hinweis, die Partei werde lediglich „aus offenen Quellen“ wie Zeitungsartikeln und Flugblättern beobachtet. Sollte das stimmen, stellt sich nämlich die Frage, ob ein Staatsorgan wirklich jährlich 400.000 Euro verprassen muss, nur um Dokumente anzusammeln, die ohnehin für jeden Bürger einsehbar sind. Immerhin hat der Bundesinnenminister nun auf die Irritationen reagiert, die die Verfassungsschutz-Liste ausgelöst hat, und lässt sie überprüfen.

Was immer auch das Ergebnis der weiteren Debatten sein wird: Schon jetzt wurde eine Atmosphäre des Misstrauens geschaffen, die Linke wird in der öffentlichen Wahrnehmung durch ein Staatsorgan zur Gefahr gemacht. Wähler sind verunsichert und fragen sich, ob sie durch Fragen und Briefe an Abgeordnete womöglich auch in den Fokus des Verfassungsschutzes gerieten. Ein Trost für die Linken ist einzig, dass sie sich, dank dem Bundesamt für Verfassungsschutz, als Opfer vereint, so gut wie lange nicht vertragen.

Es ist ein Widerspruch, wenn der Verfassungsschutz Personen beobachtet, die wiederum selbst im Kontrollgremium für die Geheimdienste sitzen. Statt demokratische Parteien zu beobachten, sollte sich der Verfassungsschutz deshalb lieber wieder auf seine eigentliche Aufgabe besinnen: Die Verfassung schützen und jene Menschen und Gruppierungen zu beobachten, die einen gewaltsamen Umsturz anstreben. Zur Not mit einer konkreten Anweisung des Bundesverfassungsgerichts.