Wie sich Pannen-Peer zum Charmebolzen flirtet

Wie sich Pannen-Peer zum Charmebolzen flirtet

Es ist wie im Märchen: Als Frosch betrat Peer Steinbrück die ARD-Bürgerfragerunde „Wahlarena“. Und verließ sie als Prinz. Dazu genügten ihm allein fünf Worte.

Die Dame schmolz dahin. Gerade hatte sie ihn gefragt, ob er sich das mit der Kanzlerschaft noch antun wolle. Er steuere ja auf die 70 zu. Peer Steinbrück breitete die Arme aus und säuselte: „Aber schauen Sie mich an.“ Mehr sagte er nicht. Brauchte er auch nicht. Der Spitzenkandidat der SPD, bisher bekannt für den Charme eines Fischkopfs, war in dieser einen Minute gleich mehrere: ein wenig Jesus, ein wenig Rick Blaine aus dem Film „Casablanca“ – die Frau schaute ihm tatsächlich in die Augen – und ein wenig Herbert Feuerstein, der den Magier Roy so gern persiflierte mit seinem „Look at me, I am Roy!!!“. In dieser einen Szene zeigte Steinbrück, dass keiner ihn unterschätzen darf. Und dass ihm der Wahlkampf gerade großen Spaß bereitet.

Mittwochabend in Mönchengladbach. Am Montag hatte hier Angela Merkel (CDU) am gläsernen Pult gestanden, sich den Fragen der vom Meinungsforschungsinstitut „infratest dimap“ ausgesuchten Studiogästen gestellt. Die hatten die Kanzlerin gegrillt, sie mit kritischen Nachfragen getrieben. Für Steinbrück dagegen geriet der Abend zum Spaziergang.

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Wie ein Bär im Zwinger hatte er den Raum rund um das Pult durchmessen, mit den Händen gerudert, sich den Zuschauern im Kreis zugedreht, als übte er für den Eiskunstlauf bei Olympia. Aber viel eher hat er die Kanzlerschaft im Blick. Das Publikum hypnotisierte er mit einem „Hundert-Tage-Programm“, den „vier großen Aufgaben“ (Bildung, Infrastruktur, Schuldenabbau und marode Kommunen) und vollmundigen Ankündigungen - „wenn ich Bundeskanzler bin“: „Wir müssen Trassen bauen“, sagte er oder „Wir müssen die Strompreise senken“ oder „Das wird Eingang finden in eine große Pflegereform“.

Zum einen bannte er die Zuschauer durch seine kurzen, einfachen Antworten. Da schwurbelte nichts, da ächzte kein Bandwurm. Als Steinbrück ankündigt, Einnahmen aus Steuererhöhungen würden direkt in die berühmten „vier Aufgaben“ fließen, da klatscht das Publikum nicht einmal. Es schweigt baff. Oder als er „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“, für Frau und Mann, für unbefristete Angestellte und Leiharbeiter fordert, erwidert die Fragestellerin nur schüchtern: „Dankeschön.“

Und zum anderen hielten ihm die Moderatoren den Rücken frei. Die wenigen kritischen Nachfragen würgten sie kurzerhand ab.

Soziale Sachthemen standen im Vordergrund

Derweil verzauberte Steinbrück das Publikum wie seinerzeit Roy seine Löwen in Las Vegas. Handzahme Fragen wie „Wie möchten Sie damit umgehen?“ oder „Was sagen Sie dazu?“ ermunterten Steinbrück zu seiner Lehrstunde. Er hatte es ja auch leicht: Merkel musste ihre Regierungspolitik verteidigen, er durfte fordern. Merkel kam daher als Kalifin, die zum Volk sprach; Steinbrück gab den Volkstribun. Über seine Rivalin redete der Herausforderer kaum. Lieber präsentierte er sich als Macher. Das Publikum hatte vor allem Sozialfragen an ihn. Nahezu jedes Gespräch drehte sich um Kosten, um Pflege und Arbeit. Syrien? Kein Wort. Auch Bildung oder Umweltpolitik blieben nahezu außen vor. Einerseits taten die Sachfragen gut. Andererseits hätte eine ordentliche Portion mehr Kritik nicht geschadet.

Steinbrücks Berater müssen ihn gut vorbereitet haben. Die zugewandte Körperhaltung, die einfachen Sätze – zuweilen erklärte er den Zuschauern komplizierte Gebilde wie die EEG-Umlage – machten den Auftritt zum Heimspiel. Nur manchmal, wenn eine Frage etwas lang geriet, zuckte Steinbrück nervös, zügelte aber seine Ungeduld und machte auf den lieben Kerl von nebenan.

Natürlich liegt ihm das Format der „Wahlarena“. Seine täglichen Wahlkampfveranstaltungen hat er längst in solche Bürgerfragerunden umgewandelt; an Spontaneität ist ihm kein Mangel. Zwar ist die Bedeutung dieser Wahlsendungen für den Urnengang begrenzt. Aber im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale, wird es an diesem Abend manch starre Miene gegeben haben.

Von Jan Rübel