Auch Ältere wünschen sich Viertagewoche - Vier Trends zeigen, dass nicht nur die GenZ immer weniger arbeiten möchte

<span class="copyright">Getty Images/ Adam Berry/ 10'000 Hours</span>
Getty Images/ Adam Berry/ 10'000 Hours

Vier-Tage-Woche, Homeoffice, Work-Life-Balance und keine Überstunden. In den Augen von Politikern und Senioren ist es häufig die Jugend, der angeblich die Bereitschaft zur Arbeit verloren gegangen ist. Dabei zeigen Statistiken das Gegenteil.

„Hunderttausende sind jung, gesund und kassieren Bürgergeld“, schimpften Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit, und Sigmar Gabriel, ehemaliger Wirtschaftsminister, vor einiger Zeit unisono. Und der SPD-Politiker legte noch eine Schippe drauf: „Wer wohlhabend ist, macht auf Kosten von Mama und Papa nach der Schule erstmal ein Sabbatical und danach eine 4 Tage Woche“, schrieb er auf X . Und schon später nach: „Oben wie unten: leisten wollen immer weniger etwas.“

Die Aussagen von Weise und Gabriel stehen in einer langen Reihe von Aussagen von Politikern wie Unternehmenschefs in den vergangenen Jahren, die besonders jungen Menschen mal direkter, mal indirekter Faulheit vorwerfen. Wissenschaftler aus verschiedenen Sparten von Wirtschaft über Soziologie bis zu Kulturforschung haben dem schon oft widersprochen, doch das Mär von der faulen Jugend lässt sich mit ganz einfachen Statistiken widerlegen.

1. Jede Generation arbeitet weniger als die davor

Seit das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfeldforschung (IAB) die Zahlen für Gesamtdeutschland erfasst, sinken die jährlichen Arbeitsstunden von Arbeitnehmern stetig. Waren es 1991 noch 1580 Stunden pro Jahr, wurde im Jahr 2000 die 1500er-Marke unterschritten und 2019 auch die 1400er-Marke. Vergangenes Jahr lag der Wert nur noch bei 1361 Stunden. Auf einen 8-Stunden-Tag gerechnet sind das also mehr als 27 Arbeitstage weniger. Aber wie die Grafik zeigt, ist dieser Trend stetig. Auch die Rate des Abschwungs hat sich nicht erhöht, seit die berüchtigte GenZ Mitte der 2010er Jahre in den Arbeitsmarkt eintrat. 2023 wurden 4,3 Prozent weniger Arbeitsstunden geleistet als zehn Jahre zuvor. Zwischen 1991 und 2001 sank der Wert um 6,0 Prozent. Zudem ist weniger Arbeit auch an Zeichen von Wohlstand. Gewerkschaften arbeiten seit 150 Jahren daran, die Arbeitszeiten in der Gesellschaft zu reduzieren. Globale Vergleiche zeigen, dass die Länder mit den geringsten Arbeitsstunden meist die wohlhabendsten sind – weil sie es sich leisten können, weniger zu arbeiten, nicht, weil sie faul sind.

2. Jede Generation will weniger extra arbeiten

Reguläre Arbeitsstunden sind das eine, Überstunden das andere. Auch da schwindet die Lust auf Extra-Arbeit seit mehr als einer Generation. Durchschnittlich machte jeder Arbeitnehmer im vergangenen Jahr 13,1 bezahlte und 18,5 unbezahlte Überstunden. 1991 waren es noch 450 Prozent beziehungsweise 40 Prozent mehr. Auch bei diesen beiden Indikatoren zeigt sich keine Entwicklung, die daraufhin deutet, dass besonders die heutige junge Generation Z zu besonders wenig Überstunden bereit wäre. Stattdessen zeigt sich ein großer Effekt der Corona-Krise 2020, in der vor allem die bezahlten Extra-Stunden nach unten gingen und sich seitdem nicht mehr erholt haben. Zudem ist die Zahl der Überstunden kein Anzeichen für eine gute Arbeitsmoral. Gesellschaftlich gesehen sind sie sogar schädlich. Eine Studie der UN aus dem Jahr 2021 zeigt, dass dauerhaft viele Überstunden die Lebenszeit signifikant verkürzen und das Risiko schwerer Krankheiten erhöhen.

3. Fast alle wollen die Viertagewoche

Wer gegen die Vier-Tage-Woche argumentiert, tut oft so, als sei das ein Arbeitsmodell, was vor allem die junge Generation möchte. Das ist aber falsch: Bei einer Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes (WSI), das zur Hans-Böckler-Stiftung gehört, sprachen sich im Mai 73 Prozent für eine Viertagewoche mit gleichem Lohn aus. Weitere 8,2 Prozent sagten, sie wünschten sich eine Viertagewoche mit entsprechend reduziertem Lohn. 1,9 Prozent arbeiten bereits nur vier Tage pro Woche. Ablehnung erfuhr das Arbeitszeitmodell also nur von einer Minderheit von 17,3 Prozent der Befragten.

Das WSI fragte aber nicht nur den generellen Wunsch ab, sondern auch die Gründe für oder gegen die Viertagewoche. 97 Prozent der Befragten gaben an, mehr Zeit für sich selbst haben zu wollen, 89 Prozent wollen mehr Zeit für ihre Familie, 87 Prozent mehr Zeit für Hobbies, Sport und Ehrenamt. Solche Zahlen lassen sich nicht nur auf eine Generation festnageln, hier ist der Wunsch, weniger zu arbeiten, auch unter älteren Generationen weit verbreitet.

4. Ältere Generationen wollen am wenigsten arbeiten

Die wichtigste Statistik dazu, welche Generation wie viel arbeiten möchte, ergibt sich aus einer jährlichen Erhebung des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) und einer Auswertung der Daten durch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dort wird abgefragt, wie viel Stunden Arbeitnehmer pro Woche arbeiten wollen. Die Antworten sind nach Altersgruppen aufgeteilt und am meisten arbeiten wollen… die Jüngsten. Unter den Befragten bis 25 Jahre gelten durchschnittlich 35 Stunden Wochenarbeitszeit als ideal. Bei den 26- bis 40-Jährigen sind es dann nur noch 33,7 Stunden und alle über 40 Jahre wollen im Schnitt nur noch 31,9 Stunden arbeiten.

Auch diese Zahlen sind seit der Jahrtausendwende deutlich gesunken. Bei den Jüngsten ging es um 2,7 Stunden oder rund 7 Prozent nach unten. Bei den beiden älteren Gruppen sind es jeweils 1,6 Stunden oder rund fünf Prozent.

Folgen Sie dem Autor auf Facebook

Folgen Sie dem Autor auf Twitter