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Wird die Suche nach Infos über Abtreibung jetzt einfacher?

Nach dem Gesetzentwurf dürfen Ärzte und Klinken öffentlich - zum Beispiel auf der eigenen Internetseite - darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Foto: Jens Büttner/Symbolbild
Nach dem Gesetzentwurf dürfen Ärzte und Klinken öffentlich - zum Beispiel auf der eigenen Internetseite - darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Foto: Jens Büttner/Symbolbild

Wer ungewollt schwanger wird, fühlte sich oft ziemlich allein gelassen. Mühsam hat sich die Koalition jetzt auf bessere Informationen für Betroffene geeinigt. Doch der Entwurf stellt auch klar, was Ärzte keinesfalls dürfen.

Berlin (dpa) - Es ist die wohl schwierigste Entscheidung, die eine schwangere Frau treffen kann: Wer über eine Abtreibung nachdenkt, ist in einer persönlichen Krise. Was erwartet mich, welche Risiken gibt es und welchem Arzt schenke ich mein Vertrauen?

Wichtige Informationen sollen Schwangere nun einfacher als bisher bekommen. «Werbung» für Schwangerschaftsabbrüche bleibt aber verboten. Dieser mühsam ausgehandelte Kompromiss hat die große Koalition auf eine schwere Belastungsprobe gestellt. Doch schon jetzt gibt es Zweifel, ob er den Schwangeren wirklich helfen wird.

Um was geht es im umstrittenen Paragrafen 219a?

Er verbietet im Strafgesetzbuch Werbung für Schwangerschaftsabbrüche - dabei fasst er den Begriff Werbung sehr weit. So macht man sich schon strafbar, wenn man etwa «seines Vermögensvorteils wegen» öffentlich Schwangerschaftsabbrüche als Leistung anbietet. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel wurde deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt, ihr Fall stieß die politische Diskussion an. Die SPD wollte den Paragrafen - wie Grüne, Linke und FDP - abschaffen, die Union wollte das nicht.

Was ändert sich jetzt?

Die fünf zuständigen Minister haben über Monate mühsam einen Kompromiss ausgehandelt. Der Kern ihres Entwurfs: Das Werbeverbot bleibt, wird aber ergänzt. «Wir stellen sicher, dass betroffene Frauen in einer persönlichen Notsituation an die Informationen gelangen, die sie benötigen», sagt Justizministerin Katarina Barley (SPD).

Was bedeutet das konkret?

In Paragraf 219a soll ein neuer Absatz eingefügt werden. Demnach dürfen Ärzte und Krankenhäuser - zum Beispiel auf ihrer Internetseite - darüber informieren, dass sie Abtreibungen anbieten. Mehr dürfen sie aber nicht schreiben, sondern nur auf Angebote der zuständigen Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen. Sie dürfen also nicht Pro und Contra verschiedener Abtreibungsmethoden abwägen oder Informationen zur Nachsorge geben.

Wo finde ich Ärzte, die Abtreibungen durchführen?

Die Bundesärztekammer soll eine zentrale Liste mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen führen, die Abbrüche vornehmen - mit Angaben zu angewandten Methoden. Die Liste soll monatlich aktualisiert und von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Internet veröffentlicht werden. Auch das Hilfetelefon «Schwangere in Not» soll die Liste für die Beratung bekommen.

Sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland überhaupt legal?

Nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches sind Abtreibungen meist rechtswidrig - sie werden aber unter bestimmten Bedingungen nicht bestraft. Die Schwangere muss selbst den Abbruch verlangen und sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Stelle beraten lassen. Außerdem dürfen seit der Befruchtung nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sein.

Wie viele Frauen lassen abtreiben?

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist ziemlich konstant. Laut Statistischem Bundesamt gab es von Januar bis September 2018 in Deutschland 76 365 Eingriffe. Das sind 0,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Meist waren die Frauen zwischen 25 und 30 Jahre alt.

Was ändert sich nach der Einigung der Minister noch?

Junge Frauen bekommen die Verhütungspille länger als bisher, bis zum 22. Geburtstag, von der Krankenkasse bezahlt. Das solle ihnen helfen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, sagt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Anhebung der Altersgrenze kostet die gesetzlichen Krankenkassen jährlich rund 40 Millionen Euro.

Was halten Ärzte von dem Kompromiss?

Die Reaktionen sind gespalten. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery spricht von einer tragfähigen Lösung, die Frauen ebenso wie Ärzten helfe. Frauenärztin Hänel dagegen ist nicht zufrieden. Es sei weiter verboten, ungewollt Schwangere umfassend zu informieren, sagt sie. «Das ist eine staatliche Zensur.» Frauen wollten sich dort ein Bild machen, wo sie sich auch behandeln ließen und sich nicht extra durchs Internet klicken.

Ist der politische Streit jetzt trotzdem beigelegt?

Zumindest in der Koalition wird wohl niemand richtig querschießen. Kleine Änderungen sind aber wahrscheinlich: Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus wies darauf hin, dass Gesetze in der Regel nicht ohne diese durch das parlamentarische Verfahren kommen. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach erwartet eine breite Zustimmung seiner Fraktion. «Mit diesem Kompromiss kann fast jeder gut leben», sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die allermeisten seien erleichtert.

Wo finden Schwangere Rat?

Bei Problemen rund um die Schwangerschaft können sich Frauen an eine Beratungsstelle wenden. Eine Liste möglicher Anlaufstellen gibt es auf der Website www.familienplanung.de unter «Beratung» und «Beratungsstelle finden». Im gleichen Abschnitt finden Schwangere auch Informationen zur rechtlichen Situation rund um einen eventuellen Schwangerschaftsabbruch. Die Website ist ein Angebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Beratungsstellen lassen sich in der Suchmaske unter anderem nach Wohnort und Konfession filtern - und danach, ob sie einen Beratungsschein ausstellen. Der Schein ist eine der Voraussetzungen für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch. Bei einigen Anbietern wie Pro Familia gibt es zudem die Möglichkeit einer Online-Beratung, auch am Telefon helfen manche Stellen weiter. Den Schein gibt es allerdings nur bei einer persönlichen Beratung.