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Blutbad in Somalia: Mehr als 230 Tote bei Anschlag

Somalier suchen nach dem Selbmordanschlag in Mogadischu nach Überlebenden. Foto: Farah Abdi Warsameh
Somalier suchen nach dem Selbmordanschlag in Mogadischu nach Überlebenden. Foto: Farah Abdi Warsameh

Hunderte Tote und Verletzte, zerstörte Gebäude, ausgebrannte Autos. Mogadischu bietet ein Bild der Zerstörung. Einen derart verheerenden Anschlag hat es in der jüngsten Vergangenheit Somalias nicht gegeben.

Mogadischu (dpa) - Es war der wohl tödlichste Anschlag in der jüngsten Geschichte Somalias: Mindestens 231 Menschen seien getötet worden, als sich ein Selbstmordattentäter in einem Lastwagen am Samstag auf einer der belebtesten Kreuzungen in Somalias Hauptstadt Mogadischu in die Luft sprengte.

Das sagte der Polizeifunktionär Ali Hassan Kulmiye der Deutschen Presse-Agentur. «Die Zerstörung sieht aus wie nach einem Erdbeben», beschreibt der Augenzeuge Ahmed Hassan die Anschlagsstelle. Gebäude sind teilweise eingestürzt, Opfer unter Trümmerbergen begraben. «Ich habe noch nie so einen schlimmen Anschlag gesehen», sagte Hassan.

Zunächst bekannte sich niemand zu der grausamen Tat. Doch der Verdacht fiel wie so oft auf die extremistische Al-Shabaab-Miliz, die das Land am Horn von Afrika seit Jahren terrorisiert. Informationsminister Abdirahman Yarisow machte die sunnitischen Fundamentalisten für den verheerenden Anschlag verantwortlich.

Der Attentäter hatte sich einen der belebtesten Verkehrsknotenpunkte der Stadt ausgesucht. An der Kreuzung stehen stets etliche Autos und Busse im Stau, Passanten laufen am Straßenrand, Menschen tummeln sich in Hotels, Läden und Restaurants. Das bei Regierungsmitarbeitern, Journalisten und im Ausland lebenden Somalis auf Heimaturlaub beliebte Safari-Hotel befindet sich unweit des Anschlagsorts.

Der Attentäter raste mit einem Lastwagen mit hoher Geschwindigkeit eine Straße entlang und überrollte oder schob die im Stau stehenden Motorräder und Autos aus dem Weg, wie Augenzeugen berichteten. Sicherheitskräfte hatten demnach noch versucht, auf den Fahrer zu schießen. Er erreichte aber dennoch die Kreuzung und sprengte sich dort mit dem Laster in die Luft.

«Überall war Blut», sagte der Augenzeuge Abdiasis Qorane. Sein Auto war demnach eines von mehr als hundert Fahrzeugen, die durch die Explosion ausbrannten. «Ich konnte überall Körperteile sehen», erinnerte er sich. Noch in Hunderten Metern Entfernung gingen Fenster zu Bruch, Türen wurden aus den Angeln gerissen. Rettungskräfte hätten am Sonntag noch immer Menschen aus den Trümmern geborgen, sagte der Polizist Mohamed Dahir.

Die medizinischen Einrichtungen der Stadt waren angesichts der hohen Zahl an Opfern völlig überlastet. Eine der größten Kliniken Mogadischus, das Madina-Krankenhaus, zählte mindestens 221 Tote, wie der Leiter Mohamed Yusuf bestätigte. Die meisten Todesopfer seien Zivilisten, hatte er zuvor gesagt. Das Erdogan-Krankenhaus sprach von weiteren zehn Getöteten. Die Zahl der Toten könnte noch weiter steigen: Mehr als 300 Menschen seien verletzt worden, sagte der Polizeifunktionär Kulmiye.

Somalias Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed forderte im staatlichen Rundfunk die Bürger auf, für die Verletzten Blut zu spenden. Der Angriff sei eine nationale Tragödie, sagte er. Der Staatschef rief eine dreitägige Staatstrauer aus, die Flaggen würden im ganzen Land auf halbmast gesetzt.

Aus dem Ausland wurde Somalia Hilfe angeboten. Die Türkei wollte noch am Sonntag ein Militärflugzeug mit medizinischer Hilfe nach Mogadischu schicken, twitterte der Sprecher von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin. Das Flugzeug werde zudem Verletzte zur Behandlung in die Türkei bringen. Kalin sowie die Afrikanische Union (AU) verurteilten den Anschlag in Mogadischu aufs Schärfste.

Somalia kennt sich mit blutigen Tragödien aus. Seit 1991 steckt das Land am Horn von Afrika scheinbar in einem Kreislauf aus Gewalt, Flucht und Hunger. Die Al-Shabaab-Miliz kämpft um die Vorherrschaft in dem Land und will dort einen sogenannten Gottesstaat mit strikter Auslegung des islamischen Rechts (Scharia) errichten. Zwar konnten die Extremisten 2011 aus der Hauptstadt verdrängt werden. Doch Frieden und Stabilität sind nicht in Sicht - trotz einer rund 20 000 Mann starken Friedenstruppe der AU. Auch in Nachbarländern hat Al-Shabaab immer wieder Anschläge verübt.

Der Vorsitzende der AU-Kommission, Moussa Faki Mahamat, rief die internationale Gemeinde dazu auf, Somalia verstärkt im Kampf gegen Terrorgruppen zu unterstützen. «Es ist nun klar, dass ohne angemessene Unterstützung Somalias viele der Fortschritte der vergangenen Jahre in der Sicherheitslage rückgängig gemacht werden könnten», hieß es.

Die Terrormiliz Al-Shabaab verbreitet in Somalia Angst und Schrecken. Die Islamisten, deren Name auf Arabisch «Die Jugend» bedeutet, kämpfen um die Vorherrschaft in der Region am Horn von Afrika. Sie wollen einen sogenannten Gottesstaat auf Grundlage der islamischen Rechtsprechung, der Scharia, errichten. Dem Africa Center for Strategic Studies zufolge wurden im vergangenen Jahr 4281 Menschen von Al-Shabaab getötet, mehr als von jeder anderen Islamistenmiliz in Afrika. Die sunnitische Gruppe hat Verbindungen zum Terrornetz Al-Kaida und kooperiert mit Boko Haram in Nigeria. Anschlagsziele sind oft Supermärkte, Restaurants oder Hotels sowie Einrichtungen des Militärs oder Polizeiwachen.