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Yahoo-Interview: "Die europäische Solidarität ist einzigartig"

Der ukrainische Außenminister fordert, dass Russland sich an das Minsker Abkommen hält. (Bild: dpa)
Der ukrainische Außenminister fordert, dass Russland sich an das Minsker Abkommen hält. (Bild: dpa)

Im Gespräch mit Yahoo Nachrichten macht der ukrainischen Außenminister Pawlo Klimkin deutlich, was sich das Land kurz vor dem G7-Gipfel erhofft: Hilfe bei demokratischen Reformen sowie militärische Unterstützung.

Das Interview führte Dunja Ramadan

Welche Forderungen stellen Sie an die G7-Staaten im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt, was sollte unbedingt besprochen werden?

Einerseits erhoffe ich mir transatlantische Solidarität mit der Ukraine im Hinblick auf die fortwährende russische Aggression. Immerhin ist es das erste Mal, dass die G7-Staaten in sich so konsistent sind und dass deren Politik auch wirklich als wertebasiert bezeichnet werden kann. Zweitens erhoffe ich mir nicht nur Solidarität, sondern auch konkreten Einsatz bei der Etablierung von demokratischen Reformen, die die Ukraine näher an die Europäische Union rücken lässt. Außerdem muss es in Elmau eine strategische Diskussion darüber geben, wie der Druck auf Russland erhöht werden kann, falls es weiterhin zur Verletzung des Minsker Abkommens kommt und keine wirkliche Deeskalation eintritt.

Was erwarten Sie konkret von Deutschland?

Deutschland hat eine führende Rolle bei der Unterstützung der Ukraine in diesem Konflikt eingenommen und ist wichtig für die Bewahrung der Einheit der Europäischen Union in einer solchen Situation. Ich muss sagen, die europäische Solidarität in sich ist einzigartig. Es ist das erste Mal, dass die EU eine konsistente und effektive Politik gegenüber Russland bezieht. Wir brauchen auch weiterhin deutsche Unterstützung für die ukrainischen Reformen - und diese Unterstützung ist da: So werden der Ukraine weitere 500 Millionen Euro zur Durchführung von Reformen zur Verfügung gestellt. Aber was wir am Ende des Tages wirklich brauchen, sind gute menschliche und wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland auf Basis gemeinsamer Werte.

Seit Monaten fordern Sie Waffenlieferungen. Was erwarten Sie hier ganz konkret?

Wir müssen die Verteidigungsfähigkeit unseres Militärs aufstocken. Ich erwarte, dass in Elmau darüber diskutiert wird, ob uns die G7-Staaten mit Abwehrwaffen unterstützen werden. Vielleicht kommt es dort sogar zu einer Entscheidung. Wir haben kein Interesse daran, einen Konflikt anzuheizen, aber wir müssen uns gegen die von Russland unterstützten Terroristen verteidigen können. Deshalb benötigen wir nicht irgendwelche Waffen, sondern Abwehrwaffen. Das ist sehr wichtig für uns.

Im Februar kam das Minsker Abkommen zustande. Haben sich die G7-Staaten in den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland genügend eingebracht?

Die G7-Länder haben sich bereits als wichtige Partner im Konflikt mit Russland gezeigt. Wir schätzen die bisherigen Bemühungen sehr und sind sicher, dass wir auch in Zukunft die gleichen Werte teilen werden. Es geht hier nämlich nicht um Donetsk, Luhansk oder die Ukraine, es geht um internationales Recht, das Russland verletzt hat und das die ganze Welt betrifft.

Hätten sie von einigen G7-Staaten dennoch mehr erwartet?

(lacht) Definitiv hätten einige Staaten mehr tun können, als wir gegen die russische Aggression vorgehen mussten. Sie hätten unser Militär mehr unterstützen können oder uns bei den nötigen Reformen mehr helfen können.

Welche Länder meinen Sie konkret?

Es geht sowohl um einige G7-Staaten als auch um andere Staaten. Aber letztendlich muss ich sagen, dass die meisten Staaten getan haben, was in ihrer Macht stand und wir sehr zufrieden mit der Hilfe sind, die wir bekommen haben. Wir in der Ukraine wissen diese Unterstützung sehr zu schätzen. Sie gibt uns heute die Möglichkeit, ein neues Land aufzubauen.

Ihr Präsident Poroschenko droht mit Ausrufung des Kriegsrechts: Was versprechen sie sich davon und wäre das nicht kontraproduktiv, weil es die gespannte Situation zusätzlich anheizt und Russland provoziert?

Wenn es im Gebiet Donbass wirklich zu einer massiven Aggression gegen unser Militär kommen sollte, dann ist es unser Recht, das Kriegsrecht zu verhängen, um unsere Ressourcen zu bündeln. Wir möchten Frieden, es geht uns nicht darum, die Stimmung anzuheizen oder Russland zu provozieren, aber wir müssen uns verteidigen.

Sehen Sie die Gefahr, dass es wegen der Ukraine zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den USA, dem Westen und Russland kommen kann?

Was Russland bisher getan hat, gibt uns nicht wirklich Grund, optimistisch zu sein. Aber ich bin der Meinung, dass der Westen eine effektive und verantwortungsbewusste Politik verfolgt, die einen großen militärischen Konflikt vermeidbar macht. Uns geht es um politische Lösungen. Wir fordern nur, dass die russischen Truppen sich aus den ukrainischen Gebieten zurückziehen und es in Donbass zu fairen Wahlen kommt.

Wie soll eine europäische Perspektive für die Ukraine aussehen?

Ich bin überzeugt, dass die Ukraine eine europäische Perspektive verdient hat. Auch für die EU ist diese Perspektive sehr wichtig, denn es handelt sich um die Zukunft des ganzen europäischen Kontinentes. Wir müssen unsere Gesellschaft nun transformieren und bestehende Strukturen verändern. Wir haben Reformen etabliert, um die Macht des Oligarchen-Systems zu brechen. Es geht darum, das ganze Land auf einen demokratischen und europäischen Weg zu bringen. Wir wollen der Welt zeigen, dass die Ukraine ein demokratisches und freies Land ist, das die europäischen Werte teilt.