2:2 gegen die Niederlande - Wackel-Abwehr und Hauch einer Rivalittät - drei Erkenntnisse zum DFB-Remis in Holland
Unterhaltsames Spiel in Amsterdam! Vier Tore, viele Chancen, viel Ärger. Die Nations-League-Partie zwischen der Niederlande und Deutschland bietet einiges und entfacht den Hauch einer alten Rivalität. Drei DFB-Erkenntnisse zum Remis.
Deutschland hat sich im zweiten Gruppenspiel der Nations League in einem harten Duell mit den Niederlanden ein Remis erkämpft. Dabei wartete in Amsterdam eine schwere Aufgabe auf die Nationalmannschaft von Julian Nagelsmann.
Wackelige DFB-Defensive
Der Bundestrainer hatte vor dem Spiel angekündigt, „einen Moment zu zaubern, der in Erinnerung bleibt“. Trunken von der 5-Tore-Gala gegen Ungarn folgte im stürmischen Amsterdam jedoch erst einmal ein böses Erwachen. Nach nur 99 Sekunden lag die deutsche Mannschaft bereits hinten. Ein riesiges Loch klaffte in der Hintermannschaft.
Der Leverkusener Jonathan Tah rückte bei einem langen Pass in die Spitze raus, obwohl Nico Schlotterbeck nicht zur Absicherung da war. Robert Andrich verlor den entscheidenden Zweikampf und Tijani Reijnders war allein durch. Marc-André ter Stegen war im Eins-gegen-Eins machtlos. Eine lange Fehlerkette.
Die DFB-Defensive hatte immer wieder Probleme mit dem Tempo, der Wucht und den langen Bällen der Holländer. Schlotterbeck war besonders im ersten Durchgang oft auf Abwegen, Tah war gänzlich überfordert. In den Duellen mit dem robusten Brian Brobbey ließ er sich teils vorführen und verlor am Ende jeden seiner Zweikämpfe. In der Pause wurde er – gelbvorbelastet – vom Bundestrainer erlöst.
Dass Brobbey ein äußerst unangenehmer Stürmer ist, bekam auch Joshua Kimmichs zerrissenes Trikot sowie im zweiten Durchgang Schlotterbeck zu spüren. Beim zweiten Gegentor kochte der ehemalige Leipziger den BVB-Verteidiger im Strafraum locker ab und bereitete für Denzel Dumfries vor.
Waldemar Anton, der in der Pause für Tah reinkam, stand an der Seite seines Dortmunder Kollegen deutlich stabiler – davon profitierte auch Schlotterbeck. Trotzdem bleibt der Eindruck, dass die Niederländer ihren Ballbesitz deutlich effektiver nutzen und die deutsche Abwehr ständig unter Druck setzen konnten. Bei jedem Angriff wurde es brenzlig.
DFB-Team kann sich wehren
Aber das deutsche Team wehrte sich. Es nahm den Kampf an, hielt mit aller Kraft dagegen und bewies Leidenschaft und Resilienz. „So wie wir zurückgekommen sind, war sehr gut“, sagte Joshua Kimmich, der den zwischenzeitlichen Führungstreffer erzielte. „Wir wollten trotz des frühen Rückstandes unser Spiel durchziehen.“
Wie schon im Testspiel vor der EM kam das DFB-Team von einem frühen Nackenschlag zurück und versuchte, dem Gegner das eigene Spiel aufzuzwingen. 65 Prozent Ballbesitz im ersten Durchgang resultierten in zehn Torchancen. Am Ende waren es 21. Mit dem Ball in den Reihen blieb die deutsche Mannschaft aggressiv, kreativ und spielte sich in torgefährliche Räume.
"Die Mannschaft glaubt an sich, das ist der Schlüssel“, erklärte Nagelsmann. „Wir wollten unbedingt gewinnen, haben alles gegeben“, führte der Bundestrainer fort.
Kimmichs Trikot in der ersten Hälfte wird zum Symbol dieser Resilienz. Nachdem Brobbey im Zweikampf einen kleinen Materialtest am weißen Jersey vorführte, traf Kimmich kurz vor dem Seitenwechsel in eben jenem Trikot zur Führung und jubelte energisch. Das ist Leidenschaft!
Selbst Jamal Musiala, sonst ein ruhiger, zurückhaltender Typ, schimpfte, reklamierte, gestikulierte und fluchte. „Wir müssen noch besser werden“, sagte er später frustriert bei RTL. „Heute war nicht unser Tag wie gegen Ungarn. Aus solchen Spielen wie gegen Holland werden wir lernen. Es gab ein paar Ballverluste wie vor dem Gegentor, da müssen wir cleverer sein“, so der 21-Jährige.
Hauch einer alten Rivalität
Frustriert war auch Florian Wirtz. Weil auch dem zweiten Künstler im Team nicht alles gelang, schoss er kurz vor Schluss vor Wut den Ball an die Bande. Oranje-Kapitän Virgil van Dijk forderte gleich die Gelb-Rote Karte, Wirtz winkte nur ab. Dass Wirtz und Musiala sich so emotional zeigten, spricht Bände.
Es war nicht die einzige Meinungsverschiedenheit auf und neben dem Platz. Es war ein giftiges Spiel, immer wieder wurde es hitzig. Selbst an der Seitenlinie schimpften sich Co-Trainer Sandro Wagner und Hollands Wout Weghorst böse an. Die alte Rivalität der beiden Nachbarn keimte wieder auf.
Die letzten Duelle waren zwar sportlich stets umkämpft, eine gewisse Würze fehlte jedoch meist. Oft wird vor den Partien über vergangene Skandale und von den großen Spielen der Geschichte gesprochen. Völler gegen Rijkaard, Koeman mit dem Deutschland-Trikot am Hintern – alles Erzählungen alter Tage.
Während der Heim-EM haben die Oranje-Fans die Straßen gefüllt, viele deutsche Fans schlossen sich an, plötzlich waren die Rivalen von damals Freunde. Man mochte sich plötzlich.
Ganz so harmonisch war es in Amsterdam allerdings nicht. Immerhin, nach der Partie gab es wieder versöhnliche Worte, beide Parteien schwärmten in höchsten Tönen über den Gegner. Es bleibt beim Hauch einer alten Rivalität – aber die nächsten Nachbarschaftsduelle stehen ja schon an.