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Wie ein 27-Jähriger Niederländer mit seinem neuen Umwelt-Projekt bereits 9000 Kilo Plastik aus dem Pazifik geholt hat

Eine Gruppe von Ocean Cleanup-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besucht die neue Vorrichtung im Ozean.
Eine Gruppe von Ocean Cleanup-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besucht die neue Vorrichtung im Ozean.

Fast ein Jahrzehnt ist es her, da verkündete Boyan Slat im Alter von 18 Jahren, er wolle die Weltmeere von Plastik befreien. Heute, mit 27, ist der Niederländer seinem Ziel näher gekommen. Mit seinem 2013 gegründeten Projekt „The Ocean Cleanup“ will er bis 2040 insgesamt 90 Prozent des im Meer treibenden Plastiks aus den Ozeanen holen.

Bisher schien das ein unerreichbares Ziel zu sein. Im Jahr 2018 startete die Organisation den ersten Versuch, ein Plastikauffanggerät im Meer zu installieren – doch der Prototyp ging im Wasser kaputt. 2019 stellte „The Ocean Cleanup“ ein neueres Modell vor. Das ging zwar nicht mehr kaputt, allerdings war es auch nicht sonderlich effizient. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisation schätzten, sie würden Hunderte dieser Auffangnetze benötigen, um die Weltmeere vom Plastik zu befreien. Da begannen die ersten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Ingenieurinnen und Ingenieure, an der Gruppe zu zweifeln. Erste Stimmen wurden laut, die Organisation würde die bereitgestellten Finanzmittel in Höhe von mehreren Millionen Dollar nicht einhalten können.

Doch Boyan Slat gab nicht auf. Im vergangenen Sommer setzte er mit seinem Team große Hoffnungen auf ein neues Auffangsystem. Der Spitzname der Vorrichtung: „Jenny“. Bei der Anlage handelt es sich um einen schwimmenden, künstlichen Küstenstreifen, der wie ein riesiger Arm das Plastik in seinen Schlaufen auffängt. Anschließend leitet er den Müll in ein trichterförmiges Netz, wo er gesammelt und aus dem Meer geholt wird. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 1,5 Knoten ziehen zwei Schiffe den treibenden Küstenstreifen entgegen der Meeresströmung durch das Wasser und treiben den Müll in die Netze.

Seit Anfang August schippert das Team „Jenny“ im sogenannten Pazifischen Müllstrudel, einem mit besonders viel Müll verseuchten Gebiet zwischen Hawaii und Kalifornien. Der Strudel ist die größte Ansammlung von Plastik in allen Ozeanen weltweit und umfasst Schätzungen zufolge mehr als 1,8 Billionen Plastikgegenstände.

„Jenny“ hat den Pazifik schon von gut 9000 Kilo Müll befreit

Vergangene Woche wurde „Jenny“ einem letzten Test unterzogen. Die Forschenden wollten feststellen, ob das Auffangsystem große Mengen an Plastik an Land bringen kann, ohne im Wasser zu zerbrechen. Und laut „The Ocean Cleanup“ hat die Vorrichtung bereits mehr als 9.000 Kilogramm Plastikmüll aus dem Pazifik gefischt – ein Hoffnungsschimmer, der vorsichtig andeutet, dass der Müllstrudel tatsächlich irgendwann von Plastik befreit werden kann. „Heilige Mutter Gottes“, twitterte Boyan Slat als Reaktion darauf am selben Nachmittag. „Es hat alles funktioniert.“

https://twitter.com/TheOceanCleanup/status/1447579731486969856?ref_src=twsrc%5Etfw%7Ctwcamp%5Etweetembed%7Ctwterm%5E1447579731486969856%7Ctwgr%5E%7Ctwcon%5Es1_&ref_url=https%3A%2F%2Fwww.businessinsider.com%2Focean-cleanup-device-removed-plastic-pacific-garbage-patch-2021-10

Wie das neue Auffanggerät funktioniert

Slats Meeresreinigungsgerät hat sich seit dem ursprünglichen Prototyp stark weiterentwickelt. Die erste Vorrichtung war eine 100 Meter lange schwimmende Barriere, die einem langen Rohr im Wasser ähnelte. Die neueste Version ist U-förmig und flexibler. Sie ähnelt eher einem Bahnentrenner, wie er etwa in Schwimmbecken genutzt wird. Sobald sich das daran befestigte Netz mit Plastik füllt (in etwa alle paar Wochen), wird es von einem Team aus dem Wasser geholt. Auf den Schiffen, die die Vorrichtung durch das Meer ziehen, wird der Müll entladen und sortiert. Das geleerte Netz wird anschließend wieder ins Wasser gelassen.

Das neue Plastikauffangsystem mit dem Spitznamen „Jenny“ im Pazifischen Müllstrudel.
Das neue Plastikauffangsystem mit dem Spitznamen „Jenny“ im Pazifischen Müllstrudel.

Wenn die Schiffe voll sind, fahren sie an Land, wo das Plastik entladen wird. Dort wird es recycelt. Derzeit verwendet „The Ocean Cleanup“ das Plastik, um Sonnenbrillen im Wert von etwa 200 US-Dollar herzustellen. Der Erlös der verkauften Brillen fließt wiederum erneut in die Aufräumarbeiten.

Die Organisation hofft, mit der Zeit Partnerschaften mit Verbrauchermarken eingehen zu können, um mehr recycelte Produkte herstellen zu können. Slat schätzt, dass das Team etwa zehn solcher Auffangsysteme benötigen werde, um in fünf Jahren 50 Prozent des Pazifischen Müllstrudels vom Plastik zu befreien. Eine dieser Vorrichtung allein könne etwa 10.000 bis 15.000 Kilogramm Plastik pro Jahr aufnehmen, twitterte Slat.

Bedenken gegenüber dem Plastikauffangsystem

Plastik, das sich in einem Netz oder einer „Auffangzone“ ansammelt.
Plastik, das sich in einem Netz oder einer „Auffangzone“ ansammelt.

Das „Ocean Cleanup“-System sammelt verschiedene Arten des im Wasser treibenden Mülls, darunter große Behälter, Fischernetze, aber auch Mikroplastik, das teilweise nur wenige Millimeter groß ist. Momentan fängt es allerdings nur das Plastik ein, das in der Nähe der Wasseroberfläche treibt. Das Problem: Auf dem Meeresgrund befindet sich in etwa 30 Mal so viel Plastik wie an der Oberfläche. Das ging aus einer Studie hervor, die vergangenes Jahr veröffentlicht wurde.

„The Ocean Cleanup“ bestätigt, dass es besonders schwierig sei, das Plastik in der Tiefe aufzusammeln. Mit der Zeit zerfallen große schwimmende Plastikteile zu kleinem Mikroplastik und sinken zu Boden. Aufgrund der Tiefe und der Größe des dort liegenden Mülls sei es deutlich schwerer, das Meer zu reinigen.

Boyan Slat und sein Team sind sich bewusst, dass sie lediglich die Symptome eines Problems bekämpfen. Denn natürlich kann „The Ocean Cleanup“ nicht verhindern, dass das Plastik überhaupt erst in die Meere gelangt. Schätzungen zufolge werden jedes Jahr etwa elf Millionen Tonnen Plastik ins Meer gekippt. Bis 2040 könnte diese Zahl auf bis zu 29 Millionen Tonnen ansteigen.

Ein „Ocean Cleanup“-Mitarbeiter sortiert Plastik auf einem der Hilfsschiffe des Teams.
Ein „Ocean Cleanup“-Mitarbeiter sortiert Plastik auf einem der Hilfsschiffe des Teams.

Ein weiterer Kritikpunkt an dem Auffangsystem der Organisation betrifft die Boote, die die Vorrichtung mitführen. Es wird massenweise Treibstoff benötigt, damit diese Schiffe die Netze gegen die Strömung ziehen können. Auch das habe umweltschädliche Folgen, heißt es von Kritikerinnen und Kritikern.

Ursprünglich war das Auffanggerät so konzipiert, dass es mit Hilfe der Meeresströmung „passiv“, also autonom Plastik einsammeln sollte. Bei dieser Vorgehensweise wurde allerdings zu viel Plastikmüll wieder verschüttet. „The Ocean Cleanup“ ist nach eigenen Angaben bereits dabei, Emissionszertifikate zu kaufen, um die Emissionen der Schlepperschiffe auszugleichen. „Wenn Plastik erst einmal in den offenen Ozeanen ist, wird es sehr teuer. Es würde eine enorme Menge fossiler Brennstoffe kosten, es wieder herauszuholen“, erklärt Miriam Goldstein gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Goldstein ist Direktorin für Meerespolitik bei der US-amerikanischen Organisation „Center for American Progress“.

Slat reagierte im Oktober mit einem Tweet auf die geäußerten Bedenken. Er sagte, es sei an der Zeit, diese Zweifel auszuräumen. „Es gibt noch viele Dinge zu klären“, schrieb er über die Arbeit seiner Organisation. Aber eines wisse man schon jetzt: Eine kleine Flotte solcher Auffangsysteme könne die Meere säubern.

Dieser Artikel wurde von Julia Knopf aus dem Englischen übersetzt und editiert. Das Original lest ihr hier.