3,3 Millionen Deutsche liegen flach - So viele erkältete Deutsche wie noch nie im Sommer - woran das liegt

Die Zahl der Atemwegsinfekte hierzulande war noch nie so hoch, sagt das RKI.<span class="copyright">Getty Images</span>
Die Zahl der Atemwegsinfekte hierzulande war noch nie so hoch, sagt das RKI.Getty Images

3,3 Millionen Deutsche haben momentan eine Sommer-Erkältung – so viele wie nie zuvor. Neben Rhinoviren kursieren hauptsächlich Coronaviren. Warum die Zahl der Atemwegsinfekte derzeit so hoch ist und wie Sie sich schützen können.

In Millionen von Haushalten schniefen und husten die Menschen gerade – trotz des Sommers. Die Zahl akuter Atemwegserkrankungen lag Berechnungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge in den vergangenen Wochen in Deutschland so hoch wie nie zuvor zu dieser Jahreszeit. Das bezieht sich auf den Zeitraum seit Beginn des Webportals GrippeWeb im Jahr 2011. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge zieht gerade eine Corona-Sommerwelle durch Europa.

Bei GrippeWeb können Bürgerinnen und Bürger direkt melden, ob sie in der Vorwoche eine Atemwegserkrankung hatten. Welcher Krankheitserreger die Erkältung oder Grippe auslöst, muss dabei nicht erfasst werden. Laut Wochenbericht des RKI wurde für die Woche vom 29. Juli bis 4. August eine Gesamtzahl von etwa 3,3 Millionen akuten Atemwegserkrankungen in Deutschland errechnet. Das entspricht einer Inzidenz von 3.900 Atemwegsinfekten pro 100.000 Einwohner in einer Woche.

3,3 Millionen Deutsche haben derzeit Husten und Schnupfen

Die Zahl der geschätzten Neuinfektionen ist zwar seit der Vorwoche leicht gesunken. Doch insgesamt zeigt sich seit dem Winter laut GrippeWeb nur ein verhältnismäßig geringer Rückgang der Atemwegsinfekte. In den Vorjahren hingegen war das anders: Da hatten in den warmen Monaten normalerweise viel weniger Menschen Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Fieber.

Das bestätigen auch die Hausarztpraxen. „In unseren Praxen beobachten wir derzeit eine für diese Jahreszeit verhältnismäßig hohe Zahl an Atemwegserkrankungen, die jedoch kein besorgniserregendes Ausmaß hat", sagt Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, auf Anfrage von FOCUS online.

Trotzdem würden mehr Erkrankte eine höhere Belastung der Hausarztpraxen bedeuten. „Gerade regionale Krankheitswellen, wie wir sie aktuell etwa auch bei Keuchhusten beobachten, können die Praxen vor Ort sehr belasten. Verstärkt wird das dadurch, dass es in manchen Regionen durch den hohen Fachkräftemangel nicht genug Hausärztinnen und Hausärzte gibt“, so Beier.

„Sommerwelle von Covid-19“ in ganz Europa

Die Erreger, mit denen es die Hausärzte und Hausärztinnen momentan zu tun haben, seien unterschiedlich. Insbesondere Rhinoviren, also klassische Erkältungsviren, aber auch Sars-CoV-2 würden derzeit kursieren. Influenza- und RS-Viren hingegen spielen nach Angaben des RKI derzeit keine Rolle.

Der WHO spricht derweil mit Blick auf die Daten aus ganz Europa von einer „Sommerwelle von Covid-19“. Der prozentuale Anteil der Patientinnen und Patienten mit Atemwegserkrankungen, die Corona haben, habe sich in dem Zeitraum verfünffacht. In Deutschland liegt die geschätzte Corona-Inzidenz bei 600 Infektionen pro 100.000 Einwohner.

„Zwar ist die absolute Zahl der Fälle niedriger als während der Winterwelle“, schreibt die WHO, dennoch würden Menschen weiterhin wegen Corona in Krankenhäuser eingewiesen. Auch in Deutschland ist die Zahl der Hospitalisierungen in den letzten vier Wochen wegen einer schweren Corona-Erkrankung auf 1,1 pro 100.000 Einwohner gestiegen. Dennoch bewegt sich die Zahl schwerer akuter Atemwegsinfektionen auf einem niedrigen Niveau.

Warum es momentan so viele Atemwegsinfekte gibt

Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband betont, dass die Corona-Infektionen bis auf wenige Ausnahmen mild verlaufen. Nichtsdestotrotz seien auch diese ein Grund für die verhältnismäßig hohe Anzahl an Atemwegserkrankungen. „In den Praxen spüren wir durchaus seit der Pandemie, dass mit Covid-19 eine weitere Infektionserkrankung hinzugekommen ist. Gerade, wenn die verstärkt zirkulierenden Varianten dann ansteckender sind, nimmt oft auch die Zahl der Patientinnen und Patienten zu“, sagt Beier. Derzeit dominieren laut RKI die Varianten KP.3 und KP.3.1.1 mit jeweils 33 Prozent.

Ein weiterer möglicher Grund sei das Wetter. „Gerade, wenn sich die Temperatur sprunghaft abkühlt, man vielleicht nicht die passende Kleidung gewählt hat und dann mehr Zeit gemeinsam drinnen verbringt, kann das das Infektionsrisiko erhöhen“, sagt der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes.

Zudem könnten Massenveranstaltung wie große Sportturniere und Musikfestivals das Infektionsgeschehen treiben, sagt die WHO mit Blick auf die Corona-Infektionen. Auch gebe es gerade weniger Konkurrenz durch andere Erkrankungen wie etwa die Grippe. Covid-19 zirkuliere das ganze Jahr über – deswegen sei mit weiteren Wellen in Zukunft zu rechnen.

So schützen Sie sich vor Atemwegserkrankungen im Sommer

Wie im Winter können wir uns durch bestimmte Hygienemaßnahmen vor Atemwegsinfekten schützen. Dazu gehören nach Beiers Angaben regelmäßiges Händewaschen oder Lüften, aber auch möglichst kurzes Aufenthalten in überfüllten Räumen. „Lassen sich überfüllte oder stickige Räume nicht vermeiden, kann man, wenn man das Ansteckungsrisiko weiter verringern will, auch zur Maske greifen“, sagt Beier.

Die WHO empfiehlt darüber hinaus Risikopatienten, die Corona-Impfung aufzufrischen, „um die Zahl der Krankenhausaufenthalte und Todesfälle bei Risikopatienten zu verringern“. Dazu gehörten ältere und immungeschwächte Menschen, Personen mit mehreren Vorerkrankungen, Schwangere und medizinisches Personal.

Der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverband nimmt angesichts der Versorgung von Atemwegserkrankten auch die Politik in die Pflicht. „Gerade in Herbst und Winter, wenn dann noch die Infekt- und Impfsaison beginnt, bringt das die Praxen schnell an ihre Grenzen. Hier muss die Politik dringend gegensteuern und die geplanten Reformen zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung zeitnah anpassen und umsetzen.“