40 Jahre Deutscher Herbst: Der RAF-Tatort mischt Fakten und Fiktion

Wilhelm Jordan (gespielt von Elias Popp) und Astrid Frühwein (Emma Jane) in den 1970er Jahren auf einer Demo. (Bild: SWR-Presse/Bildkommunikation/dpa)
Wilhelm Jordan (gespielt von Elias Popp) und Astrid Frühwein (Emma Jane) in den 1970er Jahren auf einer Demo. (Bild: SWR-Presse/Bildkommunikation/dpa)

Anlässlich des 40. Jahrestages der „Todesnacht von Stammheim“ befasste sich der Tatort am Sonntagabend mit der RAF. Regisseur Dominik Graf webt dabei historische Aufnahmen in einen aktuellen Fall, der die gegenwärtige Geschichtsschreibung infrage stellt.

Vor 40 Jahren, am 18. Oktober 1977, nahmen sich in einem Gefängnis im Norden Stuttgarts drei inhaftierte Terroristen das Leben. Ihre Namen: Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Sie alle gehörten der ersten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF) an, die in den 70er Jahren mit ihren Aktionen ganz Deutschland terrorisierte.

Dieses Ereignis zum Anlass nehmend, strahlte „Das Erste“ am Sonntagabend einen Tatort aus, der sich im weitesten Sinne mit jener historischen Nacht im Oktober 77 beschäftigt. Titel: Der rote Schatten.

Die beiden Stuttgarter Ermittler Lannert und Bootz bekommen es mit einem für Kriminalkommissare zunächst nicht ungewöhnlichen Fall zu tun: Eine Frau wird tot im Kofferraum eines Unfallwagens entdeckt.

Der Fall hat aber eine Vorgeschichte: Die Frau heißt Marianne Heider und ihre Leiche befand sich bereits in der Rechtsmedizin, bevor sie im Kofferraum gefunden wurde. Sie soll in ihrer Badewanne ertrunken sein. Doch ihr Ex-Mann Christoph glaubte nicht daran. Deswegen hat er ihre Leiche aus der Rechtsmedizin entwendet, um sie mit dem Auto ins Ausland zu transportieren und dort einer neuerlichen Obduktion zu unterziehen. Christoph Heider hat nämlich eine Vermutung: Marianne soll von ihrem aktuellen Freund Wilhelm Jordan ermordet worden sein, der in den 70ern als V-Mann für den Verfassungsschutz gegen die RAF eingesetzt wurde. Auf der Fahrt wird er in einen Unfall verwickelt – und die Stuttgarter Kommissare haben es durch den Fund der „entführten“ Frauenleiche plötzlich mit einem weit in die Vergangenheit reichenden Fall zu tun.

Thorsten Lannert (l., gespielt von Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ermitteln im RAF-Tatort. (Bild: Lino Mirgeler/dpa)
Thorsten Lannert (l., gespielt von Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) ermitteln im RAF-Tatort. (Bild: Lino Mirgeler/dpa)

In Rückblenden sieht man den jungen Jordan (gespielt von Elias Popp) im Umfeld der RAF-Terroristen, gekleidet in Lederjacke und Pali-Tuch. In der Gegenwart wirkt er zwar äußerlich etwas eleganter (Hannes Jaenicke), gilt aber als Tatverdächtiger im Fall der möglicherweise ermordeten Marianne Heider.

Der Fall wirft am Ende viele Fragen auf. Insbesondere zur Rolle des Staates und der Schuldfrage. Denn es kommt heraus: Jordan ist tatsächlich ein Gewalttäter, der auch seine Freundin Marianne auf dem Gewissen hat. Er wurde aber vom Staat gedeckt, weil er einst in die Vertuschungsaktion um die Todesnacht von Stammheim involviert war.

Und damit schlägt der Regisseur erneut den Bogen zu einem realen Thema: Haben sich damals die RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe wirklich das Leben genommen? Oder steckte nicht vielmehr der Staat hinter dem Tod der Inhaftierten?

Dominik Graf („Im Angesicht des Verbrechens“) verschränkt in seiner Regie reelle und fiktive Bilder, Vergangenes mit Aktuellem, Fakten mit Fiktion. Und er demonstriert, wie sich Geschichte wiederholt: Am Ende wird der Verdächtige, Wilhelm Jordan, selbst vom Verfassungsschutz ermordet. Auf einer Pressekonferenz wird sein Tod als Selbstmord verkauft. Könnte es so vor 40 Jahren in Stammheim gewesen sein? Das mussten sich die Zuschauer am Sonntag selbst zusammenreimen.

Fazit: Ein gelungener Krimi, der deutsche Geschichte geschickt in das Korsett einer spannenden Handlung presst. Nicht nur Verschwörungstheoretiker kommen bei diesem Tatort auf ihre Kosten.