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Vor 50 Jahren wurde Mercedes C111 enthüllt

Mit seiner keilförmigen Silhouette musste sich der C111 nicht vor anderen Supersportwagen verstecken.
Mit seiner keilförmigen Silhouette musste sich der C111 nicht vor anderen Supersportwagen verstecken.

Er war der Spitzentrumpf im Autoquartett und als Vorlage für Andy Warhol sogar ein Kunstobjekt: Der Mercedes C111 hatte das Zeug, die Sportwagenwelt aus den Angeln zu heben - ging aber nie in Serie.

Stuttgart (dpa/tmn) - Das Raumschiff Enterprise sieht heute ziemlich altmodisch aus und über KITT aus «Knight Rider» und den DeLorean aus «Zurück in die Zukunft» mag man nur noch milde schmunzeln. Doch wenn irgendwo ein Mercedes C111 auftaucht, wähnt man sich noch immer in der Zukunft. Dabei hat auch der im leuchtenden Orange lackierte Donnerkeil bereits 50 Jahre auf dem Buckel. Doch das einstige Forschungsfahrzeug ist nach wie vor ein Traumwagen.

Der von Flügeltüren gekrönte Supersportwagen, der in zwei Varianten im Herbst 1969 auf der IAA in Frankfurt und im Frühjahr 1970 auf dem Autosalon in Genf enthüllt wurde, war seiner Zeit in Design und Technik so weit voraus, dass er noch heute aussieht, als wäre er von Morgen. Kein Wunder, dass der Wagen auf den Messen allen anderen Neuheiten die Schau gestohlen hat.

Serienfertigung war nie eine Option

Doch die Serienfertigung «war nie geplant», macht Mercedes-Benz-Classic-Sprecher Ralph Wagenknecht klar. Denn so wegweisend das von Bruno Sacco verantwortete Design auch gewesen sein mag: Der C111 war ein reines Forschungs- und Experimentalfahrzeug. Und dafür seien ein Dutzend Exemplare in vier nur dezent modifizierten Serien fast schon eine große Stückzahl, gibt Wagenknecht zu bedenken: Die allermeisten Forschungsfahrzeuge danach sind Einzelstücke geblieben.

Der Einsatz von verstärkten Kunststoffen im Karosseriebau sollte den Designern zu neuen Erkenntnissen verhelfen und der Wankelmotor so endlich seinen Durchbruch schaffen, benennt Wagenknecht die Prioritäten der Ingenieure. Im Heck der Flunder kreisten deshalb anfangs Motoren mit bis zu vier Scheiben, einem Brennvolumen von maximal 2,4 Litern und bis zu 257 kW/350 PS. Der schnellste C111 beschleunigte damit aus dem Stand in 4,8 Sekunden auf Tempo 100 und erreichte bis zu 300 km/h.

Dann kam Mercedes die Ölkrise in die Quere, Supersportwagen waren plötzlich genauso aus der Mode wie Geschwindigkeitsrekorde, und die Wankelmotor-Idee wurde endgültig eingemottet. Nicht aber der C111, zitiert Wagenknecht aus der Modell-Chronik. Auf der Suche nach effizienten Antriebsalternativen setzte Mercedes auf den Diesel und wollte ihm mit Rekordfahrten das Image des Schleichers nehmen.

Mit dem Diesel nach Apulien

«Und welches Auto wäre dafür besser geeignet als der C111?» wiederholt Wagenknecht die rhetorische Frage, die den Tross der Tester 1976 auf die kreisrunde Hochgeschwindigkeits-Teststrecke von Nardo in Apulien führte. Angetrieben vom Fünfzylinder-Diesel aus dem «Strich-Acht», aber mit 139 kW/190 PS mehr als doppelt so stark, stellten dort vier Fahrer in 60 Stunden 16 Weltrekorde auf und absolvierten ihre Versuchsfahrten mit einem Schnitt, der alle Vorurteile widerlegte: 252 km/h zeigten die Messgeräte am Ende.

Derart motiviert kamen die Ingenieure zwei Jahre später zurück nach Nardo mit einem in Silber lackierten und mit Stromlinienkarosserie verkleideten C111, der auf 169 kW/230 PS kam und so sogar die 300 km/h-Grenze knackte. Aber auch das war noch nicht das Ende der Fahnenstange. Das erreichte erst die vierte Iterationsstufe des C111, die - mit einem rund 367 kW/500 PS starken V8-Benziner bestückt - ein Jahr später mit knapp 404 km/h den Rundstreckenrekord brach.

Kein Wunder, dass der C111 nach Ende seiner Dienstzeit nicht lange bei den Prototypen parkte, sondern schnell einen Platz im Museum bekam. Denn ihre Strahlkraft haben die leuchtend orangen Flügeltürer bis heute nicht verloren. Und auch die Faszination beim Fahren ist sofort wieder da, wenn einer der rüstigen Rentner noch einmal Auslauf bekommt. Selbst dann, wenn keiner der Experimental- oder Rekordmotoren eingebaut wurde.

Pepita-Sitze und Klimaanlage

Ja, ein C111 ist flach und eng. Der Einstieg über den breiten Seitenschweller erfordert ein wenig gymnastisches Geschick. Doch dass man dabei in einem reinen Entwicklungsträger sitzt, davon ist an Bord nichts zu spüren. Denn auch wenn das Leder mittlerweile etwas brüchig geworden ist und manche Fugen gefährlich aus dem Ruder laufen, erkennt man allen Luxus, der einen Mercedes ausmacht.

Es gibt Ledersitze mit Stoffbahnen in einem wunderbaren Pepita-Muster und eine Klimaanlage, ja sogar ein Radio hatten die Entwickler den Testfahrern gegönnt, selbst wenn es aus Platzgründen hochkant eingebaut werden musste. Wer einmal in einem C111 saß und mit ihm gefahren ist, der kann noch weniger verstehen, dass Mercedes diesem Flügeltürer den Start verweigert hat. Und je nach persönlicher Finanzlage erwächst daraus der unbändige Wunsch, das nachträglich zu ändern und eines der Autos aus dem Museum herauszukaufen.