500 Euro für Arme - Weihnachtsgeld für Rentner: Das steckt hinter dem SPD-Vorschlag
Die SPD möchte armen Rentnern ein Weihnachtsgeld in Höhe von 500 Euro schenken – zunächst nur in Thüringen, später bundesweit. Bei den Wählern kommt die Idee an, aber ist sie auch volkswirtschaftlich sinnvoll?
Georg Maier, Spitzenkandidat der SPD in Thüringen und zumindest bis zur Landtagswahl im Herbst noch Innenminister des Bundeslandes, führt Wahlkampf gerade mit einer neuen Idee. Ende Mai schlug er zum ersten Mal vor, Rentner in Thüringen ein Weihnachtsgeld von 500 Euro u zahlen. Das Geld sollen nicht alle Menschen im Ruhestand bekommen, sondern nur solche, die entweder Grundsicherung im Alter beziehen oder einen Grundrentenzuschlag erhalten. „Gegen die soziale Schere“ will er damit vorgehen und Umfragen geben ihm Recht. 66 Prozent der Thüringer finden die Idee laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Insa gut. Die Zustimmung ist nahezu unabhängig von Parteivorlieben – auch potenzielle Wähler der AfD (68 Prozent) und des BSW (71 Prozent) waren überdurchschnittlich dafür, wenngleich die Zustimmung bei Wählern der Linken (78 Prozent) und SPD (76 Prozent) am höchsten war.
Solch hohe Zustimmungswerte sind nicht überraschend: 37 Prozent der Menschen in Thüringen sind Rentner. Das ist einer der höchsten Werte aller Bundesländer. Und wer kriegt nicht gerne extra Geld vom Staat geschenkt? Doch hohe Popularität macht eine Idee nicht gleich auch gut. Deswegen lohnt ein genauerer Blick auf den Vorschlag.
Wer würde das Weihnachtsgeld bekommen?
Maier schlägt vor, die Extra-Zahlung allen Empfängern von Grundsicherung im Alter und eines Grundrentenzuschlags zukommen zu lassen. Zu erstem gibt es genaue Zahlen: So bezogen 5860 Thüringer im Jahr 2022 Grundsicherung im Alter. Bundesweit waren es knapp 600.000 Rentner. Die Empfänger des Grundrentenzuschlags sind nicht genau nach Bundesland aufgelistet. Die SPD selbst schätzt die Zahl für Thüringen auf rund 48.000 Rentner, laut Bundessozialministerium gibt es in ganz Deutschland rund 1,1 Millionen Empfänger.
Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben Menschen, die die Regelaltersgrenze überschritten haben und deren Einkommen aus Renten, privater Vorsorge und anderen Quellen zu gering ist, um den Lebensunterhalt damit zu gestalten. Zudem müssen sie vorher ihr Erspartes aufgebraucht haben. Es gibt genaue Regelungen, was alles für die Berechnung zu Einkommen und Vermögen zählt, weswegen sich keine genauen Aussagen darüber treffen lassen, ab wie viel Euro monatlichem Einkommen ein Anspruch besteht. Die Deutsche Rentenversicherung gibt als Faustregel aber maximal 1015 Euro pro Monat an. Das wäre in etwa auf dem Niveau des steuerlichen Grundfreibetrags, der als Existenzminimum in Deutschland definiert ist.
Den Grundrentenzuschlag bekommen Menschen, die mindestens 33 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt haben, deren Einkommen aber so unterdurchschnittlich waren, dass die daraus resultierende Rente nicht ausreicht. Der Zuschlag liegt im Schnitt bei 86 Euro pro Monat.
Was würde das Weihnachtsgeld für diese Menschen ausmachen?
500 Euro einmalig im Jahr entsprächen einer Rentenerhöhung von 41,67 Euro pro Monat. Angenommen der Schwellwert für die Grundsicherung im Alter läge bei 1015 Euro entspräche das einer impliziten Rentenerhöhung um etwa 4,1 Prozent.
Die Zahlung würde nicht dazu führen, dass diese Rentner plötzlich steuerpflichtig würden. Dazu sind die Beträge weiterhin zu gering.
Was würde das den Staat kosten?
Das Schöne am SPD-Vorschlag ist, dass sich die Kosten sehr leicht berechnen ließen. Für Thüringen wären es bei 500 Euro für rund 54.000 Personen rund 27 Millionen Euro pro Jahr. Bundesweit wären es bei 1,7 Millionen Empfängern 850 Millionen Euro pro Jahr. Gemessen an den sonstigen Ausgaben für die Rente wäre das ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Summe würde bundesweit die Kosten für die Altersrenten nur um 0,25 Prozent ansteigen lassen.
Gibt es in anderen Staaten ein „Weihnachtsgeld“ für Rentner?
Die Idee, Rentnern mehr als nur zwölf reguläre Monatsrenten zu bezahlen, ist nicht neu. Maier selbst verweist auf die Schweiz, die im März in einer Volksabstimmung eine 13. Monatsrente beschloss. Dort bekommen allerdings alle Rentner die Extra-Zahlung, nicht nur die Ärmsten. Zudem werden dafür die Rentenbeiträge erhöht. 13 Monatsrenten gibt es auch in Italien. Griechenland zahlt seinen Rentnern seit 2019 wieder eine Art Weihnachtsgeld. Spanien, Portugal und Polen zahlen sogar 14 Monatsrenten, wobei die 14. Zahlung in Polen nur an die ärmsten Rentner geht. Außerhalb Europas werden in Ländern wie Argentinien, Brasilien, Uruguay, Mexiko, Ecuador, Peru und den Philippinen mehr als 12 Monatsrenten ausgezahlt. Die Modalitäten unterscheiden sich jedoch, und nicht alle Rentner erhalten diese zusätzlichen Zahlungen.
Ist das Weihnachtsgeld eine gute Idee?
Letztendlich ist der Vorschlag von Maier nichts anderes als eine Rentenerhöhung für alle Empfänger von Grundsicherung im Alter und dem Grundrentenzuschlag. Statt einer Einmalzahlung könnte man also auch einfach die Bezüge für diese beiden Sozialhilfen erhöhen. Ob ein Rentner jetzt mehr von zwölf kleinen Erhöhungen oder einer größeren Einmalzahlung hat, sei dahingestellt. Was das Weihnachtsgeld auf jeden Fall nicht erreicht, ist es, die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung zu lösen – im Gegenteil, es erhöht noch die Kosten, wenngleich nur gering.
Gleichwohl findet die Grundidee, niedrige Renten stärker aufzustocken, auch bei Ökonomen Anklang. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kam jüngst in einer Analyse zu dem Schluss, dass Rentner mit niedrigeren Bezügen benachteiligt werden, weil sie im Schnitt eine geringere Lebenserwartung haben. Die Wirtschaftsweisen hatten in ihrem Jahresbericht im vergangenen Jahr ebenfalls vorgeschlagen, den Wert von Rentenpunkten für Menschen mit unterdurchschnittlichen Renten leicht zu erhöhen und im Gegenzug für Spitzenverdiener leicht zu senken. Das soll insbesondere verhindern, dass in den kommenden Jahren Millionen von Frauen, wie wegen Kindererziehung oft nur Teilzeit arbeiten, wegen zu geringer Rentenansprüche in die Grundsicherung fallen.
Welche anderen Ideen gibt es?
Abgesehen von der SPD-Idee konzentrieren sich die meisten Parteien darauf, das Rentensystem mit unterschiedlichen Vorschlägen finanziell fit für die Zukunft zu machen. Wichtiges Anliegen aller ist dabei, eine steigende Altersarmut zu verhindern. Mit dem Rentenpaket II wollte die Ampel-Koalition unter anderem einen Aktienfonds namens Generationenkapital starten, dessen Einnahmen ab 2035 die Rentenkasse entlasten sollen.
Daneben werden verschiedene Maßnahmen diskutiert. Für mehr Einnahmen würden CDU/CSU und FDP etwa gerne das Renteneintrittsalter erhöhen. Einig sind sich alle Parteien darin, dass für Rentner finanzielle Anreize geschaffen werden sollen, trotz Erreichen der Regelaltersgrenze noch weiterzuarbeiten. Auf der anderen Seite wollen die Konservativen und die Liberalen aber bei den Ausgaben sparen. Die abschlagsfreie „Rente mit 63“ soll gestrichen werden und Rentenerhöhungen für Jahre ausgesetzt werden. Die Wirtschaftsweisen hatten in ihrem Jahresgutachten dafür plädiert, Rentenerhöhungen künftig an der Inflation statt der Lohnentwicklung zu orientieren . Praktisch würde das ebenfalls auf geringere Erhöhungen hinauslaufen und damit indirekt auf eine Rentenkürzung.
So hat denn Maiers Vorschlag auch kaum Chancen, bundesweit eingeführt zu werden. Dazu müsste der Bundestag einer Gesetzesänderung zustimmen. Da die Opposition geschlossen dagegen stimmen würde und zudem sich auch die FDP gegen weitere „Rentengeschenke“ wehrt, ist das unwahrscheinlich.