60-Stunden-Woche und Kakerlaken - Mitarbeiter machen DB krasse Vorwürfe - lesen Sie hier die lasche Reaktion der Bahn

Auf einer Zugfahrt quer durch Deutschland hat FOCUS online mit erschöpften Bahnmitarbeitern über die katastrophalen Arbeitsbedingungen bei der Deutschen Bahn gesprochen. Hier sind ihre drei schärfsten Vorwürfe - und die lahmen Antworten der DB.

Für eine FOCUS-online-Recherche zu den Arbeitsbedingungen bei der Deutschen Bahn haben wir jüngst mit zahlreichen Bahnmitarbeitern gesprochen– die teils schockierende Details über ihre Jobs enthüllten.

Zu den krassesten Vorwürfen haben wir die Pressestelle der DB um eine Stellungnahme gebeten. Die kam nicht nur nach der gesetzten Frist, sondern wirkt angesichts der Schwere der Vorfälle lahm und abwiegelnd.

Erschöpfte Bahnmitarbeiter: „Wir arbeiten bis zu 60 Stunden, bevor wir einen Tag frei bekommen“

Das erzählt ein gestresster Lokführer, der sich nach den jüngsten Berichten über die katastrophalen Arbeitsbedingungen bei FOCUS online gemeldet hat. „Das hält man auf Dauer nicht aus“, erklärt er.

Frühschicht folgt auf Nachtschicht, manchmal arbeitet er 50 bis 60 Stunden, bevor er einen Tag frei hat, erzählt der Mann. Auch die Kollegen in den Werkstätten würden Sonderschichten schieben, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Dass er sich bei unserer Redaktion gemeldet hat, beschreibt der Lokführer, der nach eigenen Angaben 20 Jahre Berufserfahrung hat, als „Hilferuf aus der Belegschaft“. Interne Kritik verpuffe regelmäßig ohne Wirkung.

Antwort der Deutschen Bahn: „Wie Mitarbeitende bei der DB eingesetzt werden, beruht auf Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes, tariflichen Bestimmungen und ergänzenden betrieblichen Regelungen. Sämtliche Einsätze, Ruhezeiten und Freistellungen werden von den Betriebsräten mitbestimmt. Sollten Überstunden anfallen, können sich die Mitarbeitenden die diese je nach Tarifvertrag beispielsweise auszahlen, sie auf ein Langzeitkonto oder in die betriebliche Altersvorsorge einzahlen, oder eine Freistellung beantragen.“

Mangelnde Hygiene: „An meinem Arbeitsplatz krabbeln Spinnen und Kakerlaken“

Über die mangelnde Hygiene bei der DB beschwert sich ein Fahrdienstleiter. An seinem Arbeitsplatz habe er Spinnen und Kakerlaken entdeckt, auf die Genehmigung für ein einfaches Fliegengitter wartete der Mann eigenen Angaben zufolge rund 2,5 Jahre.

„Die DB benimmt sich immer noch wie eine aufgeblähte Behörde“, sagt er. Das System habe ihn „gesundheitlich ruiniert“, deswegen müsse er nun „dringend weg“. Er habe nach rund sieben Jahren die Kündigung eingereicht. Den Krankenstand in seiner Abteilung beschreibt der Fahrdienstleiter als überdurchschnittlich hoch.

Antwort der Deutschen Bahn: Zu diesen Aussagen äußerte sich die DB-Pressestelle in ihrer Stellungnahme nicht.

„Die Einsatzplanung ist ein einziges Chaos.“

Die Bahnmitarbeiter erzählten unserem Reporter, dass Baustellen und Störungen oft mit immensen Belastungen für sie einhergehen. Unter anderem wegen „rückständiger Befehlsübermittlungen“ an die Lokführer bedeute jede neue Baustelle für die Fahrdienstleiter „Stress pur“.

Alles müsse zur Sicherheit wiederholt werden, was zu weiteren Verspätungen führe. Ein Mitarbeiter spricht insgesamt von einem „unmenschlichen Schichtsystem“ mit zu kurzen Regenerationsphasen.

Antwort der Deutschen Bahn: „Baustellen arbeiten wir in den allermeisten Fällen direkt im Fahrplan ein, so dass sie für Fahrdienstleiter:innen keinen zusätzlichen Aufwand bedeuten. Um Fahrgästen bei einer kurzfristigen Störung eine Weiterfahrt ermöglichen zu können, stehen Fahrdienstleiter:innen und Lokführer:innen im direkten Austausch. Damit wird sichergestellt, dass die Informationen korrekt weitergegeben werden.“

Generalsanierung als Allheilmittel

Massive Probleme - ziemlich knappe Antworten. Wertschätzung für die Anliegen und Sorgen ihrer Mitarbeiter oder gar Lösungsvorschläge liest man aus der DB-Stellungnahme kaum heraus.

Mit Ausnahme von einem Verweis auf das neue, hauseigene Prestigeprojekt, der sogenannten „Generalsanierung“, die ein „robustes Hochleistungsnetz“ schaffen soll: „Eine alte, störanfällige Infrastruktur belastet und frustriert auch unsere Kolleginnen und Kollegen, das können wir sehr gut verstehen", heißt es in der Erklärung immerhin. „Mit einem neuen Baustellenkonzept bauen wir nach Fahrplan und im festen Takt.“

Dieses Jahr soll so die Überalterung der Infrastruktur erstmals gestoppt werden, sogar von einer „Trendwende“ ist die Rede. Dass die allerdings viel zu spät kommt und erst einmal monatelange Zugausfälle und Verspätungen mit sich bringt, sollte auch den Zuständigen klar sein.

Bleibt abzuwarten, wie sich diese „enorme Kraftanstrengung“, wie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) die Genrealsanierung jüngst bezeichnete, auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter und das Stresslevel der Fahrgäste auswirkt.