70 Jahre Bambi: "Meine Mama kennt hier jeden"

Es ist ein glanzvoller Abend. In aller Hände sieht man ein goldenes Rehkitz und man weiß: Es ist wieder Bambi-Preisverleihung. Wer schnell genug “Hier!” ruft, darf sich einen abholen. 70 Jahre geht das nun schon so. Grund genug, das Programm mal zu überdenken.

Thomas Gottschalk bekommt von Liv Tyler einen Ehrenbambi oder Sonderbambi oder Garantiebambi oder wie man das nun nennt. Seine sind abgebrannt, dafür erhält er einen neuen. (Bild: Getty Images)
Thomas Gottschalk bekommt von Liv Tyler einen Ehrenbambi oder Sonderbambi oder Garantiebambi oder wie man das nun nennt. Seine sind abgebrannt, dafür erhält er einen neuen. (Bild: Getty Images)

Der 34-jährige Mark Forster ist es, der am Ende das auf den Punkt bringt, was sich jeder Zuschauer seines Alters wohl denken mag, wenn einer von denen überhaupt vor dem TV sitzt. Der Sänger sagt in seiner Dankesrede für die Ehrung als Bester Musiker National: “Der Bambi ist ein Preis, wo ich meine Mama mitnehmen kann und die kennt dann alle.” Soll heißen: der Bambi ist alt. Stimmt auch: 70 Jahre alt sogar. Was Mark Forster nicht sagt: Der Bambi ist überholt.

Drei Stunden Programm vergehen, ohne einen einzigen Überraschungsmoment. Zwar haben sich die Veranstalter von Hubert Burda Medien große Mühe gegeben, auch das junge Publikum anzusprechen, so lassen sie beispielsweise den Publikumspreis unter vier jungen Musikkünstlern vergeben, die dadurch berühmt geworden sind, dass sie ihre Songs zuerst kostenfrei im Netz hochluden. Außerdem haben die Burdas den DJ Felix Jähn ebenso eingeladen wie Die Lochis. Und Lena Gerke hält eine Laudatio auf Mark Forster. Kurz: Der Nachwuchs ist da – und trotzdem war es langweilig. Wie die Quoten letztendlich ausfielen, war zum Zeitpunkt des Textes noch nicht klar. Im vergangenen Jahr, landete der Bambi aber, hinter den „Bergrettern“ vom ZDF, nur auf Platz zwei.

Große Gala: Der Bambi feiert 70. Geburtstag in Berlin

Am spannendsten sind dann noch die Preise, die an jene Menschen gehen, die wir nur sporadisch aus dem Fernsehen kennen. Beispielsweise geht der Sonderpreis der Jury an Patrick Lange. Der war in diesem Jahr neun Minuten schneller als je ein Mensch zuvor beim Iron Man auf Hawaii gewesen ist – Lichtjahre, wenn man die harten Disziplinen des Wettkampfes betrachtet. 3,8 Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer durch die Gluthitze der Lavafelder einen Marathon laufen. Patrick Lange bedankt sich mit zitternder Stimme: „Ganz, ganz herzlichen Dank, auch für die Standing Ovations.“

Paula Beer bekommt den Bambi und freut sich über so viel Aufmerksamkeit. (Bild: Getty Images)
Paula Beer bekommt den Bambi und freut sich über so viel Aufmerksamkeit. (Bild: Getty Images)

Ein weiterer Moment, der einen kurz aus seinem Sofakoma reißt, ist, als Marie Bäumer, die als beste Schauspielerin für ihre Rolle der Romy Schneider nominiert wurde, nach vorn stürmt. Doch Heino Ferch hält sie auf: „Du bist es doch noch gar nicht“, sagt er und Bäumer setzt sich wieder hin. Am Ende gewinnt ihre Konkurrentin Paula Beer für ihre Hauptrolle in der Serie „Bad Banks“.

Mehr als 1000 Mal wurde der Bambi bereits vergeben. Heinz Rühmann bekam die meisten – genau 12 Rehe standen in seinen Vitrinen. Aber auch Leute wie Arnold Schwarzenegger, Bill Clinton, Bill Gates, Mohamed Ali, Paul McCartney, Ai WeiWei und der Papst durften diesen Preis erhalten. Diesmal ist aus Hollywood Penelope Cruz angereist. Und das ist auch ein Bambi-Problem. Egal welcher Star aus Übersee – alle dürfen einen Preis bekommen, die Begründungen sind austauschbar, denn jeder von ihnen hat etwas auf dem Kasten. Dass das auch schief gehen kann, zeigte das #goslinggate der Goldenen Kamera vor einem Jahr.

Bambis für Penélope Cruz, Sebastian Koch und Claudio Pizarro

Paul Breitner ehrt Claudio Pizarro in der Kategorie Sport. Der leistet im Einspieler einen kleinen Beitrag zur Völkerverständigung und sagt, als er 1999 aus Peru nach Deutschland gekommen sei, war das ein Kulturschock, aber er wollte nur Fußball spielen. In seiner Rede sagte er schließlich: „In meinem Kopf, am Ende ist nur: Danke!“

Michi Beck von den Fantastischen Vier holt Udo Lindenberg auf die Bühne, der nicht nur den Publikumspreis vergibt (an Michael Schulte, auch ein altbekanntes Gesicht mittlerweile), sondern auch ein Lied singt, das die politische Zeile beinhaltet: „Wir haben doch nicht die Mauer eingerissen, damit die jetzt wieder neue bauen.“ Danke Udo für diesen Inhalt an einem recht oberflächlichen Abend.

Der Abenteurer Johan Ernst Nilson bekommt den Unsere-Erde-Bambi. Auch er will sinnstiftend wirken, kann aber leider nur mit Plattitüden, obwohl so wahr, herhalten. Er sagt: „Wir haben keinen Plan B, wir müssen die Probleme der Welt heute lösen.“ Und: „Das größte Problem, das die Erde hat, sind wir!“

„Babylon Berlin“ wird als beste deutsche Serie ausgezeichnet, Luke Mockridge als bester Comedian, Dua Lipa darf sich den Bambi für Musik International ins Regal stellen. Und Liselotte Pulver, bekannt seit den 1950er Jahren, bekommt einen für ihr Lebenswerk. Sie bedankt sich ganz bodenständig: „Guten Abend liebe Berliner, liebes Film- und Fernsehpublikum. Es ist schon eine tolle Sache, wenn man in so hohem Alter so geehrt wird. Ich danke Ihnen sehr herzlich für diese große Ehre.“ Und geht ab.

Und auch Thomas Gottschalk darf einen Bambi bekommen. Wofür? Dafür, dass seine alle in den Feuern von Kalifornien verbrannt sind. Dieser Preis ist also eher eine nette Geste der Unterstützung. Und er zeigt doch, übrigens überreicht von Liv Tyler, die keine größere Rolle mehr übernehmen darf, dass der Bambi irgendwie beliebig geworden ist. Im nächsten Jahr täte zumindest eine Straffung des Programms allen Beteiligten gut.

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