75.000 Beschäftigte weltweit - Heute ist Showdown beim DB-Schenker-Verkauf! Was alles auf dem Spiel steht
Der Logistiker DB-Schenker soll nach Dänemark verkauft werden. Eigentlich war schon alles in trockenen Tüchern, doch jetzt rebellieren einige Aufsichtsräte. Können sie den Verkauf, der langfristig Tausende von Arbeitsplätzen kosten wird, noch verhindern?
Im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn steht heute eine Kampfabstimmung an, die signalisiert, wie sehr das Staatsunternehmen noch an den eigenen Standort glaubt. Es geht um den größten Verkauf in der Geschichte der Deutschen Bahn und um die Frage, ob der einzige wirkliche Gewinnbringer des Unternehmens unwiederbringlich ins Ausland verkauft und dort zerschlagen wird, oder ob er eine Chance bekommt, sich in Deutschland weiterzuentwickeln. Linktipp: Ringen um DB-Schenker
Es geht auch um rund 75.000 Beschäftigte weltweit, deren Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Es geht um eine Konzernzentrale in Essen, die entweder erhalten bleibt und hier Steuern zahlt oder zu einer von vielen Niederlassungen eines ausländischen Konzerns degradiert wird. Und schließlich geht es um den Fortbestand einer Marke, die seit über 150 Jahren in Deutschland und darüber hinaus für funktionierende Logistik steht.
Dänen geht es um Marktbereinigung
Folgendes ist passiert: Die Logistiktochter der Deutschen Bahn, DB-Schenker, soll verkauft werden, der Vertrag ist an sich schon in trockenen Tüchern. Der Verkauf, den die Bahn vor allem nach dem Kriterium „Wer zahlt am meisten“ über die Bühne gebracht hat, ist heikel. Das liegt vor allem daran, dass Schenker-Konkurrent DSV den Ruf hat, Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Den Dänen geht es um Marktbereinigung, und wo sie aufgeräumt haben, bleibt am Ende nicht viel mehr übrig als der eigene Laden. 2019 schluckte DSV die einst stolze Schweizer Panalpina und setzte anschließend ein Drittel der Belegschaft vor die Tür.
Auch bei Schenker sieht es nicht gut aus. Die Arbeitsplätze sind nur für zwei Jahre garantiert, der Name soll verschwinden. Was von der Konzernzentrale in Essen übrig bleibt, steht in den Sternen. DSV-Chef Jens Lund sagte jetzt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", es werde Entlassungen geben, „aber nicht im großen Stil". Die Arbeitnehmerseite im Bahn-Aufsichtsrat wird die Entscheidung für die Dänen aber schon aus diesem Grund ablehnen.
Arbeitnehmervertreter lehnen den Verkauf ab
Die Eisenbahnergewerkschaft und die GDL haben angekündigt, gegen den Verkauf an DSL zu stimmen - wobei die Gewerkschaft der Lokomotivführer gestern Abend in einer kunstvoll gedrechselten Mitteilung den Verkauf zwar grundsätzlich befürwortet, aber das jetzige Verfahren ablehnt. „Der DB-Konzern wird seiner Verantwortung für die Arbeitsplätze in keiner Weise gerecht und zeigt keinerlei soziales Gewissen - das wird es mit der GDL nicht geben“, stellt der GDL-Bundesvorsitzende Mario Reiß klar und kritisiert, dass das Bieterverfahren dem Aufsichtsrat nicht vergleichbar und transparent dargestellt wurde.
Genau hier setzt auch ein Gutachten an, das der unterlegene Bieter, der Finanzinvestor CVC, am Freitag ganz zuletzt an den Aufsichtsrat verteilt hat. CVC bemängelt zum Beispiel, dass man nach einem offenbar erhöhten Angebot der dänischen Verhandlungspartner nicht auch die Möglichkeit gehabt habe, ein allerletztes Angebot abzugeben.
CVC will Schenker an die Börse bringen
Auch hat der Finanzinvestor eine andere Perspektive als sein Konkurrent: Während DSV Schenker schlucken will, will CVC das Unternehmen profitabler machen, erhalten und mittelfristig an die Börse bringen. Klar ist: Auch dieser Weg wird am Ende nicht ohne eine Verkleinerung von Schenker gehen. Schenker ist nach Angaben von Insidern längst nicht so profitabel wie vergleichbare andere Logistikunternehmen. Auch hier hat die Bahn wohl ihre mangelnden Managementqualitäten unter Beweis gestellt. Aber immerhin hätte Schenker unter dem Dach von CVC eine deutsche Perspektive.
Bahnchef Richard Lutz verteidigt den bislang anvisierten Deal dennoch: „Der Verkaufsprozess für DB Schenker war von der Deutschen Bahn AG als Eigentümerin nach EU-Recht transparent, offen und diskriminierungsfrei aufgesetzt“, begründet er in einem Podcast die Entscheidung für die Dänen. Und: Entscheidend sei die wirtschaftliche Attraktivität des Angebots gewesen.
Showdown im Aufsichtsrat
Damit kommt es heute zum Showdown im Aufsichtsrat. Beide Gewerkschaften haben neun Sitze, unklar ist noch, wie sich das Aufsichtsratsmitglied verhalten wird, das für die Führungskräfte im Unternehmen spricht. Sie dürften aber unter dem Dach der DSV in eine ungewisse Zukunft gehen. Die Arbeitgeberseite und die politischen Vertreter im Aufsichtsrat haben zehn Stimmen, bei Pattsituationen kann die Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden den Ausschlag geben.
Das wäre dann die Stimme von Werner Gatzer, der vor einem Jahr seinen Posten als Staatssekretär im Finanzministerium räumen musste, nachdem das Bundesverfassungsgericht den von ihm maßgeblich mitgestalteten Haushalt für rechtswidrig erklärt hatte. Auch Gatzer könnte sich gefragt haben, ob der Verkauf an die Dänen klug war.
Der vom Bund angestoßene Verkauf der Commerzbank-Anteile an einen italienischen Konkurrenten hatte in der vergangenen Woche eine ungeahnte Protestwelle ausgelöst, so dass sich schließlich sogar Bundeskanzler Olaf Scholz gezwungen sah, den weiteren Verkaufsprozess der Commerzbank-Anteile vorerst zu stoppen. Dass der Verkauf der profitablen Bahntochter in der Politik nun Jubelstürme auslösen wird, ist auch bei einem hohen Verkaufspreis nicht zu erwarten. Linktipp: Bei drei Unternehmen wird klar, dass der Staat ein grottenschlechter Eigentümer ist