Erster Urnengang seit Massenprotesten: Sri Lanka hat seinen Präsidenten gewählt

Zwei Jahre nach den Massenprotesten in Sri Lanka haben die Bürger des südasiatischen Inselstaats ihr künftiges Staatsoberhaupt gewählt. Mit den Ergebnissen wird für Sonntag gerechnet, einen klaren Favoriten gab es nicht. (Ishara S. KODIKARA)
Zwei Jahre nach den Massenprotesten in Sri Lanka haben die Bürger des südasiatischen Inselstaats ihr künftiges Staatsoberhaupt gewählt. Mit den Ergebnissen wird für Sonntag gerechnet, einen klaren Favoriten gab es nicht. (Ishara S. KODIKARA) (Ishara S. KODIKARA/AFP/AFP)

Zwei Jahre nach den Massenprotesten in Sri Lanka haben die Bürger des südasiatischen Inselstaats ihr künftiges Staatsoberhaupt gewählt. Die Wahllokale schlossen am Samstag um 16.00 Uhr Ortszeit (12.30 Uhr MESZ). Die Wahl verlief friedlich - dennoch verhängten die Behörden kurzfristig eine achtstündige Ausgangssperre während der Nacht zum Sonntag. Mit den Wahlergebnissen wird erst für Sonntag gerechnet, einen klaren Favoriten gab es nicht.

Übergangspräsident Ranil Wickremesinghe, der zu den 39 Kandidaten bei der Wahl zählte, bezeichnete die Ausgangssperre als "zusätzliche Maßnahme zum Schutz der Menschen", wie die Polizei mitteilte. Zuvor hatte die Wahlkommission den Urnengang allerdings als den friedlichsten in der Geschichte des Landes bezeichnet.

Zu der Wahl waren mehr als 17 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen gewesen. Die Wahlbeteiligung lag laut vorläufigen Zahlen bei rund 75 Prozent, wie ein Vertreter der Wahlkommission mitteilte. Die bisherige Rekordbeteiligung an einer Präsidentschaftswahl in Sri Lanka war 2019 mit 83,7 Prozent erreicht worden.

Es war die erste Präsidentschaftswahl in dem südasiatischen Land seit den Protesten während der massiven Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2022 zum Sturz von Präsident Gotabaya Rajapaksa geführt hatten. Nach seinem Sturz hatte das Parlament damals Wickremesinghe zum Interims-Staatschef ernannt.

Die Wahl am Samstag war de facto eine Abstimmung über den strikten Sparkurs, der dem südasiatischen Land vom Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gegenzug für Hilfen auferlegt worden ist. "Ich habe dieses Land aus dem Bankrott herausgeführt", sagte der 75-jährige Wickremesinghe nach seiner Stimmabgabe. "Ich werde Sri Lanka nun eine entwickelte Wirtschaft, ein entwickeltes Sozialsystem und ein entwickeltes politisches System liefern", versicherte er.

Die von Wickremesinghe eingeführten Steuererhöhungen und andere an das Rettungspaket von 2,9 Milliarden Dollar (rund 2,6 Milliarden Euro) geknüpfte Maßnahmen haben dazu geführt, dass Millionen Menschen in dem Land nicht mehr über die Runden kommen. Mehr als ein Viertel der 22 Millionen Einwohner des Inselstaats im Indischen Ozean leben laut der Weltbank unter der Armutsgrenze.

Es wird allerdings erwartet, dass Wickremesinghe das Amt abgeben muss. Die größten Chancen wurden Anura Kumara Dissanayaka von der linksgerichteten JVP und dem Oppositionsführer Sajith Premadasa eingeräumt.

Dissanayakas Partei hatte in den 1970er und 1980er Jahren zwei gescheiterte Aufstände angeführt, bei denen mehr als 80.000 Menschen um Leben kamen. Sie erhielt bei der jüngsten Parlamentswahl weniger als vier Prozent der Stimmen. Die Wirtschaftskrise hat sich jedoch als Chance für den 55-Jährigen erwiesen, der durch sein Versprechen, die "korrupte" politische Kultur der Insel zu ändern, starken Zulauf erhielt.

In einem Wahllokal zeigte sich Dissanayaka siegessicher. "Nach dem Sieg darf es keine Zusammenstöße und keine Gewalt geben", sagte der linksgerichtete Kandidat. "Unser Land braucht eine neue politische Kultur." Sowohl Dissanayaka als auch sein 57-jähriger Rivale Sajith Premadasa haben versprochen, die Bedingungen des IWF-Rettungspakets neu auszuhandeln.

Viele Wähler seien "sehr enttäuscht von der Art und Weise, wie das Land regiert wurde" und versuchten, eine deutliche Botschaft zu senden, sagte Murtaza Jafferjee vom Politikinstitut Advocata der Nachrichtenagentur AFP.

"Das Land hat viel durchgemacht", sagte die Anwältin und Musikerin Soundarie David Rodrigo der AFP, nachdem sie in Colombo ihre Stimme abgegeben hatte. "Ich möchte einfach nicht, dass es bald wieder zu einem Umbruch kommt."

Landesweit sorgten mehr als 63.000 Polizisten für Sicherheit während der Wahl. Nach Polizeiangaben wurden zudem Spezialkräfte in Bereitschaft versetzt. "In einigen Gegenden mussten wir Polizei einsetzen, um die Wahllokale vor wilden Tieren zu sichern, vor allem vor wilden Elefanten", sagte ein Polizeisprecher.

dja/lan