Abstimmung im Februar 2025 - AfD hat Mega-Vorteil: Wer jetzt vom Neuwahl-Termin profitiert und wer nicht

Olaf Scholz lenkt ein und stellt die Vertrauensfrage schon im Dezember. Die vorverlegten Bundestagswahlen bringen für viele Parteien Herausforderungen mit sich. Vor allem die SPD taumelt nun, während die Union jubelt.

Zunächst sah der Kanzler-Plan vor, die Vertrauensfrage erst im neuen Jahr im Bundestag zu stellen. Zu Neuwahlen wäre es dann erst im Frühling gekommen. Die Kritik war heftig, jetzt lenkte Olaf Scholz ein. Medienberichten zufolge plant er die Vertrauensfrage am 16. Dezember zu stellen. Die Bundestagswahl soll dann am 23. Februar 2025 stattfinden.

Was den Bürgerinnen und Bürgern des Landes endlich ein wenig Klarheit in einer chaotischen Zeit bringt, hat für die Parteien und ihre Kandidaten nun unterschiedliche Folgen. Während für die einen Vorteile mit dem früheren Wahltermin einhergehen, blicken andere einer schwierigen Phase entgegen.

Im Video: Mit diesem Wahlkampf-Plan will Scholz Kanzler bleiben

Die SPD: Setzen Genossen auf das „Biden-Manöver“?

Für die Sozialdemokraten und Kanzler Scholz ist der frühe Neuwahltermin alles andere als vorteilhaft. Als Kanzlerpartei hat die SPD die Hauptverantwortung für die gescheiterte Ampelkoalition. Dies ist ein schwieriger Ausgangspunkt für einen sehr kurzen Wahlkampf.

Scholz, wohl auch Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, hatte auf einen späteren Neuwahltermin gepokert. Zunächst hätte so etwas mehr Gras über den aktuell noch sehr frischen Bruch der Ampel wachsen können und Scholz hätte sich länger als Staatsmann präsentieren können.

Außerdem findet im März 2025 die nächste Bürgerschaftswahl in Hamburg statt, Scholz´ politische Heimat. Aktuellen Umfragen zufolge könnte der rot-grüne Senat wohl weiterregieren. Die SPD steht zwar vor Verlusten ein, bleibt aber wohl stärkste Kraft. Dem Kanzler hätte das möglicherweise Rückenwind gegeben.

Für die Partei selbst wird es nun herausfordernd, in einer Regierung ohne Mehrheit weiterzuregieren, unter diesen schwierigen Voraussetzungen noch Gesetze durchzubringen und nebenbei noch schnell eine klare Botschaft zu formulieren, die ihre bisherigen Regierungsleistung verteidigt und gleichzeitig Verbesserungen für die Zukunft verspricht.

Die Zeit tickt aber nicht nur für Scholz. Sollten sich die Sozialdemokraten für das „Biden-Manöver“ entscheiden, also kurz vor der Wahl den Kanzlerkandidaten zu tauschen, müsste diese Entscheidung schnell fallen. Denn ein neuer Kandidat bräuchte Zeit, sich zu zeigen und seine Positionen an die Bürgerinnen und Bürger heranzutragen.

Zuletzt brachten ausgerechnet zwei SPD-Abgeordnete aus der Hamburger Bürgerschaft das Thema auf. In einem offenen Brief forderten sie, dass Scholz den Weg frei macht für Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Zwar sind solche klaren Worte bisher nicht von den Spitzenfunktionären zu vernehmen. Doch des Kanzlers Rücken stärken sie auch nicht. Und sie zeigen: In der Partei stehen nicht alle hinter ihrem wahrscheinlichen Kanzlerkandidaten.

„Die SPD darf nicht glauben, dass ihre Profilbildung allein durch ein maximal linkes Programm zu erreichen ist“, sagt Politik-Experte Wolfgang Schroeder im Interview mit FOCUS online. Sie müsse sich stärker darauf konzentrieren, was die wirklichen Bedarfe der Mehrheitsbevölkerung sind und welche Errungenschaften unter den schwieriger werdenden Bedingungen verteidigt werden müssen.

Die Grünen: An Habeck haftet das Ampel-Aus

Ein Blick auf die Umfragewerte der Grünen verrät: Die Zeit in der Ampel-Koalition hat sie viele Wählerstimmen gekostet. Vor genau drei Jahren, kurz nach der Wahl, standen sie bei fast 15 Prozent, heute bei gerade einmal gut zehn Prozent. Die Grünen waren und sind zentrale Akteure in der Koalition und werden offenkundig von Wählern für viele Probleme im Land und das Scheitern der Ampel verantwortlich gemacht.

Schroeder glaubt, dass die Grünen es schwer haben werden, gegen diese negativen Wahrnehmungen anzugehen. „Sie versuchen das ein Stück weit, indem sie zu Maximalpositionen der frühen Jahre zurückkehren, wie man das möglicherweise auf dem bevorstehenden Wiesbadener Parteitag sehen wird.“

Der Parteitag der Grünen findet am kommenden Wochenende statt. Einerseits ist das gut für die Grünen, weil sie dort früh die Weichen für die kommenden Monate und den kurzen Wahlkampf stellen können. Andererseits gibt es innerhalb der Partei teils konträre Auffassung zu den politischen Ansätzen, die noch zu klären sind.

Ob das auf dem Parteitag gelingt und ob Habeck die Parteimitglieder hinter sich vereinen kann – auch ihm haftet der Ampel-Bruch in der öffentlichen Wahrnehmung mehr an, als anderen Ministern – bleibt abzuwarten. Fakt ist: Die Grünen sind unter Zugzwang und aktuell scheinen sie noch auf der Suche nach der richtigen Strategie.

Die FDP: Ohne Koalitionsdisziplin, aber mit schlechten Umfragewerten

Die FDP droht an ihrer (ehemaligen) Regierungsbeteiligung ganz zu ersticken. Die Umfragewerte sind so weit im Keller, dass ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde droht.

„Die FDP leidet darunter, dass sie mit sich selbst nicht im Reinen ist und anscheinend nicht weiß, wer sie eigentlich ist und welche Rolle sie im Parteiensystem spielt“, attestiert Schroeder den Liberalen. Dass Olaf Scholz den FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner aus der Ampel geschmissen hat, könnte auch Lindner Vertrauen der Bürger kosten.

Die FDP geht also aus einer denkbar schlechten Ausgangslage in die Wahlkampfphase. Aber, anders als SPD und Grüne, kann sie befreit auftreten. Nach dem Motto: „Wenn jetzt noch was schiefgeht in der Reste-Ampel, wir waren es nicht!“ Und sie kann auch viel klarer auf ihre Themen setzen und muss sich keiner Koalitionsdisziplin unterwerfen.

Klar ist aber auch: Die kurze Wahlkampfphase begrenzt die Chancen für einen Umschwung enorm.

Die Union: Mit Rückenwind, aber Koalitionsfrage ist ungeklärt

Je früher die Neuwahlen, desto besser, denkt sich wohl vor allem die Opposition. CDU und CSU erfreuen sich derzeit an guten Umfragewerten. Aktuell ist die Union stärkste Kraft im Land. Würde heute gewählt werden, würde kaum ein Weg an einer von der Union geführten Regierung vorbeiführen.

Bis zum 23. Februar ist aber noch Zeit. Und wie plötzlich die Wählerstimmung umschlagen kann, hat die vergangene Bundestagswahl gezeigt. Am Ende machte die SPD das Rennen – auch, weil Armin Laschet, damaliger Kanzlerkandidat der Union, zu viel Zeit hatte, Fehler zu machen. Je weniger Zeit nun Friedrich Merz, aktueller Kanzlerkandidat der CDU, für Fehler hat, desto besser.

Merz versucht seit Wochen verstärkt, die politische Instabilität der Regierung für sich zu nutzen, um sich als verlässliche Alternative darzustellen. Die Union kann zudem von der Unzufriedenheit in der Bevölkerung bezüglich der drei ehemaligen Ampelparteien profitieren.

Ein weiterer Vorteil: Die Bürger d sehen Themen wie Wirtschaft, Migration und innere Sicherheit derzeit als die Wichtigsten. Der Ampel attestieren die meisten ein Versagen in diesen Bereichen.

Es sind gleichzeitig Kernthemen der Union. Konservative, Bürgerliche und mit der Ampel Unzufriedene müssen so nicht erst mühselig mobilisiert werden, vielen sind der Union schon jetzt zugeneigt. Das bestätigen Umfragen.

Ein Hindernis hingegen, das gegebenenfalls mehr Zeit zur Klärung bedarf, ist die Koalitions-Frage. Während CSU-Chef Markus Söder eine Zusammenarbeit mit den Grünen vehement ausschließt, bleibt man bei der CDU vager. Streit scheint hier vorprogrammiert.

Eine schnelle, klare Haltung der Union zu Koalitionsfragen könnte Wählerentscheidungen erleichtern. Denn eine Zusammenarbeit mit der AfD, Stichwort Brandmauer, ist seitens der Union ausgeschlossen. Die Haltung zum Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht derzeit noch auf wackligen Füßen. Auf Länderebene hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann Koalitionen seiner Partei mit dem BSW immerhin nicht grundsätzlich ausgeschlossen.

Die AfD: Keine Regierungschance, aber einen Mega-Vorteil bei Mobilisierung

Wie keine andere Partei profitiert derzeit die AfD vom Aus der Ampel. Aktuell steht die Partei in Umfragen bei rund 18 Prozent, knapp acht Prozentpunkte mehr als noch 2021. Tendenz zuletzt wieder steigend. Und aktuell reitet die rechtspopulistische Partei noch auf der Anti-Ampel-Welle.

Die generelle Unzufriedenheit mit der Regierung bleibt also absehbar Wahlkampfschlager Nummer eins der AfD. Je länger der Neuwahltermin also herausgezögert worden wäre, desto eher wäre die Anti-Ampel-Welle wohl wieder abgeebbt. Die AfD könnte die kurze Vorbereitungszeit nun also nutzen, um mit ihrer scharfen Kritik an der gesamten politischen Elite fortzufahren.

Kernthemen, mit denen die AfD immer wieder auf sich aufmerksam macht, sind Migration und innere Sicherheit. Es sind die Themen, die aktuell auch die Wähler mehrheitlich beschäftigen. Je schneller die Wahl also kommt, desto besser für die AfD.

Die AfD kann zudem kurzfristig durch ihre starke Präsenz in sozialen Netzwerken mobilisieren, ohne auf klassische Wahlkampfressourcen angewiesen zu sein. Das hilft in der Kürze der Zeit enorm. Hier ist die AfD den anderen Parteien teilweise Meilen voraus.

Am Ende wird ihr das alles aber möglicherweise nichts bringen. Aufgrund ihrer teils extremen Positionen und teilweise als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften Landesverbände, wie etwa Sachsen, strebt niemand derzeit ein Bündnis mit der AfD an. Eine Regierungsbeteiligung der AfD gilt als völlig abwegig, eine Stimme für die AfD deshalb nur eine Proteststimme.

Das BSW und Kleinparteien: Kurzes Zeitfenster ist Herausforderung

Ein vorgezogener Wahltermin im Februar 2025 stellt besonders für BSW und kleine Parteien erhebliche Herausforderungen dar. Zunächst leidet das BSW, das erst kürzlich gegründet wurde und noch in mehreren Bundesländern Landesverbände aufbauen muss, um überhaupt Kandidaten aufstellen zu dürfen, unter Zeitdruck. Fehlen diese Verbände, sind sie in diesen Regionen faktisch nicht wählbar.

Im Gegensatz zu großen Parteien wie der CDU oder der SPD, die über ein festes Netz von Räumen und Ressourcen verfügen, haben neue und kleine Parteien zudem oft keine eigenen Büros und müssen kurzfristig Räume für Versammlungen anmieten. Dieser organisatorische Aufwand ist in kurzer Zeit schwer zu bewältigen.

Parteien ohne Vertretung im Bundestag, wie die Piratenpartei oder Volt, müssen außerdem eine bestimmte Anzahl von Unterschriften sammeln, um zur Wahl zugelassen zu werden. Bei einem frühen Wahltermin bleibt ihnen dafür nur ein kurzes Zeitfenster.