Absurde Energiepolitik - Warum die Briten eine Milliarde Pfund zahlen, um Windräder abzuschalten

Die Anlagen vor den Küsten Schottlands produzieren zuviel Windkraft für die britischen Stromnetze.<span class="copyright">AFP via Getty Images</span>
Die Anlagen vor den Küsten Schottlands produzieren zuviel Windkraft für die britischen Stromnetze.AFP via Getty Images

Rekordverdächtige Verschwendung: Eine Milliarde Pfund zahlten britische Verbraucher in diesem Jahr, damit die fleißig ausgebauten Windräder des Königreiches zeitweise abgeschaltet werden. Das Problem gibt es in abgeschwächter Form auch in Deutschland.

Das britische Stromnetz kann die Menge an Windenergie nicht aufnehmen. Laut einem Bericht von Bloomberg sind die Betreiber deshalb gezwungen, für die Abschaltung von Windparks zu zahlen. Diese „Überlastungskosten“ gehen zu Lasten der Verbraucher.

Eine Milliarde Pfund (1,3 Milliarden US-Dollar) hat Großbritannien allein in diesem Jahr an Windkraftbetreiber gezahlt, damit sie ihre Anlagen abschalten. Der Hintergrund: Die Stromnetze in Großbritannien sind zu schwach. Sie konnten mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem der Windkraft, nicht Schritt halten. Ein Problem, mit dem auch die deutschen Netze und Netzbetreiber zu kämpfen haben - wenn auch in abgeschwächter Form.  

WERBUNG

Als im vergangenen Monat der Sturm Bert über Großbritannien hinwegfegte, wurde der Windpark Viking auf den Shetlandinseln abgeschaltet. Mit 103 Turbinen und einer Leistung von 443 Megawatt ist der Viking-Park des britischen Energiekonzerns SSE Renewables ein Vorzeigeprojekt für die Nutzung erneuerbarer Energien und - gemessen an der Stromproduktion - der größte Onshore-Windpark Großbritanniens. Das Projekt spielt eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Netto-Null-Ziele Großbritanniens und Schottlands. Dafür hat Großbritannien zudem die Kohle-Ära beendet.

Paradox: Windparks ab- und Gaskraftwerke einschalten

Das Problem: Britische Erzeuger verkaufen ihre Leistung in der Regel im Voraus auf dem Großhandelsmarkt. Diese Geschäfte berücksichtigen jedoch nicht die physikalischen Grenzen, die dem Ausgleich von Angebot und Nachfrage in Echtzeit gesetzt sind. Um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten, müssen zum Teil weiter entfernte Windparks abgeschaltet und näher gelegene Gaskraftwerke zugeschaltet werden. Dies steht im Widerspruch zu den Dekarbonisierungszielen Großbritanniens und Schottlands.

„Die veralteten Regeln unseres Energiesystems führen dazu, dass große Mengen billigen Ökostroms verschwendet werden“, sagt Clem Cowton, Direktor für Außenbeziehungen beim Energieversorger Octopus Energy Group, gegenüber Bloomberg. „Es ist absurd, dass Großbritannien schottische Windparks dafür bezahlt, dass sie sich bei Windstille abschalten, während es gleichzeitig Gaskraftwerke im Süden dafür bezahlt, dass sie sich einschalten.“

Dekarbonisierung durch veraltete Stromnetze in Gefahr

Zum Hintergrund: Großbritannien will seine Stromversorgung bis 2030 dekarbonisieren. Entscheidend für das Netto-Null-Ziel ist ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie. Großbritannien hat seine Offshore-Flotte in den vergangenen fünf Jahren um 50 Prozent ausgebaut. In den nächsten fünf Jahren sollen sogar doppelt so viele Windkraftanlagen gebaut werden, wie BloombergNEF-Daten zeigen. Auch in Deutschland schreiten die Ausbauzahlen des Windkraft-Wunders voran. Die britischen Dekarbonisierungspläne werden jedoch durch die mangelnde Kapazität des Stromnetzes für Windenergie gefährdet, schreibt Bloomberg.

Produktionseinschränkungen werden immer häufiger. In diesem Jahr übersteigen die Kosten für die Abregelung von Windenergie die Gesamtkosten des Vorjahres. Die Kosten trägt der Verbraucher.