Kein AfD-Bürgermeister in Nordhausen

Nordhausen (dpa) - Jubel, langer Applaus, Umarmungen: Nach dem Scheitern des AfD-Kandidaten Jörg Prophet bei der Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen haben sich Bürger und Politiker erleichtert gezeigt. Nach Ansicht des Historikers und Buchenwaldgedenkstättenleiters Jens-Christian Wagner gibt es dennoch Grund zur Sorge.

«In Nordhausen ist erstmal die Gefahr gebannt, dass es einen extrem rechten Oberbürgermeister gibt», sagte Wagner der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich hätten aber mehr als 45 Prozent jemanden gewählt, «der ein geschlossenes geschichtsrevisionistisches Weltbild vertritt», sagte Wagner. Das sei Grund zur Besorgnis.

In Nordhausen hatte sich gestern bei einer Stichwahl Amtsinhaber Kai Buchmann (parteilos) mit 54,9 Prozent der Stimmen gegen den AfD-Politiker Jörg Prophet durchgesetzt, der auf 45,1 Prozent kam. Allerdings könnte sich für die AfD schon in zwei Wochen eine weitere Chance auf ein Oberbürgermeisteramt ergeben: Bei einem ersten Wahldurchgang zum neuen Oberbürgermeister von Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt bekam am Sonntag der AfD-Kandidat Henning Dornack die meisten Stimmen - 33,8 Prozent. Amtsinhaber Armin Schenk (CDU) erhielt 29,1. Beide müssen am 8. Oktober zur Stichwahl antreten.

Prophet galt als klarer Favorit

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt (Grüne) schrieb bei X, vormals Twitter, der Sieg Buchmanns in Nordhausen sei eine gute Nachricht, auch wenn 45,1 Prozent «für den Kandidaten einer rechtsextremen Partei wirklich bestürzend sind». Sie schrieb aber auch: «Der Ausgang der heutigen Wahl zeigt, wie schwer der Kampf für unsere Demokratie ist, wie hart wir um demokratische Mehrheiten ringen müssen.» Göring-Eckardt stammt aus Thüringen.

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, schrieb ebenfalls bei X: «Auf Demokratinnen und Demokraten kommt es an, die müssen zusammenstehen.»

In Nordhausen galt die Ausgangslage im Vorfeld als äußerst schwierig: Gegen Buchmann läuft ein Disziplinarverfahren, zwischenzeitlich war er wegen Mobbingvorwürfen suspendiert worden, bis dies ein Gericht wieder aufhob. Prophet dagegen galt nach dem ersten Wahldurchgang als klarer Favorit. Bürger sprachen noch am Wahltag davon, die Wahl zwischen «Not und Elend» zu haben.

Verfassungsschutz sieht «geschichtsrevisionistische Agenda»

Gedenkstättenleiter Wagner sagte, das Signal dieses Wahlergebnisses sei, dass es eine Zivilgesellschaft schaffen könne, «einen rechtsextremen Geschichtsrevisionisten in die Schranken zu weisen». Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft und beobachtet.

Im Vorfeld der Wahl war bekannt geworden, dass Prophet mit geschichtsrevisionistischen Texten aufgefallen war. Auch der Thüringer Verfassungsschutz hatte einen seiner Texte als Beispiel für die «geschichtsrevisionistische Agenda» der AfD angeführt. Nordhausen hat rund 42.000 Einwohner.

Experte: AfD in Städten weniger erfolgreich

Für das überraschende Scheitern der AfD bei der Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen in Thüringen sieht der Jenaer Soziologe Axel Salheiser auch Unterschiede zwischen Stadt und Land als maßgeblich. «Nordhausen ist nicht Sonneberg und es macht einen deutlichen Unterschied, ob wir über einen Landkreis reden oder eine Stadt», sagte der wissenschaftliche Leiter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena.

Die AfD sei in Städten weniger erfolgreich. «In den urbanen Räumen, auch schon in kleinen Mittelstädten, gibt es eine andere Komposition der Wahlbevölkerung und andere sozio-demografische Bedingungen», sagte Salheiser, der auch am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) wirkt. In den Städten seien die Menschen weniger gefährdet, sich als soziale Gruppe besonders benachteiligt zu fühlen, erläuterte der Forscher.

Salheiser betonte, dass es in Nordhausen in den vergangenen zwei Wochen seit dem ersten Wahldurchgang eine «starke, demokratische Gegenmobilisierung» gegeben habe. «Das hat eine große Rolle gespielt, glaube ich.» Zudem hätten «Deutungseliten» klar Position bezogen. Diese hätten faktenbasiert darüber aufgeklärt, «was auf dem Spiel steht, wenn radikal rechte und antidemokratische Akteure sich zur Wahl stellen». Dieser Einfluss sei nicht zu unterschätzen. Außerdem habe seiner Meinung nach geholfen, dass der Amtsinhaber nicht einer der regierungstragenden Parteien angehört.