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AfD verschiebt nächsten Schweden-Urlaub

Ab nach Schweden? Nicht für die AfD! (Bild: Bloomberg)
Ab nach Schweden? Nicht für die AfD! (Bild: Bloomberg)

Mach es wie Trump – die AfD sucht sich ihre Vorbilder. Ihre Hoffnung: Gift bleibt Gift. Die Geschichte einer aktuellen Kampagne.

Ein Kommentar von Jan Rübel

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Mut haben sie bei der AfD, sie scheuen nicht, sich lächerlich zu machen. Mut zur Verzerrung haben sie auch – selbst wenn den Rechtspopulisten jene lange Nase dabei wächst, die sie gern anderen vorhalten. Da macht ihnen US-Präsident Donald Trump vor, wie man sich dem Gespött preisgibt, indem er irgendwelche Fernsehberichte vom Vorabend, von denen er sich nicht an die Hälfte erinnert und die selbst manipulativ angefertigt sind, als bare Münze verkauft. Schweden. Immer wieder dieses Schweden.

Trump reitet gegen Schweden, weil dieses Land ein historisches Gegenmodell zur Staatsvorstellung vor allem konservativer US-Amerikaner ist. Da ist der starke Sozialstaat mit hohen Steuern und einer großen Verwaltung, mit einem nachhaltigen Ansporn zu Bildung für alle und einer liberalen Ausrichtung der Werte. Auf der anderen Seite des Teiches bei den Republikanern das Gegenteil. Und während die Schweden im Großen recht zufrieden mit ihrem Lebensmodell sind, sehen nicht wenige Amerikaner in diesem skandinavischen Land den Erbhalter Sodoms und Gomorrhas. Ein bisschen Neid wird auch dabei sein, zu viel klappt bei den Schweden, und im Eishockey sind sie auch nicht schlecht.

Und dann auch noch die Geflüchteten, die das Land aufnahm – das kann, nein, das muss schiefgehen. An diesem Punkt offenbart sich die gemeinsame Flanke von Trump und der AfD. Denn die Nationalkonservativen wollen keine Umvolkung, wie sie delirieren, durch Geflohene aus anderen Ländern. Also muss in Schweden schiefgehen, was auch in Deutschland scheitern muss; auch wenn das mit der Integration der zu uns Geflüchteten nicht gerade wie eine Misserfolgsstory aussieht.

Die Geschichte einer Kampagne

Der Mut der AfD besteht zuerst in ihrer Dummheit. Eine Meldung des Auswärtigen Amts, klar formuliert, missverstand man bei der Berliner AfD als Reisewarnung zu Schweden und twitterte fröhlich los. Als die Falschmeldung ohne Kleider dastand – blieb man bei der AfD jedoch dabei. Das nenne ich doppelten Mut. Die Begründung: Zwar sei er über den Tweet „nicht glücklich“ und der Begriff Reisewarnung „natürlich objektiv falsch“, sagte Pressesprecher Ronald Gläser gegenüber „Spiegel Online“. Aber eine Löschung mache die Sache auch nicht besser. „Die Empörungswelle haben wir sowieso.“

Das verstehe ich nicht. Meinte er, das Kind sei eh in den Brunnen gefallen, da brauche es kein Seil mehr? Oder wollte er einfach eine Empörungswelle, egal von wem? Hauptsache, man fällt auf?

Jedenfalls agiert die Berliner AfD auf ihrer Twitter-Seite weiter, als wolle sie den Dreißigjährigen Krieg und Tillys Sturm gegen Schwedens König nachspielen. Da geht es gerade Schlag auf Schlag.

„ÖPNV in Teilen Schwedens eingestellt“

„Fakenews? ÖPNV in Teilen Schwedens eingestellt“, tweeten die AfDler in Bezug auf eine Meldung der Zeitung „Epochtimes“, nach der ein Busverkehr in einem Viertel in der 34.366-Einwohner-Stadt Skövde zeitweilig eingestellt worden sei – wegen möglicher Schüsse auf einen Bus. Ob die Meldung stimmt, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Ich fand keine englischsprachigen Nachrichten dazu, und die Epochtimes ist die einzige deutschsprachige Zeitung, die exklusiv darüber berichtet. Nun kann es sein, dass die so genannten „Mainstream-Medien“ weggeschaut haben und lediglich die Epochtimes hin. Nur ist die Zeitung weniger für investigative Recherche und mehr für ihr Gedeihen in rechten Paralleluniversen bekannt. Die Berliner AfD jedenfalls bläst den vermeintlichen Vorfall auf zu einem „in Teilen Schwedens“.

Weiter geht es im Programm: Während deutsche Medien über die zunehmende Ganggewalt in Schweden berichten, bringt sich die Berliner AfD in Rage. Erst schreibt sie bei Twitter vom „5. öffentlichen Mord“ in der Stadt Malmö, und weil das wohl nicht dramatisch genug klang, wenig später „5. öffentliche Hinrichtung“. Fakt ist, dass es fünf Morde seit Anfang Januar gab. Die Opfer wurden gefunden, in der Öffentlichkeit. Eine öffentliche Hinrichtung, das klingt indes nach IS. Sapperlott.

Da das Auswärtige Amt die anfänglichen Fehler der AfD korrigierte und als „Fakenews“ etikettierte, gibt sich die Partei nun beleidigt. Und nennt wiederum das Außenministerium einen Urheber einer „gezielten Desinformation der Bürger“. Holla. Und dies, weil angeblich die öffentlichen Hinrichtungen geleugnet würden. Von wem eigentlich? Über die Morde jedenfalls wird berichtet – im Gegensatz zum Busverkehr in der Stadt Skövde.

I love Fake

Das ist noch nicht alles. Nur eine Stunde später postet die AfD einen Artikel des amerikanischen Wallstreet Journal, besser gesagt: einen Gastkommentar der führenden Politiker der Schwedendemokraten – das ist die rechtspopulistische Partei dort. Die Autoren stimmen in dem klar als „Kommentar“ gekennzeichneten Text Trump in seinem Schweden-Bashing wegen Sodom und Gomorrha zu. Das kann man bringen als Zeitung, es ist ein Beitrag zum Pluralismus einer Zeitung.

Doch was macht die Berliner AfD daraus?


Tja. Aus einem Kommentar, gar einem Gastkommentar, wird bei der AfD schnell eine Nachricht. Und wann hat das Auswärtige Amt je diesen Gastkommentar als „Fakenews“ bezeichnet? Und wo, bitte, gibt es bei dem Ganzen Hinweise darauf, die Diplomaten mit der Pinocchio-Nase zu etikettieren? Wo, bitte, geht es hier zur Lüge?

Der gerade Weg jedenfalls führt zur Berliner AfD. Sie hofft darauf, dass wenigstens eine kleine Portion ihrer ungeheuerlichen Geschichten, Zuspitzungen und Erfindungen über Schweden Fuß fassen. Weiter erzählt werden. Sich verbreiten. Angst machen. Die „Flüchtlinge“ für S&G verantwortlich gemacht werden. Um die Wahrheit schert man sich dabei nicht, im Gegenteil. Sie stört nur. Bleibt am Ende nur mein Unverständnis, warum sich diese Partei mit dem Slogan schmückt: „Mut zur Wahrheit.“ Selten so gelacht.

Sehen Sie auch: Das Video zu Trumps gewagter Schweden-Aussage